II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 239

box 8/6
4.9. Anatol-
yklus


Großh. Hoftheater Karlsruhe.
Zum ersten Mal: Arthur Schnitzler: „Weihnachtseinkäufe.
O. E. Hartleben: Lore
Ludwig Thoma: „Lottchens
Geburtstag“.

Drei dramatische Dichter, die sonst selten auf dem feierlicheren
Repertoire unserer Hofbühne zu finden sind, stritten sich gestern
um den Erfolg des Abends: Arthur Schnitzler, Otto Erich
Hartleben und Ludwig Thoma. Aber die Waffen, die
außeren Mittel, mit denen sie ihre Kräfte maßen, waren nicht
gut und gleich. Arthur Schnitzler, aus dessen kurzem Einakter
das stärkste dichterische Können hervorleuchtet, kam infolge
falscher Rollenbesetzung stark ins Hintertreffen. Es gab aus
seinem Einakter=Zyklus „Anatol“, das entzückende Zwiegespräch
„Weihnachtseinkäufe“. Am heiligen Abend treffen sich
in einer stilleren Straße der Wienerstadt eine Dame und ein Herr
der besten Gesellschaft. Sie will mit Paketen beladen heimeilen
zur Familienbescherung, er ist auf dem Wege, um seinem Mädel
ein Weihnachtsgeschenk zu kaufen. Und nun kommt das Ge¬
spräch der beiden, der jungen verheirateten Frau und des unver¬
heirateten Anatol, auf diese Geliebte, das süße Mädel“. Mit
gesucht scherzhafter Herablassung und mit etwas hochmütigem
Spott spricht die Dame der „großen Welt“ von der Vorstadtliebe,
dem Kind der „kleinen Welt“, bis ihr dann langsam bei der
warmen Herzlichkeit u. dem taktvollen Respekt, mit dem ihr einstiger
Verehrer von seiner jetzigen Liebe spricht, das Verständnis da¬
für aufgeht, daß hinter diesem so leicht bespöttelten Verhältnis
etwas anderes ganz Großes liegt: der Mut zur Liebe. Sie hatte
Anatol helfen wollen, ein Weihnachtsgeschenk für sein Mädel zu
kaufen. Nun gemahnt der Schlag der Turmuhr sie daran, daß
sie sich verplaudert haben. Die junge Frau muß nach Hause.
Aber, ehe sie den Fiaker besteigt, drückt sie rasch entschlossen
Anatol noch die Blumen, die sie im Arm trägt, für sein Mädel
in die Hand, er soll ihm dabei als Gruß von ihr sagen:
Diese Blumen, mein ... süßes Mädel, schickt dir eine Frau, die
vielleicht ebenso lieben kann wie du und die den Mut dazu nicht
hatte...
Die Erkenntnis eines versäumten Lebensglückes liegt in
diesen wenigen einfachen Worten. Lange noch sieht Anatol dem
davonrollenden Wagen nach.
Wie schon angedeutet, war der Einakter falsch besetzt. Das
Stück braucht, um wirken zu können, das warme Kolorit der
Wiener Sprache, denn nur in Wien u. nur in dieser Sprache können
ein Herr und eine Dame der großen Welt so offen, so leicht und
doch so ernst über dieses nicht salonmäßige Thema plaudern.
Herr Baumbach, der den Anatol gab, bemühte sich zwar,
wegnerisch zu sprechen, aber es gelang ihm nicht; Frl. Noor¬
man verzichtete als junge Frau ganz darauf. So wurde das
feine Zwiegespräch seines wahren Charakters entkleidet und er¬
zielte darum nicht die Wirkung, die es eigentlich verdient hätte.
Der Einakter schrie ja förmlich nach Frau Ermarth und Herrn
Herz. Wenn diese beiden auch am Dienstag die Penthesilea und
den Achill spielen müssen, dies kurze Zwiegespräch hätten sie ge¬
wiß auch bewältigen können. Oder man hätte die Aufführung
besser auf später verschieben sollen, lieber als daß man das graziöse
Stückchen totspiele.
Ein Stück aus Otto Erich Hartlebens „Studentenpoesie" kam
dann an die Reihe. Nach dem lieben süßen Wiener Mädel das
waschechte mund= und schlagfertige Berliner „Verhältnis“, die be¬
rühmte Lore, um deren Gestalt der ewige Student Otto Erich
einen Kranz seiner schönsten Gedichte geschlungen hat. Der Ein¬
akter „Lore" ist die dramatisierte Geschichte vom abgerissenen
Knopf, die ja wohl jeder Gebildete wie den „Gastfreien Pastor
einmal gelesen hat. Die Aufführung war vorzüglich. Schon die
Einrichtung der möblierten Studentenbude war köstlich stilgerecht.
Ausgezeichnet in Sprache und Stil war Herr Hugo Höcker als
steifleinener Vetter, der das Sein oder Nichtsein eines „soliden
Verhältnisses auf einen anzunähenden Blusenknopf gründet. Von
erfrischender Echtheit, Anmut und Natürlichkeit war die Lore
des Frl. Müller. Den Höhepunkt erreichte ihr Spiel, als
sie dem entrüsteten Vetter auseinandersetzte, es sei besser, ein
Knopf sei los, als eine — Schraube. Gut waren dann auch Herr
Krones als „der Kleine“ und Herr Pleß als Fred.
Den Schluß des Abends bildete Ludwig Thomas erst
vor kurzem bei Langen erschienenes Lustspiel „Lottchens Ge¬
burtstag“. Es soll eine Satire auf das Problem der
sexuellen Aufklärung sein. Der welt= und menschenfremde Uni¬
versitäts=Professor Giselius hat es sich in den Kopf gesetzt, seine
Tochter Lotte an ihrem zwanzigsten Geburtstag in die Geheim¬
nisse der Ehe einzuweihen. Seine Verschrobenheit und Ungeschick¬
licht
teili¬
in s.
gleich
löst
Pro¬
gesu
heim
on
dem
Thon
Grenz
werd
daran
mit
ge
ile
erat
akte
mach¬
„Fi¬
de
verhu
der