II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 413

schwankt zwischen dem Feinschmecker der Halbwelt
und dem sentimentalen Liebhaber, natürlich ohne
Familiensinn er betrachtet, sein Bummelleben als
höchste Notwendigkeit. Er findet in seinem Freund
Max eine angenehme Ergänzung, vom Dichter zu
dem Zwecke, seine Figur durch den treffsicheren
Dialog erst recht zu unterstreichen. Psychologisch
ist „die Frage an das Schicksal ein guter Witz,
die Beantwortung originell. Am feinsten stehen
die Weihnachtseinkäufe" herausgearbeitet, etwas
derber und für die breite Masse des Publikums
wirkender das „Abschiedssouper" und der „Hoch¬
keitsmorgen". Es geht manche gute Pointe der
ersteren zwei durch die Voreingenommenheit des
Zuhörers verloren, der glaubt, er müsse bei
Schnitzler trot Geistesschärfe noch mehr und zwar
nicht immer des Einwandlosen vernehmen. Anatol
braucht einen talentialen Schauspieler, sonst wird
sein Bild eine Operettenfigur und unmöglich.
Er fand in Hr. Heppner einen überzeugenden
Vertreter, der auch in äußerer Eleganz und Welt¬
mannsgebaren waschecht war. Die Schwierigkeit
der Straßenscene gelang ihm trefflich, freilich hatte
er an Fr. Speidel (Gabriele) gute Hilfe. Dies¬
Scene kann recht langweilig gespielt werden
Wenn da nicht Schlag auf Schlag, mit feinen
Ironie kommt, ist der Erfolg verpufft; sie wir
von einem Großteil nicht verstanden, wie auch der
Beifall wies. Ganz aus ihren sonstigen Rolle
fiel diesmals Frl. Schrattenbach als Annie, w
war die Schüchterne, oft weinerliche Naive? Di
Souperscene (ganz dem Intimen Theater abge¬
lauscht erreichte gute Wirkung, auch der Ueber
gang von der Schampusstimmung zur Entrüstun
und das Abflauen zur Wurstigkeit gelang ihr gu
Eine gefährliche Rolle bietet die Ilona
Frl. Kreß. Sie kann sehr frech gegeben werden
Diese Wiedergabe traf nicht zu, das letzte Liebche
hatte sich recht hübsch gemacht, nahm alles
selbstverständlich, bis auf die Nachricht der Hoch
zeit. Sie übertrieb nichts, auch nicht in ihre
eigensinnigsten Heftigkeit. Es ist die Darstellun¬
der feinen, jugendlichen Salondame, ihr wie an
geboren. Schade Man liest zwar sehr oft der
Namen der Schauspielerin auf den Theaterzetteln
aber heuer meistens nur als Lückenbeißer
Hr. Karma (Max) ermangelte nicht mit satirischem
Lächeln seinem Freunde Anatole, das zu sagen
was notwendig war. Wie schon erwähnt, kann
jene Rolle keinen eigenen Weg gehen. Er machte, was
zu machen war, das gleiche gilt auch von der Cor¬
Frl. Gaminas, dem „süßen Mädel", die Anatolens
Liebesreigen eröffnete. Das Küssen war echt und ge¬
räuschvoll. Alles in Allem. Ein bunter Abend, gute
Darstellung und seine Regie. Es klappte alles, wie
am Schnürchen. Nicht so bei der Wiederholung
„Hamlets" am Donnerstag.
Volkstümliche
Vorstellungen bedeuten trotz des Erfolges der
„Faustaufführungen" bei gutem Wetter an Sonn¬
tagen Wagnisse. Die Darstellung schien uns über¬
dies oberflächlich, trotz vereinzelt guter Einzel¬
leistungen. Sie vermochte das abgerundete Bild
der Erstaufführung nicht zu ersetzen. K. v. K
Richartisch
4.9. Anatol - Zyklus
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