II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 132

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4.9. Anatol Zyklus

Den verewigten Staatsminister v. Goßler hörte ich einmal
sagen: „Der kleinste leistungsfähige Kommunalbezirk im
östlichen Preußen ist der Kreis.
IV.
Mathilde Sussin, längst von Ibsen her als eine
schweigende Schwester wertvoll unsrem Gedenken ver¬
haftet. Eine von den Schattengestalten dieses größten
Theaters der Unscheinbarkeit, der Seelen ... Jetzt
war sie ein Bühnenfrauenzimmer: „Annie". Vor dem
Abschied. Hundeschnauze. Rüdig; tonlos sicher. Ein
unbeirrbares Stücke Pöbel. In dieser Unbeirrbar¬
keit, in diesem stählern unverrücklichen Im Rahmen¬
Bleiben: ersten Ranges.
Und die tiefste Episode der Wurzen (die, welche sich
seiner nicht mehr erinnert), die Bianka, so durch Reisen
springt, das war Fräulein Hilde Herterich.
Sie hat gewissermaßen eigentlich nicht mitgespielt;
aber sie ist dagewesen. Mehr soll sie kaum.) Sonst
ist sie regenfrisch und frühlingsfest und ein Elementar¬
geistä
Und zum Schlusse die Triesch, ein setzter Nachtgast
am Morgen vor der Hochzeit
wie tief
dieser aufdringlichen Art, im falschen Liebliche, in
Schmierenton, als spräche sie mit jedem Glied
„So ist das Kleben!
Jenseits von allen; der Max, der Freund, der
Betrachterich, der Lächelnde, mit einem Wort
der
Reicher.
Ausgesehn hat er ja manche
ein Cafetier — aber gesprochen, Dinge gebracht,
stimmungen geblinzt, Einwände geschwiegen... wie ein
Meister... wie dieser Meister.
Schnitzler kommt mit seinem späteren Schaffen, nehmt
alles nur in allem, gleich hinter Hauptmann für unser
Drama.
Und das Ganze dieses Anatol-Abends war: etwas
Entzückendes. Ohne Weichlichkeit.
Vorbildlich, was in dieser Darstellung alles heraus¬
gearbei... nein herausgehoben worden ist. Wie
mit umfangreichem Statur und Organen zu den und dann
für ihn Korporationsrechte zu erwirken, kommt man
einfacher und schneller zum Ziel, wenn man den Kreistag
immer: alles vom Grunde. Wie bloß hier. Alles
Gerüst und alle Linien, mit allem schimmernd ver¬
dämmernden Fleisch.
Ohne Mumpitz. Ohne Ablenken. Ohne farbige Ver¬
kafferung. Ohne Mehlspeis à la Rizinus.
Mit dieser Menschen=Richtung sollt ihr es halten.
Hier liegt, laßt euch nicht dumm machen, die Zukunft.
Und ich wünsche nicht die erhebende Linie des
neuen, des von uns mitgeschaffenen neuen Menschen¬
kunstwerks — nicht einmal zeitweilig — im Panoramen¬
kitsch und in der Gefälligkeit enden zu sehn. Ihr auch
nicht? Haltet euch danach.
Alfred Kerr.
Nestroy: „Der Zerrissene".
Neues Schauspielhaus.
Die Figur des „Zerrissenen“ ist komplizierten Ursprungs.
Sie stammt von Raimund, und gehört trotzdem in jedem
Anzug zu Nestroy. Sie kam aus der psychopathischen Re¬
gin, in welcher die Flottwells und Rappelköpfe sich aus¬
toben, und im Sanatorium des schärferen, lebensfrischen
Geistes genas sie. Herr v. Lips, der blasierte Millionär, hat
es nicht mehr nötig, mit Wald= und Wiesengeistern Kon¬
ferenzen abzuhalten oder sich von seinem Ebenbild be¬
ängstigen zu lassen, um über Glück und Geldeswert etwas
normaler zu denken. Nestroy läßt ihn Dummheiten machen
und durch höchst solide Kuren, wie einen unfreiwilligen Sturz
ins Wasser und seine tragikomischen Konsequenzen, wieder
gescheit werden. Alle geisterhaften Zustände finden ihre
höchst natürliche Erklärung, und wenn der angeblich er¬
soffene Herr v. Lips zum Entsetzen unwürdiger Erben das
Testament heimlich abändert, so spürt man es genau, daß
ein sentimentales Raimund=Gemüt nie auf diese Possen¬
diabolik verfallen wäre. Selbst Bühnenversenkungen, die
mit dem totgeglaubten Schlosser allerlei Spuk treiben, ge¬
wat an die er¬
Der mit einem gele
gepaarte unerschöpfliche
winnen als glaubhaft me
naturalistischen Anstrich.
Darum ist Nestroy no
Momenten sieht man
Theater, aber die schnur
verstand, sie agieren sehr
schöpfe eines Dichters, der
reißer zu sein. Herr v.
klug reden. Er durchblitz
aphoristische Wendungen,
nähren, wenn ihm die bi
geholfen hätte.
Die Peitsche Nestroysche
die Komik seiner Situation
man sollte nach einem I.
und mühsam verworren
Quell der Laune öfters
Man hatte die Auffrist
Halm nicht zu bedauern.
dort gespielt wurde, eher
in der Behäbigkeit präpari
steller doch allmählich, w
richtigen Stil, der eine w
grotesk aufgetragener Ton¬
Besetzung des Herrn v. L
des seelisch zerrissenen Bi¬
Wortspiel schwer ausweiche
Und er zerblies bei sach
während Willi Thaller z.
unerhört lustigen Zungen
Madame Schleier der Ida
sich selbst zu parodieren u
Vergnügen bereitete Herr
schen Bauern, der seine
bringen will. Er spielte
Gestalt, älpisch verschmitzt
stimme jedes Wort hervorwi