II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 406

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Zyklus
4.9. Anato
uenenangabe ohne Gewalt.)
Ausschnitt der Volkszeitung
vor:
)( Stadttheater. Frei den 30. Juli:
Bunter Kleinkunstabend. Scherz und Ernst moder¬
ner Autoren. Dem Zuge der Zeit und dem Ge¬
schmacke des Publikums nach Abwechslung Rechnung
tragend gab es Freitag im Stadttheater einen Bun¬
ten Kleinkunstabend, welcher dem Ernst der Tage, wie
dem Scherze gleichmäßig gerecht zu werden bestrebt
war und in dessen Mittelpunkte der Einakter Nr. 5
auf Arthur Schnitzlers Anatol=Zyklus", „Anatol¬
Hochzeitsmorgen stand. Aus dem Zyklus dieser fünf
Einakter haben wir bereits den dritten, „Abschieds¬
souper", kennen gelernt, weshalb der Wunsch, die Büh¬
nenleitung möchte doch einmal den gesamten Zyklus
an einem Abend herausbringen, gewiß einige Be¬
rechtigkeit hat. „Anatol“, welcher einen Teil, nämlich
den leichtlebigen Teil jener Jugend darstellt, der im
lustigen Dreivierteltakt die Freuden des Lebens ge¬
nießt, der so wehmütig lustig durchs Dasein schreitet,
nimmt in diesem Einakter Abschied von seiner Jung¬
gesellenherrlichkeit, während im Nebenzimmer seine
ahnungslose Freundin Ilona weilt. Und wenn Max
dieser zur Tröstung zuflüstert, daß die Verheiratung
Anatols gar nicht so tragisch zu nehmen sei, da man
zur Geliebten ja jederzeit zurückkehren könne, weshalb
auch Ilona nur mit einem „Auf Wiedersehen“ von
den Räumen, in denen Anatol haust, Abschied nimmt,
so glauben wir dieser Versicherung nicht nur aufs
Wort, sondern sind sogar fest davon überzeugt, daß
dieser Hochzeitstag im Leben Anatols nur ganz ge¬
ringe Aenderungen bewirken werde. Gegeben wurde
der Einakter von Frl. Kadelburg (Ilona) und den
Herren Hartmann-Haase (Anatol) und Karma (Max)
ganz flott und fand daher auch eine freundliche Auf¬
nahme. Umrankt war der Einakter von allerlei kaba¬
rettistisch gefärbten und zugespitzten Kleinigkeiten.
Herr Karma brachte als Einleitung des ersten Teiles
zeitgemäße Kriegsgedichte; Frl. Grete Schulz er¬
probte ihre geschmackvolle Gesangskunst an Schubert¬
liedern: „Ave Maria", „Es war, als hätte der Him¬
mel die Erde geküßt, und „Lotosblume“, während
Herr Schnepf sich uns erstmalig als im Besitze eines
angenehm klingenden Baritons vorstellte und mit
dem „Doppelgänger" und „Ich hab' im Traum ge¬
weint, beim Publikum einen ganz guten Eindruck
hinterließ. Frl. Brahm erschien als Karlchen Mies¬
nick auf der Bühne und brachte zwei Schularbeiten
zur Verlesung, Herr Walter Renee schloß darauf die
erste Abteilung des Bunten Teils mit scherzhaften Lie¬
dern, die nur in Kabarettluft gut gedeihen. Die
zweite Abteilung des Bunten Teiles eröffnete Frl.
Scarron wieder mit kunstvoll gesungenen Schubert¬
liedern, darunter „Liebesbotschaft“ und „Heideröslein",
denen Herr Hans Trostli einige kleine Scherzlieder
folgen ließ, worauf ein Menuett, von vier Paaren
zierlich getanzt, so mächtig einschlug, daß es wieder¬
holt werden mußte. Den Beschluß bildete Herr Al¬
fred Felden mit zwei Liedern: „Jessas, nur net fort
von Wien“ und „Gott strafe England“ aus der Ope¬
rette „Rund um die Liebe". Die Klavierbegleitung.
der Gesangsvorträge wurde bis auf Herrn Walter
Rettee, der dies selbst besorgte, vom Herrn Kapell¬
meister Bruno Pleier durchgeführt, die, diskret und
kunstverständig in ihrer ganz besonderen Art, die
vollste Anerkennung verdient. Das Haus war leider
nur schwach besucht.
