II, Theaterstücke 4, (Anatol, 0), Anatol, Seite 19

Ana
4. M
box 7/3
erschweren die Arbeit der Polizei= trag für die Kost schuldig bleiben. Sie wird als etwas
streitsüchtig geschildert.
behörde. Neben dem Zimmer der Ermordeten schlafen,
nur durch eine dünne Wand getrennt, deren Quartierleute,
Lärm und Spektakel sind übrigens in dem Hause
die Ebeleute Freimann. Diese behaupten, trotzdem sie Obeongasse Nr. 1 sehr häufig und es vergeht keine Nacht,
weisen, einen offenen Sinn für die modernen Bestrebungen
Alles blos an der Oberfläche. Daß im Gemüthe seiner
auf theatralischem Gebiete. Müller war sogar einer der
Dora, so leichtsinnig und einfältig sie auch sein mag, ein
Ersten, die in Wien für Ibsen Propaganda machten. So
geheimes Weh nisten muß, das läßt er uns nicht einmal
hoch er jedoch auch den nordischen Dramatiker schätzt, so
ahnen. Aber erst wenn er dieses tiefe und schmerzliche Ge¬
ist er gleichwohl kein unbedingter Bewunderer seiner Werke.
heimniß ihrer Seele zu Tage gefördert hätte, erst dann
Er siebt in Ibsen nur einen Bahnbrecher und er wagt
wäre die Gestalt rund und voll, erst dann hätte uns Bahr
sogar die kühne Behauptung, daß Gerhard Hauptmann
lebhaft demonstrirt, daß er nicht nur ein geistreicher,
bereits über Ibsen hinausgedrungen sei, und daß er ihn in
mit einer schmiegsamen Anempfindungsfähigkeit aus¬
den „Einsamen Menschen“ an Gestaltungskraft übertroffen
gerüsteter Schriftsteller, sondern auch ein Dichter ist. Diesen
Beweis muß er aber noch erbringen.
habe. Seltsamerweise besitzt Müller, der ja einen scharfen
theaterpraktischen Blick hat, für die modernen französischen
Ein Geistesgenosse Hermann Bahr's ist Artöur
Dramatiker gar kein Verständniß. Er preist unter den
Schnitzler, dem allerdings die schillernde Beweglichkeit des
Meistern der französischen Bühne nur Augier, der jetzt schon
Verfassers der „Dora“ fehlt. In seinem Buche „Anatol“
in Frankreich als antiquirt gilt, und er geräth in einen
(Berlin 1893, Verlag des Bibliographischen Bureaus)
lernen wir Herrn Schnitzler in sieben reizenden Einaktern
heiligen Zorn beim Gedanken, das Wilbrandt als Burg¬
als Stimmungsmaler und als geistvollen und scharfen
theaterdirektor die Pariser Dramatiker auf der ersten Bühne
Deutschlands eingebürgert. Das ist eine deutschthümelnde
Beobachter einer unzweideutigen Gesellschaftsschichte kennen.
Schrulle, von der den zukünftigen Direktor des Raimund¬
Sein Anatol ist zwar aus demselben Holze geschnitzt, wie
Theaters die harte Zucht der Nothwendigkeit gar bald heilen
Bahr's Graf Bludinski, aber er hat mehr Gemüth, mehr
dürfte.
Tiefe und mehr überzeugende Körperlichkeit, als der Held
Von demselben Autor ist dieser Tage erst ein neues
der oben charakterisirten Ehebruchsgeschichte. Und obendrein
Buch „Im Jahrhundert Grillparzer's“ (Wien, Verlag von
eine gewisse rührsame Naivetät der Empfindung inmitten
Kirchner und Schmidt 1893) erschienen.
seiner sittlichen Korruption. Durch diesen Zug gewinnt
In diesem Werke liefert der Verfasser durch eine ein¬
Anatol unsere Sympathie. Anatol richtet vorderhand sein
gehende und an psychologischen Tiefblicken reiche Charakte¬
Augenmerk auf Zirkuskünstlerinnen, Balletdamen und
ristik der hervorragendsten österreichischen Dichtergestalten
Vorstadtmädchen. Aber da ihn der Verfasser als ver¬
ein lebendiges Bild jenes literarischen Jahrhunderts in
heirateten Mann entläßt, so werden wir hoffentlich in
Oesterreich, das mit dem 15. Jänner 1891, dem hunderssten
einem zweiten Bande seinen externen Liebesdrang auf
Geburtstage Grillparzer's, seinen Abschluß gefunden. Es ist
einer Gebiete mit einer tieferen Perspektive sich bethätigen
dies eine sehr verbienstliche Arbeit, die jedoch eine viel
sehen.
tiefere Perspektive dadurch gewonnen hätte, wenn der Autor
Adam Müller=Guttenbrunn ist kein Jünger der
nicht leichthin, sondern in eindringlicher Weise die Dichter,
„Modernen“, aber er besitzt trotzdem, wie seine „Drama¬
turgischen Gänge“ (Dresden, E. Pierson's Verlag 1892) be= deren Entwicklung er vorführt, mit den geistigen Strö¬
Mörder zunachst
Schnalle war rechts vorn
Riemens hing über die B
Am Halse war
mungen unserer Zeit in 3
nach gedeutet hätte.
Der Privatdozent a
Dr. Emil Reich, son
Aesthetiker, ist in seinen
und die besitzlosen Kia
Wilhelm Friedrich) jähli
der modernen Kunst u
circenses (Brot und Spie
schen und politischen P
übersieht jedoch in seinem
den Tempel der Kunst fü
Von einem Künstler
lich soziale Stoffe behand
rechtes Begehren. Seine
dafür, daß man die sozial
frage betrachten dürfe, son
auch sein Recht auf geistig
Kunst sichern müsse, stim
Und nun wollen lo
eines jungen Schriftstell
vorheben, der durch zwei
über Rußland bereits die
Kreise errungen hat. Se
now's“ (Berlin 1893, Ver
Grund eines reichen O
erotische Episoden aus d
Lektüre dieses Werkes sin
dern auch der gewöhnlich
interessant, pikant, liest sic
daher sicherlich bald sein