II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 380

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4.9. Anatol
Zykl
Gelsenkirchener Zeitung
14. J.
hängig von den anderen aufgeführt werden. Nur die
Fünftes Gastspiel des
Persönlichkeit, die dem Zyklus den Namen gegeben
und deren seine Charakterisierung dem Dichter über¬
Düsseldorfer Schauspielhauses. aus glücklich gelungen ist, ist es, die den Zyklus zu¬
sammenhält. Er ist eine Folge von einander unab¬
Anatol-Zyklus.
hängiger Augenblicksbilder aus dem Leben eines
Gelsenkirchen, 13. März 1912.
Wiener Lebemannes, der, ein Junggeselle, wie der
Das Düsseldorfer Schauspielhaus hat gestern abend
Schmetterling von Blume zu Blume, von Liebes¬
im Saale der Stadthalle ein Gastspiel außer der
abenteuer zu Liebesabenteuer fliegt, die zwar in „rer
Reihe der Abonnementsgastspiele absolviert, um auch Aesthetik frei von roher Frivolität, in ihrem morali¬
denen, die an diesen nicht teilnehmen konnten, Ge¬
schen Unter= und Hintergrund, aber, trotz ihrer schein¬
legenheit zu geben, seine hervorragenden Kunst¬
baren Unbefangenheit, recht leichtfertig sind und teil¬
leistungen kennen zu lernen. Das Experiment scheint
weise pariserische Schwankluft amen, die ich am lieb¬
mir gelungen zu sein. Denn, wenn auch ein
sten von unseren deutschen Bühnen verbannt sehen¬
großer Prozentsatz der Abonnenten der diesjährigen
möchte. Jedenfalls möchte ich entschieden dafür ein¬
Schauspielhausgastspiele zum Besuch der Vorstellung
treten, daß das Milieu der moralischen Leichtfertigkeit,
erschienen war, um keine der dramatischen Darbie¬
um nicht mehr zu sagen, bei unsern städtischen
tungen des Düsseldorfer Schauspielhauses zu ver¬
Theaterabenden ferngehalten werde. Dies will ich
säumen, konnte man doch leicht erkennen, daß der
nicht so sehr in bezug auf den „Anatol=Zyklus ge¬
größere Prozentsatz der Besucher Nicht abonnenten
sagt, als vielmehr als warnenden Wegweiser für die
war. Unter den letztern waren auch zahlreiche
Zukunft aufgestellt haben.
Auswärtige aus der nächsten Umgebung, insbe¬
Die Aufführung des Zyklus von dem die vie¬
sondere aber auch aus Herne, Dortmund und Essen,
ein Beweis, daß die von der Städtischen Verwaltung Einakter „Schicksalsfrage“, „Weihnachtseinkäufe,
eingerichteten Theaterabende auch außerhalb des „Episode" und „Das Abschiedssouper“ vorgeführt wur¬
Bannkreises unserer Stadt Wertung und den, war vom Regisseur Dr. Bruck intim und behag¬
freund nachbarliche Gäste finden. Im übrigen lich vorbereitet und inszeniert. Der Erfolg der Vor¬
stellung hängt ganz und allein von der Darstellung
darf festgestellt werden, daß die Vorstellung fast ein
der Figur Anatols ab. Mit gutem Geschick und seinem
volles Haus gefunden hat.
Verständnis verkörperte Herr Steinbeck diese
Zur Aufführung gelangte der „Anatol¬
Zyklus von Artur Schnitzler, einem Wiener Arzt lyrisch-romantische Träumernatur, sie mit natürlicher,
und dem erfolgreichsten Wiener Dramatiker der gemütvoller Laune und maßvoller Komik ausstattend,
Gegenwart.) „Anatol“ ist sein Erstlingswerk, be= ihr den Stempel Wiener Gemütlichkeit und harmloser
kannter ist er durch seine Schauspiele „Der einsame Unbefangenheit ausdrückend. Die übrigen Rollen
sind eigentlich nur Episodenrollen. Unter ihnen
Weg“ und „Liebelei“ und den Einakter „Der grüne
Kakadu", die eine dramatisch-plastische Gestaltungskraft kommt nur noch dem Freund Anatols eine größere
bekunden. Lose aneinander gereihte Einakter sind Bedeutung zu. Er wurde von Herrn Hoch mit
auch der „Anatol=Zyklus“, und gerade darin liegt sein sicherer Gewandtheit, mit humorvoller Frische und
eigenartiger Reiz, seine literarische Feinheit, sein gutem Erfolg gegeben. Besonders anerkennen möchte
ich noch die prächtige Konversation, womit die beiden
dramatischer Wert; Inhalt und Form vereinigen sich
in jedem der Einakter zu einem geschlossenen Ganzen, Partner den fein durchgeführten Dialog dahinfließen
dem der künstlerische Geist des Dichters Leben ein ließen. Die übrigen Mitwirkenden: die Damen
Janower (Cora), Robert (Gabriele), Veit
gehaucht, das die von zarten Lyrismen übergossene
dramatische Kunst Schnitzlers in schönstem Lichte er¬ (Bianca) und Stoeger (Anni) fügten sich trefflich
trahlen läßt. Eine gemeinsame Idee hält freilich in den Rahmen des Gesamtspiels ein. Der Kellner
diesen Zyklus nicht zusammen; jeder seiner Einakter des Herrn Oswald war eine Karikatur, die störend
J. P.
ist dramatisch in sich abgeschlossen und kann unab¬ wirkte.