II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 206

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4.9. Anato
u
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sau seiner Zuhörer, und der Reihen.
briele, die Weihnachtseinkäufe macht mit Anatol — für eine
ist sein eigentliches Wesen diesem Typus fremd. Er ist ner¬
glücklichere. Gabriele, die dieser Beglückten Blumen sendet,
vöser, bewußter, energischer. Ihm mangelt: Lässigkeit, dieses
die Frau, die vielleicht ebenso lieben könnte wie jene, die
spezifisch österreichische laisser faire, laisser aller. So gab er
doch den Mut dazu nicht hatte. Und auf die holde Zartheit
einen nervösen (um nicht zu sagen: neurasthenischen) Anatol;
dieses Dialogs, der mehr verschwiegen ahnen läßt als aus¬
einen französischen, keinen wiener Komödienhelden. Diesen
spricht, hebt die Groteske des „Abschiedsoupers“ an, die Farce
sehr fein, sehr nuanciert, auf Wirkungen bedacht. Doch war's
von Anatol, der Abschied geben wollte und den Abschied
ein Umweg. Nur: in den „Weihnachtseinkäufen" tadellos. Er
empfing. Eine andere Enttäuschung: Anatol, der selbstge¬
war hier der Elegant, äußerlich, in Haltung, Geste, Tonfall
fällig vom gebrochenen Herzen einer Zirkusdame faselt, die
der Mensch aus gutem Hause; der Plauderer, der Liebens¬
sich seiner nicht mehr zu erinnern vermag. Sodann, der
würdige, der Gesellschafter. Daneben: ein lieber Kerl, ein
„Kehraus", „Anatols Hochzeitsmorgen", da der gefährdete
Gemütsmensch, eine gute Seele. Die schwierige Rolle des
Hochzeiter seiner letzten Liebsten noch den Abschied gibt, auf
Max (schwierig, weil zur Passivität verurteilt, gab Herr
künftige Freuden durch den Eheherrn Anatol sie vertröstend...
Eivenack mit vielem Anstand, doch ohne besonderen Einfall.
Die Anekdote freilich macht den Reiz nicht aus. Nur
Zu passiv; und, wo er wärmer wurde, gleichfalls für mein
selten ist's das gröbere Mittel der Situation, das uns ergötzt
Empfinden zu sehr unterstrichen. Die Damen hattens leichter.
Das Laute und das Leise des Dialogs, der Pointenreichtum
Sie kommen und verschwinden. Und jeder wird die anmutige
jeglicher Replik, die Ironie, in der Vorgang und Ausdeutung
Aufgabe: nur Weib zu sein. Was könnte einem Weibe leichter
dissonieren, das derbe Lachen hier, das Schmunzeln dort, da¬
fallen? Frl. Palfi als Cora: bildhübsch, famos ge¬
zwischen köstliche Melancholie und Schwärmerei: — es gibt
kleidet (ein bissel vornehm für das Nähtervorstadtmädel), an¬
nur einen Ausdruck, der das ganze Timbre trifft: Drei¬
mutig, innig, lieb; entzückend war das schlechte Gewissen, das
vierteltakt. Wiener Melodik, auf Wortkunst übertragen...
Verhaltene, Abwartende; das Schulmädel; es weiß nicht, ob
man es nicht auf einem Streich ertappt hat. Dann Frau
Altman-Hall. Eine exquisite Schauspielerin, die man
Damit ist freilich das Entscheidende von dem gesagt, was
bei jeder neuen Rolle höher schätzt. Ihr war zu danken
der in Einzelheiten prächtigen und darum innig dankenswerten
(und dem Partner Arnfeld), daß diese Szene sich hoch über
Aufführung des „Deutschen Theaters in der Gesamtheit
alle übrigen erhob. Sie war, was Anatol sie nennt: Mon¬
fehlte: das Wienertum, 's war, a priori, ein bewußter Ver¬
däne. Wie sie den Drängenden in Schranken hielt, gewährte
zicht. Mußte es sein, sollte die Aufführung überhaupt möglich
was sie zu gewähren willig, versagte, was Erziehung ihr
werden. Man kann sich für die paar Oesterreicher Autoren im
gebot, die leise Ironie, in der verhaltene Empfindung zitterte,
Jahre keine Wiener Akteure halten. Auch läßt sich dergleichen
der Uebergang von der gespielten Kühle zum verschleierten
Landsmannschaftlichkeit nicht anschminken. So tat die Regie
Geständnis, die holde Scham dieses Bekenntnisses, die rasche
des Dr. Altman, das Klügste, was sie tun konnte: sie gab
Fassung und Unnahbarkeit: — ein Lebensbild von hoher
dem Ganzen von vornherein ein anderes Kolorit. Ein nor¬
Treue und Meisterschaft! Dagegen konnte nur noch Frl.
disches. Sie verschob so freilich die Basis des Humors: es
Duvals Bianka ankommen; die kurze Szene rettete den
kam alles schärfer, pointierter, absichtlicher. Man unterstrich,
vordem matt gespielten Akt. Nur schade, daß man die minder
bisweilen. Man empfand Hinweise. Kommentare zum Text
bedeutende Rolle nicht Frl. Malten übertragen hatte, die
blinzelten über die Rampe. Der Stil der zarteren Komödie
im Schlußakt als Ilona versagte. Der Dame mangelt jegliche
pendelte, bisweilen, nach der Possenseite. Man unterschlug
Charakterisierungskraft. Eine Umbesetzung wäre dringend
das Wort, poussierte Situationen. Mimik und Geste wurden
anzuraten. Frl. Hellmuth spielte die Annie im „Abschieds¬
indiskret. Vor allem aber: man überhaftete die Tempi. So
souper recht frisch und munter. Den Typus traf sie nicht.
etwa, wie moderne Dirigenten die gemütlichen Rhythmen des
Der Versuch, die natürliche Kraft dieses Volkskindes durch
Papa Haydn straffen. Nicht um zu tadeln sag ich das alles
kleine Drückerchen zu ersetzen, führt zur Verzeichnung.
Ich konstatiere nur. Zur Wirkung auf die Masse trug dieser
F. Bd.
Modus sicher bei. Er überbrückte Längen; half über Schwächen
daß wir doch nichts Neues hörten, vielmehr Bekanntes in
Kleines Feuilleton.
Variationen der Form) hinweg. Nur für den Schnitzler¬
ar. Tagung des Bundes Deutscher Architekten. Am Sonn¬
Kenner war's gelegentlich betrüblich....
abend begann in Heidelber, der „Bund Deutscher Architekten“.
Den Anatol spielte Herr Arnfeld. Er ist
die Vereinigung der modernen Baukünstler Deutschlands,
Bonvivant, wie ihn das „Deutsche Theater“ in den letzten
ihre diesjährige Tagung. Wie uns berichtet wird, hielt der
Jahren nicht besaß (Herrn Reusch hab ich nie spielen sehen).
Vorsitzende, Professor Martin Duelser aus Dresden, die
Elegant, sicher, biegsam; vor allen Dingen klug; er weiß ge¬
mit großem Beifall aufgenommene Eröffnungsrede. Danach
nau, wie viel von einer Rolle seiner natürlichen Veranlagung
liegt; wie viel er, vortäuschend, mit Anstand retten kann. Nun gelangte zunächst der Jahresbericht zur Verlesung. Dann