II, Theaterstücke 4, (Anatol, 0), Anatol, Seite 1

box 7/3
4. Anato

sopotz ontien= und WaltenM.„
Andante spianato von Chopin in etwas allzu wohlfeiler Volks¬
Nun
Die
ausgabe, dagegen drei Salonstücke, worunter eine „Tanz¬
Lieder,
Arabeske“ eigener Komposition, mit sehr viel Feinheit und bei
aller Weichheit reichem Anschlag. Er mußte sich zu einer Zugabe
Runze,
herbeilassen. Der Saal war trotz des premiérenfreien Sonnabends
eine Kuriosität im winterlichen Theaterkalender — nur mäßig
besetzt.
thelm¬
f. m. Mit unserer österreichischen Literatur, so schreibt
ellung
man uns
aus Wien, hat es eine ganz eigene
runter
Bewandniß. Zuerst wird es jedem Fremden auffallen, daß
d eine
unsere Schriftsteller ihrem eigentlichen Beruf nach alles andere
sind,
eber sind als Schriftsteller. Am meisten mit der Literatur hängen
en in
noch die Bühneautoren zusammen, die zumeist Redakteure und
rfenen
Theaterkritiker sind. Nach dem sie Jahrelang den Sinn oder
fehlen,
Unsinn Anderer kritisirt haben, können sie der Versuchung nicht
f auf¬
widerstehen, selbst einmal zu produziren, Sinn oder Unsinn; ihre
Tage
Stücke reichen sie dann den Theatern ein, über deren Aufführungen
sie sonst zu berichten haben und die eine Zurückweisung natürlich
nicht wagen. Unsere Romandichter aber sind im gewöhnlichen
Leben Aerzte oder Beamte, Lehrer oder — Bummler. Das hat
nun freilich das Gute, daß ihre Muse nur in den seltensten Fällen
die Nothwendigkeit des Erwerbes ist. Die österreichische Literatur
gjestern
ange¬
hält sich so größtentheils frei von jenem Gemachten und Ge¬
heckige
wollten, das der norddeutschen, zumal der jungen Berliner
außer
Schule anhaftet. Es liegt in ihr mehr Stimmung, mehr
nicht
Kunst. Andererseits aber ist sie spärlicher, weniger umfangreich,
ist als
und daraus erklärt sich die untergeordnete Rolle, die sie in der
zeitgenössischen Produktion spielt. Bücher wollen nicht nur ge¬
genug,
schrieben, sie wollen auch gedruckt werden. Und da ist es eine auf¬
gkeiten
onzert¬
fallende und betrübende Erscheinung, daß man in Oesterreich
keinen Verleger findet. Unsere Verleger besitzen weder Geschäftsgeist
er erste
noch Unternehmungsmuth. So ist es gekommen, daß einige
ihl der
deutsche Firmen den ganzen schöngeistigen Verlag Oesterreichs an
k. Die
sich gezogen haben: Minden und Pierson in Dresden, Dony in
n, ver¬
Stuttgart. Bei Heinrich Minden ist soeben der neueste Novellen¬
in dem
band unseres J. J. David erschienen: „Probleme“. David nimmt
wollten
in der heutigen Literatur eine Sonderstellung ein. Seine
legiren.
Probleme und Eharaktere sind einfach, seine Sprache ist knapp
besten
und alterthümelnd. Konr. Ferd. Meyer, vielleicht auch Storm
Gesang
haben auf ihn eingewirkt. Von einem solchen Stil ist nicht mehr
73, der
weit bis zur Manier; David hatte die Grenze auch bereits über¬
schritten. In diesem neuesten, seinem besten Band hat er sich
ge Hoch¬
wiedergesunden; nichts Störendes liegt mehr in ihm, man kommt
lönende
zu einem reinen Genuß. Seine Meisterschaft in der Renaissance¬
vohl er¬
novelle stand längst fest; diesmal hat er bewiesen, daß er auch
lieferte
moderne Stoffe zu behandeln versteht. Ein Erstlingswerk ist
Reihen¬
Arthur Schnitzler's „Anatol“ (Berlin, Verlag des Bibliographischen
sten der
Bureaus), eine Sammlung von sieben Einaktern, gewandten,
iner so
graziösen, feinsinnigen Plaudereien, im Stil Gyp's. Schnitzler
erholen,
