II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 205

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4.9. Anato
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aber wenigstens
Welthändel usw. Auf der anderen Seite dürfen aber
die Vernunft abgesprochen. Das hat mich angenehm berührt
Drohungen ein Volk, so einig und mächtig und stark wie das um so mehr, als der Abg. Arendt mich noch kürzlich für einen
wurden gefunden Hunderte von eigentlichen Silber¬
licht genoß man bisher diesen „Anatol" nur fragmentarisch.
münzen mit arabischen Schriftzeichen; die Forscher nehmen
Das ein und andere Stücklein aus der heiligen Zahl der
an, daß viele von diesen Münzen von den dänischen Kriegs¬
Sieben ward wohl als leckeres Dessert gewichtigerer Mahlzeit
leuten, die im Dienste am Kaiserhof zu Byzanz standen
nachgesandt; dem Fünferreigen, der am Sonnabend uns er¬
(den sogenannten „Väringern") nach Dänemark gebracht
götzte, hat erst Herr Brahm vom Lessingtheater im Vorjahre
worden sind; weiter sieht man Münzen mit dem Gepräge
diesen Weg geebet. Nun folgt, mit Kühnheit, die Provinz.
des stolzen römischen Adlers, und andere mit dem Zeichen
Sie kann es wagen. Fremder zwar ist dem nordischen
des Kreuzes (wahrscheinlich von der Zeit kurz nach der Ein¬
Empfinden dieser Wiener Typus; darum nicht weniger amü¬
führung des Christentums in Dänemark stammend); end¬
sant. Vielleicht ist unser Lächeln spöttischer, unsere Milde
lich tragen mehrere der Münzen das Bild von dänischen
minder bereitwillig, moralischer Abspruch rascher bei der
Hand. Wir sind an andere klimatische Verhältnisse gewöhnt,
Königen, — die meisten sind von der Zeit des Königs Svend
empfinden das Lebensproblem wohl ernster, denn als ein
Toeskaeg, der bekanntlich ums Jahr 1000 regierte, den nor¬
Kreisen ums erotische Zentrum ohne jegliche anderweitige
wegischen König Olav Trygvasson in der Schlacht bei
Tendenz. Denn dies ist das Wesen Anatols. Für ihn ist
Svold besiegte und nachher auch England eroberte,
diese Welt die Liebe. Reich, jung und unabhängig, von
Ebenso wertvoll ist der Fund von Schmucksachen;
Pflichten nicht beschwert, von keinem anderen Ehrgeiz an¬
auch diese sind meistens aus Silber. Unter ihnen befinden
geregt als dem Unwiderstehlicher zu sein; Treue heischend,
sich mehrere Halsringe. Am schönsten ist ein Hausschmuck,
nicht gewährend, ein Uebersättigter zugleich und ein Novize,
der aus Silber= und Golddrähten geflochten ist, die eine
ein Raffinierter jetzt, jetzt ein Naidling, stets aber schwach
Stärke von ½ Zentimeter haben und an denen ein Eidechsen¬
wo Unterröcke flattern. Selbstgefällig, ohne arrogant zu sein,
kopf aus Silber befestigt ist. Ein Silberstilett ist so kunstvoll
vertrauensselig jetzt und jetzt verzweifelt, dazu ein Philosoph
ausgeführt, daß sich ein moderner Künstler dessen nicht zu
aus Langeweile, um die Pausen von einem Abenteuer zum
schämen brauchte. Es gibt auch eine reiche Auswahl von
nächsten zu überbrücken. Kurzum, ein liebenswürdigen
Gürtelschnallen mit Relief und vielen sonderbaren Orna¬
Flaneur, ein liebenswerter Schwächling und mittelmäßiger
menten. Des weiteren gegen 20 silberne Armbänder, die von
Kopf, Typus der jeunesse dorée im Kapua an der schönen
dicken Silberdrähten geflochten sind und ebenfalls mit Orna¬
blauen Donau. Ihn hat sein Schöpfer köstlich nachgezeichnet,
menten geschmückt sind. Auch mehrere große silberne
mit einer innigen Liebe, mit zärtlicher Versenkung, mit leiser,
Schalen sind gefunden worden; die größte ist 15 Zentimeter
in halben Andeutungen strichelnden Ironie, mit einer herz¬
im Durchmesse und hat eine Höhe von 6 Zentimeter.
haften lauten Lache, mit diskretem, melancholischem Lächeln
Man wird sich eine Vorstellung von dem Umfange des
ward er vor uns hingerückt. Seht, das ist Anatol. Ein lieber
Fundes machen können, wenn man erfährt, daß das Gewicht
Kerl, ein Prachtkerl. Ein Taugenicht, ein Rahmabschöpfer,
der bisher ans Tageslicht geförderten Gegenstände 13½ Pfund
ein Gewissenloser. Ein Kerlchen, für das der Begriff der
ist; wie aber schon erwähnt, werden die Ausgrabungen fort¬
Ethik nicht erfunden ward. Ihr liebt nur ethische Naturen?
gesetzt, und man hofft noch weitere, ebenso wertvolle Gegen¬
Ihr Ernsthaften, Ihr Erdschweren, Ihr Tanzarmen! Ge¬
stände zu finden. Man nimmt an, daß die meisten der
wöhnt Euch daran, was einmal ist, auch zu bejahen.
Schätze aus der Zeit vom 9. bis 11. Jahrhundert stammen.
Anatol bleibt Anatol. Nach allen Regeln der Kunst be¬
trachtet, ist er für einen dramatischen Helden ein recht un¬
taugliches Subjekt. Er läßt sich nur beispielmäßig" (wie
Deutsches Theater.

der Dusterer sagt, durch Episoden schleifen. Die Zahl dieser
Zum ersten Male: „Anatol, Komödienzyklus von Arthur
Episoden spielt da keine Rolle. Es können sieben sein (wie
Schnitzler.
im Buche), fünfe (wie auf der Bühne, eine Mehr- und Min¬
Ein Unzeitgemäßer ist und dieser Anatol. Eine Sache
derzahl. Gewinnen kann er nur durch die Art der Frauen,
die ihn beschenken. Den Auftakt liefert Cora, die Nähterin,
von vorgestern. Man fühlte sich fast geneigt, ihn literar¬
das Mädel mit den zerschenen Fingern, an das er die
historisch zu genießen, flößte solche Vivisektion nicht einiges
„Frage an das Schicksal stellen möchte, da sie in der Hypnose
Grauen ein. 1893 erschien das Buch. Es kann in Bälde
schlummert. Die Frage nämlich, ob sie ihm treu sei. Er
Franzigsten Geburtstag feiern. Der Erstling eines Novel¬
listen; als solcher Typus einer Schule, die dialogisierte
stellt sie nicht. Die Ungewißheit, Freund Max gegenüber in
schmerzlichsten Tönen erst beklagt, ist ihm am Ende lieber.
Skizzen aufs Theater brachte. Viel geliebt und viel gelesen
Er hat ein gar empfindsames Gemüt, unser Anatol. Es folgt
die dreizehnte Auflage") zählt man heute schon. Im Rampen¬
Gabriele, die vornehme Frau, mit dem Wunsch zur Sünde
S. Fischer, Verlag. Berlin.
und der süßen, deren Neugier auf verbotene Früchte Wa¬