II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 374

4.9. Anatol
Zyklus
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aber braucht sie es auch nicht zu meinen und die Belastung
Lehr; 3
der kleinen Plauderei der „Weihnachtseinkäufe durch einen
wirklichen Droschkenschlitten nebst obligatem Gaul war ent¬
X. Der Sonntag abend
schieden des Guten zu viel. Tant de bruit pour une omelette
Lehárs „Zigeunerliel
mußte man beim Stampfen der edlen Posinante denken
Bildern. Zigeunerromantik
die augenscheinlich (wie so mancher Darsteller bei uns) mi
wundenen Dingen, aber den
der ihr zugeteilten Statistenrolle nicht zufrieden schien. Di¬
Willner und Rob. Bodanskey
Schnitzlerschen Einakter — es sind in Wahrheit nur Plau¬
lungen. Dichter und Kompo
dereien — aus dem Anatol=Zyklus sind ja anderswo oft bei¬
Wege einzuschlagen, und gan
fällig gegeben worden; das „Abschiedssouper haben auch erfreulicherweise an einem
wir schon früher genossen. Sie sind gar nicht so leicht zu geben
sich allmählich der komischen
wie sie bei flüchtiger Lektüre ausschauen, denn in ihrem
gewinnt sie neue Möglichkeit
Dialog liegen eine Menge feiner Gefühlsschattierungen und In „Zigeunerliebe" sind die
intimer seelischer Werte, die ein sehr gewandtes, verständnis¬
der Bühne geht es immer
innig in einander eingreifendes Konversationsspiel erfordern.
nunft ausgeschaltet werden mü¬
Mit diesem Konversationsspiel hapert es bei uns aber noch Ernst, der mit gefälliger Lusti¬
wegen Mangel an Uebung; sind unsere Darsteller am Schluß
sich hinterdrein nicht zu schän
des Spieljahres leidlich mit einander eingespielt, so flattern sich gut unterhalten hat.
sie wieder in alle vier Winde auseinander und bei den Neuen die Tochter eines reichen Be¬
loben, dessen zarte Werbung
beginnt die Exerzier=Arbeit von vorn. Dazu kam eine nicht
recht geschickte Besetzung der Rollen; Frl. Görling, die Mädchen jedoch nicht zusagt
in dem wenig angebrachten Einleitungsgedicht nur in einer äugige Zigeuner Jozsi, der
leidenschaftlich näher und ih
prächtigen Toilette die schönen Linien ihrer Figur zeigen
konnte, wäre als mondäne Gabriele besser am Platze gewesen romantischer Aufwallung des
und unsere muntere Salondame Frl. Francke, die durch ihre und in ungebundener Freihe
Krankheit so wie so um ein paar Rollen in den jüngsten Fest streifen. Die alte Amme
vorstellungen gekommen ist, besser als Ballettratte Aennie mit dem Zigeuner einzulasse
Der Anatol hatte wegen der Rekonvaleszenz des Herrn Wahl gefüllt mit dem Wasser de
zwischen ihm und Herrn Busch geteilt werden müssen; beide die Kraft hat, demjenigen, de
entsprechen in ihrer Individualität nicht ganz dem jungen zu lassen. Im zweiten Bilde
und Zorika nach langem
leichtsinnigen, in seinen Stimmungen wie ein verkappter Dich
ter (der er in Wahrheit auch ist) wechselnder Wiener Schweren Frau Ilona von Köröshaza
nöter. Ueberhaupt fiel das Wienersche ein bischen arg schwer und der Zigeuner behandelt
und Herr Busch hätte besser ohne seine eingestreuten Versuche, Kälte. Jozsi wendet sich de
Wegnersch zu plauschen, in seinem biederen Norddeutsch ge¬ Gästen als Ueberraschung eine
den Zorika besteht darauf,
wirkt. Frl. Regina war in der „Frage an des Schiksal
trautes Weib zu sein. Unter
ein herziges „süßes Mädel“, dem nur durch die Hypnose leider
ihre Munterkeit rasch entzogen wurde, Frl. Forsten im blickt Zorika mit Schrecken
„Abschiedssouper, wohl eine ganz drollige Aennie, aber ihre lossagt, im Traun naht si
kindliche Art und die unausgereifte Technik traten doch zu beschwört zu ihm zurückzu¬
armer Leuten,
schmäht, mit ihr vor den
stark noch hervor. Nett und hübsch sahen übrigens alle mit¬
wirkenden Damen aus und darin wahrten sie den Ruf Wiens. Tuch zuwirft, womit, wenn
Das Publikum schien nicht recht in Stimmung zu kommen, der geunern der Lebensbund ge
Beifall war ein wenig lau. Mit Interesse sehen wir den Besinnung, daß sie wahres
finden kann, und der Traum
weiteren Darbietungen unserer Matineen entgegen.
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ein allerliebstes Familienidy
Am gestrigen Abend gab es wieder eine Uraufführung, Ausine Zorikas, und Kajetan
von der wir gleich mit einer Vornotiz Vermerk nehmen. Der
bewirbt sich Zorikas Vater
erfolgreichste Dramatiker des Wuppertals, Ernst Söhn
Barmer Stadttheater.
gen, stellte sein neuestes Werk, eine Komödie „Der Maul Gunst der schönen Flona.
rasch der Schluß herbeigefüh
wurf“ vor und konnte sich wieder eines lebhaften Erfolge
Literarische Matinee: Schnitzlers Anatol.
Jolan-Kajetan, Dragotin-Ilo
erfreuen. Im Mittelpunkt des Stückes steht ein Scheinheiliger
wieder sein Wanderleben an.
Barmen, 6. Februar.
Molières Tartuffe ins Volkstümliche übertragen, in der Blüt
ponisten sehr günstige Cha¬
M. Erfreulicherweise hatte die zweite Literarische Matinee
seiner Schandtaten und wird dem Gelächter mit ebenso volks¬
hat, seine Musik steht hoch
schon ein weit zahlreicheres Publikum angezogen als die erste
tümlichen und bisweilen gar zu derben Mitteln preisgegeben
Der erste Akt ist der beste, der zweite verdient energis. Marktware ist. Man konn
obwohl gleichzeitig — und diese Duplizität ließe sich am
Striche, der dritte macht zu viel Aufwand für die Lösung einer Reichtum haben, der schon
Ende vermeiden — auch Elberfeld literarisch kam. Jeden¬
hübsch ist Zorikas Auftritts¬
falls scheint uns der Beweis erbracht, daß die neue Einrichtung
kleinen Verwicklung und die Entlarvung des Sünders. Die
Heckenrose, das Duett zwi¬
sich einbürgern kann. Dabei werden freilich in der Aus¬
Aufführung war von Herrn Pichon sehr sorgsam vorbereite
und der Autor wurde nach jedem Akt von dem gutbesuchten Lied „War einst ein Mädel“
führung allerlei Uebelstände und Hemmnisse noch zu über¬
strumentation, seine Technik
winden sein, wie z. B. die Länge der Pausen, die am Sonntag Hause oftmals gerufen.
reicht. Es kommt dazu ein
die Geduld des Publikums etwas gar zu sehr auf die Probe
wirksamkeit, auch für die
stellte. Die Regie meint es ja gut, wenn sie, wie es der
sprochenen Wortes, und so ha¬
Fall war, auf ein hübsches Bühnenbild Wert legt; zu gut