II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 192

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(Quellenangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt Teplitzer Zeitung
A
vom
111
Teplitzer Stadttheater.
„Anatol.
Gesamtgastspiel des Schauspielensembles vom Deut¬
schen Landestheater in Prag.
Die jungen Dichter sind nicht Freunde Anatols,
Energie ist modern, die Freude am Realen, Hand¬
greiflichen .... Die jungen Dichter sind Tech¬
niker, Luftschiffer, die alten aber bauten Luft¬
schlösser; und doch trennen die zwei Generationen
nur knapp 15 Jahre. So schnell wird ein Dichter
zu den alten gezählt.
Aber Anatol ist der feine, reizende junge Mann
geblieben, der er vor 15 Jahren war. Und wenn
man ihm auf der Straße nicht mehr begegnet, wer
hätte die zärtliche, träumerische Gestalt darum we¬
niger lieb. Anatol... ein moderner junger
Mann würde sich genieren, einen so verhätschelten
Namen zu tragen. Die Frauen aber sprechen ihn
noch immer behutsam und leise aus, wie etwas Lie¬
bes, das sie an ihre eigene Jugend erinnert. In
Wirklichkeit hat er ja selten so geheißen, vielleicht
hieß er sogar manchmal mit dem Zunamen Zavadil
oder Wassertrilling. Das hat man ihm aber nie an¬
gesehen. Er war hübsch, sehr galant und riesig
nobel; er hatte eine bezaubernde Art, die Hände zu
küssen, und seinen Bouquets entströmte fast unmerk¬
lich ein feiner süßer Duft. Er hatte eine zärtliche
Stimme, die wie Samt streichelte, und machte seine
Liebeserklärung so feierlich verschämt, daß man ihm
unmöglich böse sein konnte. Mit einem Wort: er
war reizend.
Junge Kavaliere dieser Art gibt es nicht mehr.
Die jetzigen sind sehr selbstbewußt, tragen den
Schnurrbart englisch und benehmen sich ganz beson¬

en verliebten Anatol von seiner markantesten Seite,
Da ist die wunderliche „Frage an das Schicksal“.
Anatol hat Gelegenheit, von seiner hypnotisierten
Geliebten zu erfahren, ob sie ihn betrügt. Er fragt
.. zaudert... und indem er ihr zuruft: „Cora!
wache!“ schließt er sie stürmisch in die Arme,
vingt sie, ihm zu sagen, daß sie ihn liebt, wirklich
t. Und das ist so hübsch an Anatol: daß er mit
r glücklich ist, obwohl er sich fürchtet, sie zu fragen
obwohl er sich fürchtet. Wie hübsch ist es auch,
aß Anatol nicht die Courage hat, einer kleinen fre¬
sen Schauspielerin, die er an jeder Straßenecke in
erbesserter Auflage finden kann, den Laufpaß zu
geben; und wie sympathisch ist seine Wut über den
Laufpaß, den er dann von ihr kriegt. In der
Episode ist Anatol der reine Tor, von dem die
jungen Mädeln träumen. Der bleibt er auch in
„Anatols Hochzeitsmorgen".
Die Darstellung war durchaus sympathisch. Frl.
Medelsky gab die Annie im „Abschiedssouper".
Einfach entzückend war es, wie sie Anatol die Vor¬
züge ihres neuen Geliebten schilderte, wie sie sich
dabei annitig beschwipste und nach dem Krach nicht
vergaß, noch schnell vom Nachtisch Gebrauch zu
machen. Als Ilona in „Anatols Hochzeitsmorgen
war es hinreißend, wie sie dem Max ihren Rache¬
plan entwickelte, verliebt und zynisch zugleich, leicht¬
sinnig und doch aus dem Innern heraus.
Frl.
Glasel: ein anderer Ton. Reizend versteht sie
zu schweigen und zu lächeln. Anatol sagt ihr, daß
sie ihm im Schlaf gesagt habe, sie liebe ihn. Sie
sagt darauf ihr „Wirklich?“ mit einer boshaften
Delikatesse, die den ganzen Einakter in dieses Wort
zusammenpreßt. Anatol war Herr Tiller. In
Friedrich Adlers „goldenem Kragen" ist ein Anatol¬
bild des Pragers Taschner: der Künstler hat Anatol
die Züge des jungen Schnitzler gegeben; ein feines,
schmales, bleiches Profil, die schlanke Gestalt im
engen Salonrock ist ein bißchen vornüber gebeugt
und könnte „Der Lyriker in der Landschaft" heißen.
Nun, dazu ist Herr Tiller zu korpulent, zu wohlge¬
nährt. Er sah eher wie ein Tenor aus, der eine
gute Partie gemacht hat. Trotzdem: man glaubte
diesem Anatol sein charmantes Liebhabertum und
auch seine altkluge Schwermut. In der „Frage an
das Schicksal war es sein, wie ihm die Stimme ver¬
sagte, als er Cora fragen wollte; wie er seinen Kampf
it sich selbst verlor und darüber glücklich war,
ihr hübsch war es auch, wie er in der „Episode
ückstrahlend auf Bianca zuging, und wie er in
ummer Trauer hinausging, als sie ihn nicht er¬
kannte. Herr Huttig war ein Max, wie man sich
ihn nicht ironischer, klüger und eleganter wünschen
kann. Es zeugt für die Feinheit des Zusammen¬
spieles, daß die Wirkung, die der Ironiker Max er¬
zielte, mit Anatols Noblesse Hand in Hand ging
und sie organisch ergänzte. Die Regie, für die Herr
Dr. Eger verantwortlich zeichnete, leistete Char¬
mantes.
Das Haus war sehr gut besucht. Den Gästen
wurde viel Beifall gespendet.