ist einer der talentirtesten und versprechendsten unter unseren
noch
Jungen; im Berliner Lessingtheater wird diesen Winter ein
dreiaktiges Schauspiel von ihm, „Das Märchen“, zur Aufführung
bling
ehenden 1 gelangen.
Gios N. N. ein 1a
12
e
Kronpeinzessin=Witwe Erzye gogin Erep„
Besuch angemeldet.
* Im Verlage von Freund und Jeckel in Berlin
ist soeben ein Roman „Der Untergang“ von Theodor
Wolff erschienen, einem neuen Erzähler, dem wir respect¬
voll die Hand drücken. Die Fabel des Buches ist sehr
einfach. Ein junger Mann, vom modernen Zeitgeist an¬
gekränkelt, blasirt und mit der Welt zerfallen, fühlt sich
zu seiner eigenen Ueberraschung von einer wahren Liebe
ergriffen. Der Gegenstand seiner Schwärmerei ist die
schöne Frau eines Marmorhändlers. Diese, von Natur
züchtig und ehrbar, widersteht der Bewerbung geraume
Zeit, läßt sich aber schließlich doch, als ihr der Geliebte
nach Capri nachfolgt, vom Sturme der Leidenschaft fort¬
reißen. Ein Zufall vermittelt dem alten, ahnungslosen
Gatten die Wahrheit. Es kommt zu einer Auseinandersetzung,
die weniger leidenschaftlich als rührend ist. Der Gatte
verzeiht nach einem heftigen Schmerzesausbruch den Schul¬
digen, deren Trennung er begreiflicherweise energisch for¬
Sie weicht
dert. Diese Scene ist die beste des Buches.
vollständig von dem Herkömmlichen ab und entbehrt doch
nicht der Glaubwürdigkeit. Das Liebespaar vermag in¬
dessen die Trennung nicht lange zu ertragen. Nach kurzer
Pause finden sich die Beiden wieder zusammen und be¬
schließen, da ihnen sonst keine Hoffnung winkt, gemein¬
schaftlich zu sterben. Vor Ausführung des Ent¬
schlusses zeigt es sich aber, daß die Frau noch
mit tausend Fäden am Leben hängt, wahrend er,
innerlich ausgehöhlt und entnervt, das Dasein wie eine
lästige Bürde betrachtet. So überredet er sie denn, ihre
Tage weiterzuspinnen, und geht allein in den Tod. Wolff
hat unstreitig Talent. Er weiß zu fesseln und zu rühren
und seine Naturschilberungen sind von prächtiger Wirkung,
wie ja überhaupt die Sprache des Buches sehr schwung¬
voll ist. Vielleicht wäre hier sogar ein Zuviel zu tadeln.
Man scheidet indeß von dem Buche mit dem Gefühle auf¬
richtiger Anerkennung. — Ein literarisches Product ganz
anderer Art, aber gleichfalls ein ganz annehmbares, ist
Arthur Schnitzler's „Anatol“ (Bibliograph. Institut,
Berlin 1893.) Die Form des Buches — eine Sammlung von
Dialogen — ähnelt einigermaßen derjenigen, in welche
die berühmte Mme. Gyp ihre amusantesten Romane kleidet.
Auch das Schnitzler'sche Buch ist ein solches Mittelding
von Roman und Theaterstück. Es enthält fünf oder sechs
kleine Einacter, welche insgesammt den Zweck verfolgen, die
überaus mannigfaltigen Beziehungen des Helden Herrn
Anatol zu weiblichen Wesen zweiter Güte klar und
anschaulich darzustellen. An Deutlichkeit läßt die Sprache
des Buches in der That kaum Etwas zu wünschen übrig;
sie ist aber außerdem recht flott und zeigt von viel Witz
und Menschenkenntniß. Anatol ist ein sentimentaler Roué,
der täglich bereits zum Frühstück ein oder zwei Ballet¬

Tanzerinnen oder Circusreiterinnen consumirt, bei diesen
Letzteren aber in Hinblick auf seine Unwiderstehlichkeit
dauernde Gefühle voraussetzt. Die Persiflage ist stellen¬
weise wirklich köstlich durchgeführt. Lesern, die gerne über
gute Einfälle lachen und hinterdrein ebenso gerne über die
Tendenz schimpfen, wird das Büchlein eine willkommene
Gabe sein.
Criminal=Geschichten.
*
0