II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 166

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4.9. Anato
Zyklu-

die ihnen zugedachte „moralische Züchtigung.

Hand die Zügel der Regierung ergriffen und si¬
Wir lassen nun die uns hierüber aus Wien
einem Doppelgänger in Petersburg nicht mehr unter unter strenger Wahrung der Verfassung bis au¬
eingesandten telegraphischen Nachrichten folgen.
scheiden kann. Im „Abschiedsfouper stürmt Bianca diesen Tag zum reichsten Segen für Volk und Land
„Vaterland und Reise gegen die
mit der Stimme, dem Umhang und dem schiefen geführt. In das Hoch, das Fürst zu Loewenstein am
Deutsche
Hut der kleinen Balleteuse Annie ins cabinet parti¬ Schlusse seiner Rede auf den Prinzregenten aus¬
culier herein und gibt Anatole den Laufpaß, ehe er brachte, stimmten die Anwesenden begeistert ein.
Wien, 9. März (Privat). Das „Vaterland
ihr sagen kann, daß er ihrer müde ist. Und im
Die Ansprache des Prinzregenten.
meldet: Nach unseren Informationen sind die Nach¬
„Hochzeitsmorgen wacht Ilona in Anatols Schlaf¬
richten, daß in Hartmanitz und Warnsdorf
Hierauf verlas der Regent, von tiefer Be¬
zimmer auf, trinkt mit Anatol und Max Kaffee und
die Christlichsozialen bei der Stichwahl für
wegung ergriffen, eine Ansprache, worin es nach eini¬
als sie versteht, daß Anatole Frack ein Bräutigams
die deutschfreiheitlichen Kandidaten stim¬
frack ist, randaliert sie wütend, bis Max sie beruhigt, gen Dankesworten hieß
men werden, falsch. Seitens der Christlichsozialen
„Die festliche Freude im ganzen Königreiche und die
Und sogar die delikateste Schnitzlersche Nuance ist
ist noch kein Beschluß gefaßt worden, die Christ¬
Opferwilligkeit, womit die Kreise der Bevölkerung sich
schon vorhanden: in der „Frage an das Schicksal
lichsozialen dürften im Gegenteil sich der
an der Landessammlung beteiligten, sind mir eine neu
Anatol, der Cora, dem kleinen Mädchen, in de
Stimmenabgabe enthalten, wodurch der
Gewähr für die Anhänglichkeit des bayrischen Volkes an
Hypnose das Geheimnis ihrer Treue oder Untreue
das angestammte Königshaus. Der Allmächtige Gott sozialdemokratische Kandidat als ge¬
abgewinnen will und plötzlich vor diesem Geheimnis
nahm mich bis zum heutigen Tage unter seinen heiligen
wählt hervorgehen müßte.
sich fürchtet, so daß er die Frage unterläßt, ist ein
Schutz. Die 25 Jahre meiner Regierung fallen zusammen
Die „Reichspost“, das offizielle Organ der
Vorläufer des „Paracelsus, den seine eigene Zaube¬
mit einer Zeit friedlicher innerer Entwick¬
Wiener Christlichsozialen, veröffentlicht einen ge¬
rerweisheit erschüttert: „Sicherheit ist nirgends, wir ung Bayerns, wie sie die Geschichte früher kaum ge¬
kannt hat Im Deutschen Reiche kommt Bayern hässigen Artikel unter dem Titel: „Die
wissen nichts von andern, nichts von uns“. Ei¬
eine geachtete Stellung zu und es bildet durch seine treue Deutschfreisinnigen in der Klemme." Noch vor
Vorläufer der Ahnungen im „Puppenspieler
Die hiesige Aufführung — sie vervollständigt die tapfere Armee einen starken Pfeiler der mächtigen Schutz wenigen Tagen, schreibt die „Reichspost“ u. a., habe
ehemaligen Teilaufführungen — wird durch den Anatol wehr, die den Frieden verbürgt und die Früchte ruhiger der Abg. Zuleger in einer Versammlung im Hart¬
Arbeit reifen läßt. Alle Zweige unseres Erwerbsleben
manitzer Wahlkreis die alte Parole ausgegeben, lieber
des Herrn Tiller und den Max des Herrn Hut
zeigen ein glückliches Gedeihen. Die Wissenschaft schreite
rot als schwarz. Eher müsse man mit den Sozial¬
tig getragen. Und so fehlt ihr ein eigentliche
von Erfolg zu Erfolg, die Kunst hat sich herrlich ent
demokraten als mit den Christlichsozialen gehen. Und
Anatol und ein eigentlicher Max. Denn Herr Tille
faltet.
Und so flehe ich denn Gottes reichsten Segen auf nun sollen die Christlichsozialen für diese Leute zur
ist schwerblütig, ohne die Gabe der Nonchalance
Rettung marschieren. Sollten sich die Christlich¬
und Herr Huttig müßte sich in den Schnitzlerschen unser liedes bayrisches Vaterland herab.
sozialen dafür entschließen, bei der Stichwahl nicht
Dialog erst hinausspielen. In den Grenzen ihre
Nachdem der Prinzregent seine Ansprache be¬
Stimmenthaltung zu üben (eine Entschließung ist
Naturells aber halten sich beide mit bewegliche
endet hatte, schritt er die Stufen des Thrones zum
noch nicht erfolgt), so wird dies für die Freisinnigen
Routine aufrecht. Am wirksamsten erweist sich auch
Fürsten zu Loewenstein herab und sprach ihm per
eine Lektion, die auch wie eine moralische
jetzt das „Abschiedssouper, und Fräulein Medelsk
sönlich nochmals seinen Dank aus. Ebenso begrüßt
Züchtigung schmecken wird. Es gibt auch eine
ist eine Annie von wahrhaftigem Humor. In der
er die anderen Mitglieder der Kammern.
politische Nemesis. Die Christlichsozialen werden ihre
„Frage an das Schicksal gibt Fräulein Kauf
gen gesonnenennusosakonnassansa onnenen Entscheidung für die Stichwahl, frei von Leidenschaft
mann zart und unpersönlich die kleine Cora,
nach gewissenhafter Ueberlegung treffen, sie werden
der „Episode bewährt Fräulein Glasel ihr Ge¬
immer den Vorteil der deutschen Inter¬
Für Chiffrebriefe u.
schick. Im „Hochzeitsmorgen" benimmt sich Frau
essen (!) im Auge behalten und dann entscheiden
redaktion. Notizen
Steinheil sehr temperamentvoll, und Fräulein
ob sie für die kalte oder warme Kur für die Deutsch¬
Helling spricht sehr gescheit die Partie der Ga¬
für die „Bohemia“ befindet sich ei¬
freisinnigen sind.
briele in den „Weihnachtseinkäufen". Die Szenen
Briefkasten am Graben Nr. 28
In einem Warnsdorfer Telegramm der
(nächst dem Kleinen Basar). Der Brief¬
bilder sind künstlerisch einwandfrei. Die Beleuchtungs¬
„Reichspost“ heißt es: „Für die Stichnahl werden
kasten wird täglich mehrere Male (bis
effekte sind sehr reizvoll. Im ersten Bild, den „Weih¬
die Ehristlichsozialen ihre Entscheidung im Einver¬
6 Uhr abends) ausgehoben.
nachtseinkäufen, gibt es eine Sensation: ein kompletter
nehmen mit der Wiener Parteileitung lesen.
P. W.
Prager Liales rollt über die Bretter.