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an welchen Operetten zur Aufführung gelangen. Die Damen
Münchow, eine stimmprächtige, geschmackvolle Sängerin, Lord,
eine allerliebste, sehr patschierliche Soubrette, Nunner, eine
strebsame, sehr verwendbare, junge Kunstkraft, die Herren Otto
Glaser, ein famoser jugendlicher Gesangskomiker mit Humor und
hübscher Simme und obendrein ein brillanter Tänzer, Frossard,
ein mit den einfachsten Mitteln erfolgsicher wirkender Komiker,
sind die verläßlichen Stützen des Operettenspielplans. Das Schau¬
und Lustspiel verfügt gleichfalls über gediegene Kräfte, von denen
die Damen Claire Wolff, Dell Armi, Hoppe, die Herren
Götz, Felix Stärk und Spielleiter Hoppe ganz besondere
Anerkennung verdienen. — Der kreuzfidele, fesche und allgemein
beliebte Fritz Werner gastierte mit gewohnt durchschlagendem
Erfolge in einer seiner vielen Glanzvollen, als „lachender Ehemann
und versetzte das überaus zahlreich erschienene Publikum, die
Theaterkassierin und den Direktor in die beste Laune. Als Heloise
trat — über Einladung der Direktion — die anmutige, pikant¬
graziöse Operettensängerin Frl. Betty Myra, vom wiener Bürger¬
theater, a. G. auf und fand mit ihrer gesanglich wie darstellerisch
gleich hervorragenden Leistung den verdienten rauschenden Beifall
und die rückhaltlose Anerkennung der Zuhörerschaft. — Cordy
Millowitsch, die stimmbegabte, sympathische und temperament¬
volle, neuengagierte Operettensängerin des Theaters a. d. Wien,
spielte a. G. die Adele („Fledermaus") und wurde für ihre in
jeder Hinsicht gelungene Leistung durch stürmischen Beifall ausge¬
zeichnet. — Heute eröffnet die populäre Hansi Niese als „Bot¬
schafterin Leni", assistiert von Frau Josefine Joseffy, ein mehr¬
abendliches Gastspiel.
Die Nachricht vom Falle Warschaus und Iwangorods wurde
mit Jubel aufgenommen; sämtliche Häuser legten Flaggengala
an, ein Fackelzug, an dem viele hier zur Rekonvaleszenz weilende
Soldaten teilnahmen, mit dem verdienstvollen Bürgermeister
kaiserl. Rat Leithner und dem rührigen Vizebürgermeister
Berkovits an der Spitze, begleitet von vielen hundert lampion¬
tragenden Kurgästen, und Konzerte der k. k. Salinenkapelle und
des Tonkünstlerorchesters (Dirigent Kapellmeister Hummer)
brachten die freudige Genugtuung über die gloriosen Taten der
tapferen verbündeten deutschen österreichisch=ungarischen Heere zum
Ausdruck. Der Himmel lachte dazu und der Zar aller Reußen
mußte auf die Frage „Was sagen Sie zu Warschau antworten:
Quidam.
„I wan grod!"
Karlsbader Sprudelbrief.
(Nachdruck verboten.)
Lieber Humorist! Nach einem altbeliebten lateinischen Zitat
ist es bekanntlich schwer, keine Satyre zu schreiben. Der freund¬
liche Leser wird es mir aufs Wort glauben, daß es in der furcht¬
bar ernsten Zeit, in welcher wir leben und die jedem Einzelnen
die schwersten Sorgen bringt, auch nicht gerade leicht ist, eine
Satyre zu schreiben, daß es selbst dann nicht leicht wäre, wenn
kein allgemeiner „Burgfriede, dagegen aber noch so viel zur
Satyre herausfordernder Stoff vorläge. Begreiflicherweise ist das
Publikum in diesen Zeitläuften voll Waffengeklirr, Blut und Tod
auch wenig empfänglich für Scherze, Satyre und Humor, und es
gehört schon eine recht große Portion angeborener Lebenslust dazu,
die Ereignisse der großen wie der kleinen Welt von der komischen
Seite zu betrachten und sie derart zu beleuchten, daß sie den
wertgeschätzten Zeitgenossen wenigstens zu einem Lächeln verleiten.
Hie und da gelingt es zwar einem Herren Mitmenschen dennoch,
er bringt dieses Kunststück wirklich zuwege! Freilich unwillkürlich,
aber die Hauptsache ist ja doch erreicht und — „man lacht". Für
die große Allgemeinheit hat dieses Erheiterungsgeschäft bisher der
italienische Laubfrosch=Generalissimus Cadorna besorgt und für uns
Sprudelstädter übernimmt diese jetzt eigentlich zu doppeltem Dank
verpflichtende Aufgabe zumeist irgendein geehrter Herr Kollege
von der Feder. Insbesondere was die Theaterverhältnisse an¬
langt. Da ist vor allem z. B. der liebe Branchengenosse, der sich
in lächerlicher Eitelkeit seit langen Jahren mit einer rührenden
Dauerhaftigkeit den „Dr."Titel taxfrei selbst verleiht. Ueber die
kritischen Fähigkeiten des betreffenden Herrn ein Urteil abzugeben,
liegt mir gänzlich ferne. Kritisieren ist, abgesehen von Verständnis