II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 229

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Zyk
4.9. Anatol

Büro-Ausstellung Wien 8.—19. November
siehe Bückseite.
Telephon 12.801.
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OBSERVI
1. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe eine Gewehr).
Ausschnitt aus:
Riger Tagblatt
21. 10. 1911
vom
ger Tageblatt“ Nr. 232 vom 8. 21.) Oktober 1911
angepaßt, als der Haltung, die ein Dandy einer
Dame gegenüber einnimmt. Dieser ganze Ana¬
Letzte Lokal-Nachrichten.
tol war schwerfällig, beinahe linkisch und in
Stadttheater.
der ganzen Auffassung falsch.
Vielleicht (vielleicht!) wäre Herr Staudte
Der Einakter=Zyklus „Anatol“ von Arthur
der richtigen Auffassung etwas näher gekom¬
Schnitzler wurde gestern Abend im Stadttheater
men, wenn er die Rolle des Anatol bekom¬
zum ersten Mal aufgeführt.
men hätte. Als Max war er gar zu wenig
Mitten aus unserem modernen Leben sind die
der überlegene Spötter, zu wenig der abge¬
Figuren herausgegriffen, die wir in diesen pi¬
brühte Beobachter. Diese Rolle wäre viel¬
kanten und witzigen Szenen agieren sehen. Der
leicht Herrn Eckhof ganz gut gelungen.
tragikomische Held ist Anatol. Er ist der Ele¬
Wenn noch einiges von den amüsanten
gant von heute, der moderne Lebemann, der
Stücken gerettet und zur Geltung gebracht
Aesthet und Gourmet und Genußling ist. E
wurde, so ist das nur den Damen zu danken,
will nicht schlechtweg das Leben genießen, er
die ihre Aufgaben vortrefflich lösten. Frl.
will stilvoll bummeln, „feinsinnig schlei¬
Enzinger brachte den Typus „süßes Ma¬
men und die Frauen will er „als Künstler
del famos heraus. Frl. Wernay wußte die
studieren und lieben. Schnitzler hat mit sehr
anständige Frau mit dem Seitenblick ins Ge¬
feiner, unaufdringlicher Ironie diesen sentimen¬
biet der Seitensprunge mit Anmut und char¬
talen und aufgeblasenen und im Grunde un¬
mantelegisch zu zeichnen, faßte aber die Rolle
säglich komischen Dandy gezeichnet. Anatol ist
vielleicht um eine Nuance zu ernst auf. Frl.
natürlich auch Dichter. Vermutlich gehört er
Olden als schöne Furie Ilona, die den Anatol
zu der Sorte von Dichtern, die einmal im
noch zehn Minuten vor seiner Trauung bei¬
Leben auf eigene Kosten ein schmales, immer
nahe durchprügeln will, war in ihrer Rage
unbekannt bleibendes Bändchen „numeriert
voll Pikanterie und stellte Anatols gefährlichste
und auf handgeschöpftem Büttenpapier" erschei¬
Freundin recht verführerisch dar.
nen lassen, und daraufhin nur noch „wir Künst¬
Die Krone des ganzen bildete aber die freche
ler“ sagen und „individuelle“ Krawatten tra¬
kleine Choristin im „Abschiedssouper, gespielt
gen usw. Anatol ist ferner Philosoph. Er kennt
von Frl. Diercks. Das wurde so brillant
das Leben (sagt er) und die Frauen (sagt und
gemacht, daß die Kritik sich nur verneigen kann.
glaubt er!) ganz genau. Das ungeheuer Ko¬
Eine so niedlich zwitschernde Luftigkeit und
mische ist nun, daß alle Frauen und Mädchen
frische Ausgelassenheit ist auf unserer Bühne
eigentlich mit Anatol ihr Spiel treiben. Er
nicht gesehen worden. Diese reichbegabte Schau¬
mit den Apoll, der die Nymphen nimmt und
spielerin sollten wir öfter verwendet sehen.
küßt und wehmütig beglückt zurückläßt, wenn
Auf dem Theaterzettel war ein Fehler: nicht
er sieghaft weiterschreitet zu anderen Nymphen
und ist im Grunde nichts, als ein sentimen¬
Frl. Enzinger gab die Gabriele, sondern Frl
taler Hanswurst, über den die Frauen sich lustig
Wernay. Frl. Enzinger spielte die Cora.
machen, den sie leicht verschmerzen. Er ist der
B. E.
geborene Hörnerträger. Immer wieder stelzt er
als müder, siegesmüder Don Juan einher und
immer wieder entpuppt er sich als ein Masetto,
dem die Zerlinen abhanden kommen.
Da ist z. B. eine köstliche Szene, in de
Anatol seinem ihm in jeder Hinsicht überlegen¬
Freunde Max von einem Sieg über eine Frau
vorfaselt, deren Schicksal er gewesen sein will.
Nur zwei, drei Stunden der Liebesseligkeit,
dann ist Anatol davongeflattert und Bianca (so
heißt sie denkt nun, wie er behauptet,
nichts als ihn. Und dann kommt Bianca
und erkennt Anatol überhaupt nicht! Da