II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 405

4.9. Anatol - Zyklus
box 9/1
(Quellenangabe ohne Liewan
Ausschnitt aufrichter Volkszeitung
3. 1915
vom
Stadttheater. Montag den 28. Juni:
„Oesterreichischer Kleinkunstabend“; dazu „Abschieds¬
super von Arthur Schnitzler. Der Theaterleitung
darf das Zeugnis des eifrigsten Strebens, die Vor¬
stellungen so interessant als möglich zu gestalten, ge¬
wiß nicht versagt werden. Nicht nur daß sie mit
neuen Stücken nicht geizt, ist sie auch sonst bemüht,
den Wochenspielplan so abwechslungsreich als möglich,
und damit so anziehend als möglich in Erscheinung
treten zu lassen. Diesem Bestreben entsprang der
„Oesterreichische Kleinkunstabend“, om vergangenen
Mittwoch zweifellos ebenso, wie die seinerzeitigen
Kammerspiele, und wird auf diese Weise kein Mittel
unversucht gelassen, das Interesse fürs Theater zu
heben und wach zu erhalten. Wenn daher der Erfolg
doch zu wünschen übrig lassen sollte, so ist die Ursache
davon gewiß nur in den Zeitumständen, und nicht bei
Was nun besagten
der Theaterleitung zu suchen.
„Kleinkunstabend anbelangt, so brachte er eine Reihe
und Deklamation, in
von Solovorträgen, Gesang
welche sich die Damen: Frl. Friedl Scarron, Frl.
Grete Garay, Frl. Grete Schutz und Frl. Mizzi Proksch
abwechselnd mit den Herren: Direktor Hugo Lischka¬
Raul, Paul Kronegg, Walter Rene und Alfred Fel¬
den teilten; außerdem belebte auch eine Tanznummer,
ausgeführt von Frl. Grete Garay und Walter Rene,
das Programm. Das Publikum unterhielt sich bei
diesen Darbietungen recht gut und ließ es auch an
lebhaftem Beifall nicht fehlen. Was wir indessen noch
besonders hervorheben möchten, das ist die ungemein
feinsinnige und diskrete Klavierbegleitung der Ge¬
sangsnummern durch Herrn Kapellmeister Egon Neu¬
mann. Hierin lag so viel Kunst, daß wir ganz über
rascht davon waren. In Schnitzlers „Abschiedssouper
lag die Rolle der Annie in den Händen des Fris.
Grete Garay, welche das leichtsinnige Theatergeschöp
unter deren Oberflächlichkeit doch noch etwas wie ein
Kern von Ehrlichkeit schlummert, gelungen zur Dar¬
stellung brachte. Den Anatol verkörperte Herr Hart¬
mann-Haase, der den betrügenden und betrogenen
Liebhaber nur um ein weniges zu schwerfällig ge¬
staltete. Die Partie des Max ist zu geringfügig, als
daß sie besonders in Betracht kommen könnte.
kann also der „Kleinkunstabend“ vom vergangenen
Montag im großen und ganzen als ein recht unter¬
haltender bezeichnet werden, von dem nur eines zu
bedauern ist: daß er kein ausverkauftes Haus ge¬
macht hat
0 .. . . . .
Ausschnitt aus: Karlsbader Tagblatt
vor:


Stadttheater. Freitag den 30. Juli:
„Bunter Kleinkunstabend. Scherz und Ernst moder¬
ner Autoren. Dem Zuge der Zeit und dem Ge¬
schmacke des Publikums nach Abwechslung Rechnung
tragend gab es Freitag im Stadttheater einen Bun¬
ten Kleinkunstabend, welcher dem Ernst der Tage, wie
dem Scherze gleichmäßig gerecht zu werden bestrebt
war und in dessen Mittelpunkte der Einakter Nr. 5
auf Arthur Schnitzlers „Anatol=Zyklus
„Anatols
Hochzeitsmorgen stand. Aus dem Zyklus dieser fünf
Einakter haben wir bereits den dritten, „Abschieds¬
souper, kennen gelernt, weshalb der Wunsch, die Büh¬
nenleitung möchte doch einmal den gesamten Zyklus
an einem Abend herausbringen, gewiß einige Be¬
rechtigkeit hat. „Anatol“, welcher einen Teil, nämlich
den leichtlebigen Teil jener Jugend darstellt, der im
lustigen Dreivierteltakt die Freuden des Lebens ge¬
nießt, der so wehmütig lustig durchs Dasein schreitet,
nimmt in diesem Einakter Abschied von seiner Jung
gellenherrlichkeit, während im Nebenzimmer seine
ahnungslose Freundin Ilona weilt. Und wenn Max
dieser zur Tröstung zuflüstert, daß die Verheiratung
Anatols gar nicht so tragisch zu nehmen sei, da man
zur Geliebten ja jederzeit zurückkehren könne, weshalb
auch Ilona nur mit einem „Auf Wiedersehen" von
den Räumen, in denen Anatol haust, Abschied nimmt,
so glauben wir dieser Versicherung nicht nur aufs
Wort, sondern sind sogar fest davon überzeugt, daß
dieser Hochzeitstag im Leben Anatols nur ganz ge¬
ringe Aenderungen bewirken werde. Gegeben wurde
der Einakter von Frl. Kadelburg (Ilona) und den
Herren Hartmann-Haase (Anatol) und Karma (Max)
ganz flott und fand daher auch eine freundliche Auf¬
nahme. Umrankt war der Einakter von allerlei kaba¬
rettistisch gefärbten und zugespitzten Kleinigkeiten.
Herr Karma brachte als Einleitung des ersten Teiles
zeitgemäße Kriegsgedichte; Frl. Grete Schulz er¬
probte ihre geschmackvolle Gesangskunst an Schubert¬
liedern: „Ave Maria, „Es war, als hätte der Him¬
mel die Erde geküßt, und „Lotosblume“, während
Herr Schnepf sich uns erstmalig als im Besitze eines
angenehm klingenden Baritons vorstellte und mit
dem „Doppelgänger“ und „Ich hab' im Traum ge¬
weint, beim Publikum einen ganz guten Eindruck
hinterließ. Frl. Brahm erschien als Karlchen Mies¬
nick auf der Bühne und brachte zwei Schularbeiten
zur Verlesung; Herr Walter Renee schloß darauf die
erste Abteilung des Bunten Teils mit scherzhaften Lie¬
dern, die nur in Kabarettluft gut gedeihen. Die
zweite Abteilung des Bunten Teiles eröffnete Frl.
Scarron wieder mit kunstvoll gesungenen Schubert¬
liedern, darunter „Liebesbotschaft“ und „Heideröslein",
denen Herr Hans Trostli einige kleine Scherzlieder
folgen ließ, worauf ein Menuett, von vier Paaren
zierlich getanzt, so mächtig einschlug, daß es wieder¬
holt werden mußte. Den Beschluß bildete Herr Al¬
fred Felden mit zwei Liedern: „Jessas, nur net fort
von Wien“ und „Gott strafe England aus der Ope¬
rette „Rund um die Liebe". Die Klavierbegleitung
der Gesangsvorträge wurde bis auf Herrn Walter
Renee, der dies selbst besorgte, vom Herrn Kapell¬
meister Bruno Pleier durchgeführt, die, diskret und
kunstverständig in ihrer ganz besonderen Art, die
vollste Anerkennung verdient. Das Haus war leider
nur schwach besucht.