II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 507

9. Anatol
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Zyklus
Bildnissen bezeichnet werden
Schnitzler=Abend von Johannes Riemann.
Meistersaal sprach Freitag abend Johannes Riemann vor
ausverkauften Hause Schnitzler. Er las, zunächst
Stimmung und Modulation die Einleitungsmannsthals zu
Schnitzlers „Anatol" und „Andrehers letzter Brief", eine
psychologisch ungeheuer seine etwas zu breite Analyse eines
Selbstmorders. „Der eine handfestere, in der Hand¬
lungsführung stellenwein romanhafte Novelle, bot dem Künst¬
ler Gelegenheit, große Darstellungskunst zu entfalten. Den
Beschluß bilda Schnitzler den Vortrag seines „Reigen“ ver¬
botene Episode aus „Anatol“, die den jüngeren Schnitzler
von er besten Seite zeigt. Johannes Riemann, der aus ihr
ein köstliches Kabinettstück seinen skeptischen Humors schuf, erntete
stürmischen Beifall.
Arthur Schnitzlernen. Die zwei Einakterreihe aus dem
Andro¬
Einkäufe, Episode, Denksteine — and
am Donnerstag eine des Autors viel würdigere Darstellung als die
erste Folge, die hier im Laufe des Sommers gegeben worden ist
Die Eleganz der Form, die geistvolle Führung und Zuspitzung des
Dialogs, die als charakteristische Vorzüge Schnitzlers hier den einzi¬
gen Wert dieser kleinen dramatischen Skizzen ausmachen, kamen
diesmal zu recht schöner Wirkung. Den ganzen Abend bestritten
„Herr Dunieck und Fräulein Bertram, nur im zweiten Akte
der gesellte sich nun noch Herr Ritter als Max. Da Herr
Dunici auch die Regie führte, als Anatol diesmal mit dis¬
refere und feineren Mitteln arbeitete, darf er mit besonderer An¬
erkennung genannt werden. Frl. Bertram hielt mit ihm als Go¬
briele, Bianca und Emilie im allgemeinen gut Schritt; nur die
Gabriele haben wir hier schon besser, distinguierter gesehen
Uepri¬
gens war die Ausstattung der „Weihnachtseinkäufe" doch gar zu
ärmlich.
Das Volks=Theater in Hötting (Gasthof zum Bären.
rena Eva. (Das Fabriksmädchen),
Sieder geb.
Denksteine enfolge „Anator, aus der in Fortsetzung
des ersten bends drei neue, selten gegebene Einakter zur Auffüh¬
rung gelangte, charakterisiert von seinen dramatischen Werken am
besten die Eigenart des früheren Schnitzler. In der Kunstform des
Dialoges hat er gleich wie in seinem so viel besprochenen „Reigen
sozusagen eine Mittelstufe der dramatischen und epischen Technik
geschaffen, die das Raffinement dieser Art, Wirkungen des Aus¬
druckes und der Situation zu erzielen, besonders scharf ausprägt.
die Leichtigkeit und Schmiegsamkeit des Dialoges, die Grazie und
Liebenswürdigkeit der Form, die eigentümliche Mischung von elegi¬
schem Weltschmerz und Humor, von ironischer Wehmut und melan¬
cholischer Heiterkeit gibt der Szenenfolge psychologische Wahrheit
und künstlerische Einheit. Nur frägt es sich, ob der Typ dieses
homme a femmes, der vielen Frauen unwiderstehlich ist und dem
alle Frauen unwiderstehlich sind, ob dieser Anatol, der im Geiste
schwach, im Herzen arm, auch als Liebhaber genügend Interesse ein¬
flößt, um für den ganzen Abend zu unterhalten. Denn Anatol ist
sich nur eines Triebes bewußt, er kennt nur einen Gesprächsgegen¬
stand, einen Pol, um den sich alles dreht. Die Liebe. Man kennt
ihn schon nach der ersten Szene durch und durch, ist kaum gespannt
auf das folgende, auch wenn die begrenzte Welt, in der sich Anatol
bewegt, noch so meisterhaft gezeichnet ist. Von den drei Szenen
dünkt uns die erste „Weihnachtseinkäufe die reizendste und zarteste:
eine Mondäne, die das kleine Vorstadtmädel um die sie so ganz er¬
füllende Liebe zu Anatol beneidet, zu der es ihr an Mut gebricht
Es ist bedauerlich, daß der Hauch der Weihnachtsstimmung, der dem
reizvollen Bilde die richtige Folio gibt, infolge der geradezu ärm¬
lichen Ausstattung gänzlich abfiel. Nichts erinnerte daran, daß man
sich mitten im Winter, vor den hellerleuchteten, im elektrischen Lich¬
terglanz funkelnden Schaufenstern einer Straße der Großstadt befin¬
det. Herr Duniecki, der den Anatol in den drei Szenen gab,
diesem Schnitterschen Großstadt alle Eigenart abgelauscht.
