II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 209

4.9. An
to
k
box 8/6
neisto, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
lenangabe ohne Garde,
Ausschnitt aus:
er und, Bern
no
Theater und Konzerte
„Anatol", Einakter=Zyklus von
Arthur Schnitzler.
Il. Im eleganten Junggesellenheim des vor¬
nehmen Wien sitzen zwei Bonvivants, die noch
nicht müde sind vom Erleben und Konversieren
über das Thema der Bonvivants im elganten
Junggesellenheim: sie tun es typisch, mit
witzigen und spöttischen Bemerkungen und über
ihrer ganzen Art liegt Humor und leichte köst¬
liche Selbstironie. Anatol macht eine Entwick¬
lung durch; nicht in seinem Charakter, sondern
im Gegenstand seiner Zuneigung: von Cora,
dem Mädel mit den zerstochenen Fingern, das
den Tischler heiratet, dem süßen Mädel, der
Balleteuse, der Zirkusreiterin zur Schauspiele¬
rin, d. h. dem Typus, den Bonvivants in abend¬
lichen Gesprächen bei Wein und Zigarette da¬
mit bezeichnen. Es ist eine Parallelentwicklung
des männlichen Geschmackes, vom süßen zum
stark gewürzten und vom stark gewürzten wie¬
der zum süßen. Daß sie Cora, Annie, Bianca,
Ilona heißt, ist gleichgültig; die Hauptsache ist,
wie der gute Anatol, gut an der Grenze des dem
Manne zustehenden Maßes dieser Eigenschaft
ohne Intelligenzdefekt, immer wieder von
neuem gläubig ist und mit einer gewissen Re¬
ligion der Selbstverständlichkeit der bezahlten
Liebe huldigt.
Um Liebesgeschichten, die
noch nicht hinter uns liegen, erzählen zu
können, daß der Zuhörer sich darüber freuen
kann, wie Max, Anatols Freund, es tut, muß
man über seine eigenen Gefühle gleichsam hin¬
wegschauen können, muß sie wie Kinder behan¬
deln können, denen man gut ist und deren Un¬
gezogenheit man erträgt, weil es eben Kinder
sind. Und so macht es Anatol. Es gehört nicht
zu seine Art, sich verblüffen zu lassen und über
sich selt ärgerlich zu sein. Der leichtsinnige
Melan oliker ist in seiner Weltanschauung
konsequent. — Die zarteste Szene aus den
Zyklus sind „Weihnachtseinkäufe". Sie ist in
ihren Andeutungen, ihren seinen psychologi¬
schen Apercus und in der leichten Wehmut, die
über dem Bilde von dem Mann und der Frau
im Flockenwirbeln am Weihnachtsabend liegt
so gehoben, daß sie fast nicht zu dem kräftigerer
Kontur der anderen Stücke zu passen scheint.
Leider haben nicht alle Einakter eine befrie¬
digende Aufführung gefunden; es fehlte von
e
und
allem an Stimmung und auch am richtigen Ver¬
ständnis für solche Wienerische Gestalten. Und
dann verlangen diese Stücke auch mehr zu
zenischer Ausstattung. Der stimmungsvolle
Rahmen läßt sich hier schwer entbehren. Von
dem sehr schwach besetzten Haus ging allerdings
auch keine Stimmung aus und so blieb vieles
an Wirkung ungehoben. Auch in der Auf¬
fassung einzelner Rollen konnte man sich mit
der Darstellung nicht ganz einverstanden er¬
klären. Namentlich den Anatol selbst stelle ich
mir weniger als gemeinen Jungen, denn als
feinen Selbstironiker vor.