II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 15

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4.9. Anatol
Zyklu-
vertretung.
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, C.
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapons,
New-York, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.
...
Ausschnitt aus:
Dez. 1810
vom



Deutsches Volkstheater. Gestern hatte auch die
Bühne an der Bellaria ihren Schnitzler=Abend. Es war
zwar keine Premiere, denn die fünf Einakter, die zur Auf¬
führung gelangten, sind durch Lektüre und gelegentliche
Aufführungen längst bekannt, aber es scheint doch, daß das
Deutsche Volkstheater den besseren Teil erwählte, als es
sich an den Schnitzler von früher, an den echten und
ursprünglichen der hielt, nicht an den, der sich
uns im „Jungen Medardus so eigenartig verwandelt
zeigte. Es ist ja gewiß kein tiefer Gedanke, der
diesen dramatischen Kleinigkeiten zugrunde liegt und sie
miteinander verbindet, aber man amüsiert sich doch
bei den verschiedenen Abenteuern Anatols, den wir
jedesmal, wenn sich der Vorhang hebt, in Gesellschaft
eines anderen weiblichen Wesens sehen, sich schon mit der
Absicht tragend, sie zu verlassen, weil bereits eine andere
sein Herz oder wohl vielmehr seine Sinne gefangen ge¬
nommen hat. Von der „Frage an das Schicksal", wie der
Autor die kleine Skizze nennt und uns die Hypnose im
Dienste des mißtrauisch gewordenen Anatol zeigt, der
aber schließlich doch nicht den Mut hat, die Wahrheit zu
erfahren, hinüber zu den „Weihnachtseinkäufen" führt
eine ganz schmale Brücke. Die mondaine Dame berauscht
sich an der Schilderung des „Glücks im Winkel", das
Anatol mit seinem süßen Mädel“ aus der Vorstadt ge¬
nießt. Sie möchte ganz gern an Stelle der Kleinen sein,
es fehlt ihr aber der Mut. Das „Abschiedssouper“ ist be¬
kannt. Anatol will der Ballettratte, der er überdrüssig
geworden ist, den Abschied geben, der peinliche Schritt
bleibt ihm aber erspart, weil die Tänzerin sich
in einen Kollegen verliebt hat und sich nur
noch einmal an Austern und Vanillecreme, an Bordeaux
und Champagner sättigen will. In „Episode" sehen wir
Anatol sich von den Erinnerungen seines Liebeslebens,
den Briefen, Blumen und Haarlocken, trennen. Von all
dem Tand ist ihm eine in Staub zerfallene Rose, die
Reminiszenz an eine Episode, am wertvollsten. Er sieht
das Mädchen wieder und — dieses erinnert sich
einer nicht mehr. Auch „Anatols Hochzeitsmorgen
ennt man längst. Nach dem Polterabend ist der Unver¬
besserliche noch auf eine Redoute gegangen und verbrachte
an die Stunden bis zum Morgen in Gesellschaft einer
einer Freundinnen, von der er sich nur mit schwerer Mühe
osreißen kann, um rechtzeitig am Traualtar zu erscheinen.
die fünf Einakter, die keine Handlung haben, sondern nur
Dialoge sind, fanden gestern im Deutschen Volkstheater
ine glänzende Darstellung. Herr Kramer gab den
Anatol, Herr Lackner seinen Freund Max, während die
Partnerinnen des Liebeskünstlers von den Damen
nnemann, Reinau, Glöckner, Müller
und Galafres gespielt wurden.
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cle¬
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Mu¬
New-York, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
WIEN
Ausschnitt aus.
von 41910


.
Theater und Kunst.
Deutsches Volkstheater. Zum erstenmal Anatole,
künf Einakter von Artur Schuckler. — Fünf Bilder
aus dem Leben eines Lebemannes, der seine Vergnügungen
dort sucht, wo er sie findet. Schnitzler hat eigentlich sieben
Einakter seinem Anatole auf den Leib geschrieben; zwei
davon wurden aber heute abends ausgeschaltet, vielleicht
weil sie ein etwas zu brutales Ende nehmen. In dem
ersten der heute vorgeführten Einakter — „Die Frage
an das Schicksal, — will Anatol, angestiftet von
seinem Freunde Max, seine Geliebte in der Hypnose be¬
fragen, ob sie ihm treu ist; er hat aber den Mut
nicht dazu, weil er von dem Gefühl beherrscht wird,
daß sie ihn betrügt. Der zweite Einakter, Weihnachts¬
einkäufen, zeigt uns Antol als den Geliebten des
sogenannten süßen Mädels in der Vorstadt; auf dem
Weihnachtsmarkte, wo er ein Geschenk kaufen will, trifft
er eine bekannte verheiratete Dame, welche ihm zu ver¬
stehen gibt, daß sie ebenso lieben könnte, wie das
süße Mädel, aber den Mut dazu nicht hat.
Im dritten Einakter, Abschiedssouper,
will Anatol eine Geliebte, eine Zirkusdame, bei
einem üppigen Abendessen verabschieden, weil er
eine Andere gefunden hat. Die alte Geliebte kommt ihm
aber mit der Erklärung zuvor, daß sie das Verhältnis
lösen will, weil sie einen neuen Verehrer, einen Kollegen,
erobert hat. Im Streite entschlüpft beiden das Geständnis,
daß sie sich gegenseitig schon längere Zeit betrogen haben.
Im vierten Einakter, Episode, bildet sich Anatol
ein, daß ihn ein Dächen, wieder Eine vom Zirkus, wirk¬
lich geliebt hat; er wird aber unangenehm enttäuscht, da
sich herausstellt, daß diese Zirkusdame gleichzeitig die
Freundin seines Freundes Max und anderer war und sich
der flüchtigen Begegnung mit Anatol gar nicht mehr er¬
innern kann. Im letzten Bilde endlich, Anatols
Hochzeitsmorgen, betitelt, spielt unser Held
eine sehr tragikomische Rolle. Am Vorabende seiner Hochzeit
trifft er auf der Redoute eine alte Freundin, die ihn nun
gar nicht mehr verlassen will und am Hochzeitsmorgen aus
der Wohnung Anatols nicht hinauszubringen ist. Als sie
schließlich von der bevorstehenden Vermählung Anatols hört,
exzediert sie in der Wohnung und beruhigt sich erst dann,
als Freund Max ihr zuflüstert, daß auch nach der Ver¬
heiratung Anatols sie nicht die Betrogene sein wird.
Aus dieser knappen Inhaltsangabe sieht man, aus welchen
Kreisen Schnitzler seine Frauentypen nimmt. Das fort¬
währende Einerlei in diesen fünf Bildern wirkt übrigens
ermüdend und nur das flotte Spiel konnte über die Ein¬
tönigkeit der mitunter recht witzigen Einfälle Schnitzlers
hinwegtäuschen. Die Herren Kramer und Lackner
sowie die Damen Hannemann, Reinau,
Glöckner, Müller und Galafrés wurden für
die wirklich vorzügliche Darstellung mit lebhaftem Beifall
ausgezeichnet, an dem auch der Autor partizipieren durfte.
Se. k. Hoheit Herr Erzherzog Franz Ferdinand
wohnte mit Gemahlin, Herzogin von Hohenberg, der
Vorstellung vom zweiten bis zum letzten Bilde bei. F. T.