Neues Morgenzeitung, Innsbruck
16. 1919
Seite 8.
Lo Bertram gibt die Damen von Welt weit besser, als die der
Halbwelt (2. und 3. Bild); dazu fehlt ihr das schillernde, verlockende
die Grazie und prickelnde Koketterie, Herr Ritter, der als Max
in seiner ruhigen Gelassenheit den Gegenpol Anatols bildet, war
um eine Linie zu viel spießbürgerlich, zu wenig Weltmann.
sek.
„Anatol", von Arthur Schnitzler. — „Satans
Maske, Groteste von Abend
solider Heiterkeit konnte man gestern in unserem Stadt¬
theater erleben. Zunächst kam Schnitzlers „Anatol“ mit
drei Szenen zu Worte: „Die Frage an das Schicksal",
„Anatols Hochzeitsmorgen" und „Abschiedssouper. In
allen dreien gab Otto Storm den Anatol. Er zeich¬
nete den leichtsinnigen Menschen höchst stilvoll, launisch¬
mehr wienerisch leichtlebig und holte alle Stimmungen
und Feinheiten sorgfältig aus der Rolle. Den Max
gibt Emil Feldmar mit trockenen, etwas derben
Humor, weniger elegant, aber urwüchsig gesund.
Die Anni im „Abschiedssouper spielte Gisa Klär¬
mann, die einen keck zugreifenden Humor entwickelte
und den Beweis erbrachte, daß sie auch im Lustspiel
ihren Platz ausfüllt. Voll Schick war wieder Christi
Hernann als Ilona, die das echauffierte Wiener
Mädel in Haltung, Sprache und Kostüm reizend ge¬
staltete In der „Frage an das Schicksal trat Lisa
Werner als Cora trefflich hervor. — Im Anschluß
an diese lustigen Szenen reihte sich Czinners Groteske
„Satans Maske, die unser Theaterpublikum in der
vorvorherigen Spielzeit kennen lernte. Man erinnert
sich gern an die lustigen Szenen, in welchen die Schön¬
heit und die List des Weibes einen sonst klugen und
schlauen Mann in ihre Netze lockt und ihren Wünschen
gefügig macht. Das schöne Weib gab Frau Dir. Lin¬
zer, die die Schauspielerin Lubia mit allen Finessen
weiblicher Koketterie ausstattete. Den Theaterdirektor
gab Emil Feldmar, der sämtliche Einakter auch
inszenierte. Die Rolle gab ihm Gelegenheit, seine Cle¬
ganz und Klugheit zu zeigen. Es war kein gewöhnliches
Vergnügen, die Steigerung zu beobachten, die Herr
Feldmar der banalen Kurve dieser allzu verblümt aus
einen Bluff lossteuernden Groteske gab. Alle vier Akte
waren in ihrem Zusammenspiel sein abgestimmt und
gaben einen fröhlichen, heiteren Abend. Leider war das
Haus nur sehr schwach besucht, ein Umstand, der sehr
zu bedauern ist, denn unser Lustspiel ist vortreffli¬
und verdient ein volles Haus. Die Anerkennung at
allgemein und der Beifall sehr stark.