II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 249

4.9. Anatol
Zyklu-
Telephon 12.801.
)
OBSER
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burg, Toronto.
(Osellenangabe eine Gew.
Ausschnitt aus:
12. 1911
Tagblatt
Romer
vom
Bremer Schauspielhaus.
Anatol.
Ein Einakterzyklus von Arthur Schnitzler.
Jedesmal, wenn man wieder einer Gelegen¬
heit hat, diesen ganzen Zyklus an sich vorüber
ziehen zu lassen, bedauert man auch, daß meistens
nur einzelne aus dem Zusammenhang herausge¬

rissene Teile davon gegeben werden. Die eigen¬
artige, merkwürdig gedämpfte Stimmung, die trotz
der amüsanten Scherze über dem Ganzen ausge¬
breitet liegt, kommt auch nur bei der Aufführung des
Ganzen zu der rechten Geltung. Die Aufführung,
welche die vier Einakter am Mittwoch unter der
Regie von Adolf Steimann erlebten, blieb
dem originellen Werke nichts schuldig. Sie spielte
sich in einem trotz aller verschwenderischen Pracht
doch sehr vornehm wirkenden äußeren Rahmen ab¬
und war vor allen Dingen von allerintimsten Reiz
Max Andreas liegt die Rolle des Lebens¬
künstlers Anatol ganz brillant, seine Wiedergabe
war in psychologischer Hinsicht wie auch nach der
Seite der Charakterisierungskunst hin ein wahres
Meisterstück. Die vier nach einander zu Anatol in
Beziehung tretenden Dämchen wurden von Irma
Hellersberg Ilka Challon, Lotte Klin¬
der und Elsbeth Perron mit gleich sprühen¬
dem Temperament verkörpert. Den sehr vernünf¬
tigen Max gab Martin Lindemann mit be¬
lustigender Trockenheit des Humors.
W. J.
box 8/6
61
Max Goldschmidt
.
Bureau für
Zeitungsausschnitte
Telephon III. 1061.
Berlin N. 24
Ausschnitt aus
Bonner Zeitung
12
Stadttheater.
Erstaufführung: Anatol von Artur
Schnitzler
Anatol: Fünf Episoden aus dem Tagebuch eines
Amateurs des Lebens. Eines, der das Leben mit un¬
zureichenden Mitteln deutet, ebenso wie die kleinen ge¬
fälligen Mädchen, die ihm über den Weg laufen. In
beiden sieht er zu viel und zu wenig, um schließlich von
beiden genarrt zu werden. Die Kräfte und Gewalten
des Lebens bedeuten ihm nichts, die Finessen alles.
Niemals das unmittelbare starke, naive Erleben eines
Gefühls, immer ein bewußtes, mit kleinen raffinierten
Zutaten gewürztes Ausschmecken einer Situation und
ihrer Sentiments. Er sieht alles nur als Bild arran¬
giert, in dessen Mittelpunkt er selbst steht. Betrachtet
alles nur aus der Perspektive des Dandys, der mit
Geschick und einer kleinen verlogenen Wollust vor sich
selbst posiert. Ein bißchen weichliche Schwermut aus
dem Klubsessel heraus, Melancholien eines Flaneurs,
Entzückungen eines Aestheten vom Ringstraßenkorso.
Kokette Selbstironien und sanfter Skeptizismus, Feinheit
ohne Tiefe, Geist ohne Ernst, Humor ohne Herz. Kein
Mut zu sich selbst, aber viel Wohlbehagen an der eigenen
Kompliziertheit und allen Entscheidungen gegenüber ver¬
zagt. Immer wird ihm der Mut fehlen, die „Frage an
das Schicksal" zu stellen. Das ist der Typus, den
Schnitzler in seinem Anatol geschaffen hat.
Fünf Episoden voll Geist und Witz und einer hell¬
sichtigen, feinen Psychologie, die wie etwas ganz Selbst¬
verständliches zu der liebenswürdig leichten Ware und
ihrer lächelnden Ironie zugewogen wird. Diese fünf
geistreichen, fein und graziös pointierten Szenen ver¬
langen auf der Bühne ihren eigenen Stil, den man
vielleicht am besten mit den Worten Intimität und
Leichtigkeit andeuten kann. Daß der Spielleiter des
Abends, Herr Dr. Thumser, auf beides Wert legte,
soll gern anerkannt werden. So war es eine vor¬
treffliche Idee, eine kleine Bühne auf der großen Bühne
zu errichten und in den einzelnen Szenen nur den kleinen
Ausschnitt eines Zimmerwinkels zu geben. Dadurch
wurde eine traulich intime Wirkung geschaffen, die den
Szenen, mit Ausnahme der einen „Weihnachtseinkäufe"
sehr gut zu statten kam. Weniger berechtigt, oder um
es deutlicher zu sagen, ganz verfehlt ist aber der Ge¬
danke, die Auftritte und Abgänge der einzelnen Per¬
sonen über die große Bühne und die Stufen zur Welt
der kleinen Bühne erfolgen zu lassen. Die Intimität
und das Geschlossene des Gesamteindrucks wurde dadurch
immer wieder durchbrochen. Das Streben, etwas ganz
Originelles geben zu wollen, hat hier zu einer Unreinheit
des Stiles geführt, die schon deswegen bedauerlich ist,
weil sonst wirklich Vortreffliches zustande kam. Mit
Ausnahme der Weihnachtseinkäufe, die in dieser Art der
Szenengestaltung eigentlich unmöglich sind. Weihnachts¬
abend 6 Uhr.
In den Straßen Wiens, schreibt
Schnitzler vor. Wir hatten zu beiden Seiten der Bühne
graue Vorhänge und im Hintergrunde die kleine Bühne,
hinter deren Vorhang die Lichter eines Weihnachtsbaumes
schimmerten. Davor gehen Anatol und Gebriele mit
Weihnachtspäckchen beladen auf und ab, bis Gabriele
durch die Vorhänge der rechten Seite einen Wagen
besteigt, dessen Heranfahren zu allem Ueberfluß und
gegen jedes Stilgefühl noch naturalistisch nachgeahmt
wurde. Und die ganze Szene ist mit ein paar einfachen