II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 444

Zyklus
4.9. Anatol

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Der Tag, Berlin

und Wolf.
p. Das Schiller-Theater Charlottenburg
veranstaltete einen Schnitzler=Abend, zu dem des
Dichters „Anato, bestehend aus den Ein¬
altern „Die Frage an das Schicksal
„Abschiedssouper, Episode und
„Anatols Hochzeitsmorgen" in Szene
ging. Schnitzler ist ein ausgesprochener Vertre¬
ter des Wiener Humor und so glänzender Sch.
derer bestimmter Wiener Typen, und verlangt
einen so bestimmten Darstellungsstil, daß speziell
seine Einakter eigentlich nur von Schauspielern
gespielt werden konnen, die diesen Stil beherr¬
schen, verfügt man aber nicht über solche Dar¬
steller, so soll man es lieber lassen, und dieser Fall
trifft für das Schiller=Theater zu. Herr Peschke
gewiß ein begabter Schauspieler, aber für
den Schnitzlerschen Anatol fehlt ihm so ziemlich
alles. Derartige Anforderungen kann man
überhaupt nicht an Vertreter seines Faches stel¬
len, von einem Darsteller des Hamlets und ande¬
rer klassischer Schau= und Lustspielheiden kann
man mit dem besten Willen keinen Anatol ver¬
langen Deshalb trifft der Vorwurf für die
falsche Besetzung der Rollen in erster Linie die
Direktion. Zum Ueberfluß beherrschte er den
Wiener Dialeit, ohne den Schnitzler nicht denkbar
ist, überhaupt nicht. Ein schwacher Versuch mi߬
glückte kläglich. Diesen Versuch unternahm sein
Partner Heinz Senger, der den Max gab, schlauer¬
weise überhaupt nicht, aber auch ihm lag die
Rolle nicht, auch ihm fehlte der leichte Ton. Die
einzige, die den Wiener Ton traf, war Stephanie
Kriß als Annie im Abschiedssouper, nur hätte
sie ein geschmackvolleres Kleid wären sollen.
Mit den Rollen der Cora und Bianca fand sich
Claire. Selo leidlich ab. Auch Else Wasa konnte
als Ilona in „Anatols Hochzeitsmorgen den rech¬
ten Ton nicht finden, auch ihre Versuche, wiene¬
risch zu sprechen, scheiterten vollständig. Alles
zu allem war es ein verfehlter Abend, und wenn
box 9/3
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1919

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das Publie sich trotzdem amüsierte, so ist da
ein Verdienst von Schnitzlers urwüchsigem Hut,
Theater u. Musik.
nor.
b. Das Schiller-Theater Charlottenburg
veranstaltete einen Schnitzler=Abend, zu dem des
Dichters „Anatol, bestehend aus den Ein¬
altern „Die Frage an das Schicksal
„Abschiedsouper, Episode und
„Anatols Hochzeitsmorgen in Szene
ging. Schnitzler ist ein ausgesprochener Vertre¬
ter des Wiener Humors und so glänzender Schil¬
derer bestimmter Wiener Typen, und verlangt
einen so bestimmten Darstellungsstil, daß speziell
seine Einakter eigentlich nur von Schauspieler
gespielt werden können, die diesen Stil beherr¬
schen, verfügt man aber nicht über solche Dar¬
steller, so soll man es lieber lassen, und dieser Fall
trifft für das Schiller-Theater zu. Herr Patsche
ist gewiß ein begabter Schauspieler, aber für
den Schnitzlerschen Anatol fehlt ihm so ziemlich
alles. Derartige Anforderungen kann man
überhaupt nicht an Vertreter seines Faches stel¬
len, von einem Darsteller des Hamlets und ande¬
re klassischer Schau= und Lustspielheiden kann
man mit dem besten Willen keinen Anatol vor¬
langen. Deshalb trifft der Vorwurf für die
sische Besetzung der Rollen in erster Linie die
Direktion. Zum Ueberfluß beherrschte er den
Wiener Dialekt, ohne den Schnitzler nicht denkbar
ist, überhaupt nicht, in schwacher Versuch mi߬
glückte kläglich. Diesen Versuch unternahm sein
Partner Heinzeuger, der den Max gab, schlauer¬
weise überhaupt nicht, aber auch ihm lag die
Rolle nicht, auch ihm fehlte der leichte Ton. Die
einzige, die den Wiener Ton traf, war Stephanie
Kriß als Annie im Abschiedsfouper, nur hätte
sie ein geschmackvolleres Kleid wählen sollen.
Mit der Rollen der Corn und Bianca fand sich
Claire Selo leidlich ab. Auch Else Wasa konnte
als Ilona in „Anatole Hochzeitsmorgen den rech¬
van Ton nicht finden, auch ihre Versuche, wiene¬
risch zu sprechen, scheiterten vollständig. Alles
in allem war es ein verfehlter Abend, und wenn
LINER TAGE
3-FER 1979
Schiller-Theater. Die Neueinstudierung von vier Ein¬
akten aus dem Schnitzlerschen „Anatole-Zyklus gab zwei
jugendlichen Donneren Gelegenheit, sich der großen Anhänger¬
schaft der Charlottenburger volkstümlichen Bühne vorzustellen.
Th eine, Claire Selt, eine aparte, anmutige Erschung, besitzt
augenscheinlich noch nicht viel Routine und bewegt sich auf der Bühne
mitunter noch ziemlich unbeholfen, scheint aber immerhin genügend
Talent zu besitzen, um sich, nach Ueberwindung gewisser äußerlicher
Hemmungen, dereinst durchzusetzen. Die andere, Stephanie
Kriß, hat echtes Bühnenblut; sie ist rassig und temperamentvoll
und führte die Szene der kleinen Balletteuse im Abschieds¬
souper recht pikant und voller Schneid durch. Die Hauptrollen
lagen in den bwährten Händen der Herren Paschke (Anatol)
und Senger (Max), wobei die überlegen ironische Art Heinz
Sengers über den weichlich-sentimentalen Freund entschieden den
Sieg davontrug. Das liegt aber wohl zum guten Teil in der ganzen
Anlage der Dichtung. Die geschmackvolle Regie, die sehr hübsche
Innenbilder zeigte, lag in den Händen von Franz Bonno.