II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 32

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4.9. Anatol.
Runds
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kensch verhaltenen Liebe heraus, die die
süßen Mädel um ihren Mut zur freien Hin¬
gabe beneidet. Indem die Frau dem Manne,
den sie heimlich liebt, ihre Mutlosigkeit ver¬
rät, verbirgt sie dennoch vor ihm das Ge¬
heimnis ihres Herzens.
Herr Kramer ist dem Anatol schon
etwas entwachsen; er bringt aber die innere
und äußere Liebenswürdigkeit mit, die er¬
forderlich ist, um dem leichtsinnigen Liebes¬
melancholiker unsere Sympathien zu sichern.
Prächtig kontrastiert Herr Lackner das durch
mannigfache Erfahrungen skeptisch gewordene
Naturburschentum seines Freundes Max, der
immer ein kluges oder boshaftes Aphorisma
auf der Zunge hat, und die holde Weiblich¬
keit, die Anatols halbes, heimliches Emp¬
finden nicht zur Ruhe kommen läßt, wird
von den Damen Hannemann, Reinau,
Glöckner, Müller und Galafrés mit vor¬
nehmer Charakteristik differenziert. Schnitzler,
von seinem jüngsten Burgtheatererfolg noch
umrauscht, schlürfte mit sichtlicher Genug¬
tuung die verspätete Anerkennung, die seinem
Anatol, dem Vorläufer des jungen Medar¬
dus, im Deutschen Volkstheater zuteil wurde.
Aus der kleinen Welt verliebter Tände¬
leien führt uns der holländische Dichter
Frederik van Eeden in seiner Tragikomödie
„Ysbrand", die auf der jungen Residenz¬
bühne mit starkem Erfolg zur Aufführung
gebracht worden ist, in eine ganz andere,
entgegengesetzte: in die Welt metaphysischer
Entrücktheit und mystischer Inbrunst, aus
der Religionsstifter hervorzugehen pflegen
oder, wenn dazu die starke, suggestive Per¬
sönlichkeit fehlt, arme Narren und Schwärmer,
die von ihren Mitmenschen still geduldet oder
laut verhöhnt werden. Ysbrand de Raaf,
der Held dieser Tragikomödie, scheint auch
aus etwas wie Apostelholz geschnitzt zu sein.
Durch das tragische Ende seiner ersten Liebe
aus dem seelischen Gleichgewicht gebracht,
schlüpft er in ein härenes Bußkleid und führt
bei armen Verwandten christusbärtig und
barfuß ein mitleidig belächeltes Leben ent¬
sagungsvoll in sich gekehrter Beschaulichkeit.
Die Blumen, die Wolken, die Winde und
eine in kindlicher Unschuld erblühende Mäd¬
chenknospe sind sein einziger Verkehr mit der
Umwelt, deren lärmende Geschäftigkeit vor
den Sphärenharmonien verstummt, die seinem
meine
inneren Ohr erklingen. Da fällt
seiner
reiche Erbschaft zu, die die Hal¬
armen
Angehörigen erweckt, und um
mieden
Teufel, den sie bisher geduldet o
pf, der
hatten, entbrennt ein heftiger
seltsame
für ihn im Irrenhaus endet.
che man
Stück, über dessen primitiv
man sich
zuweilen lächeln möchte, wä