II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 608

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Zyklus
4.9. Anatol-
soweit eine genug einer großen Anzahl von Schiffen und von Marine-Mächten in Schange¬
wenn sie auf roten Stel¬
in der Richtung zum Tonfilm verflächtigen sieht, war es
Es konnte nicht ausbleiben, daß dieser vordringliche
waren Schäferszenen in
nicht, und Raoul Aslan ist es, obgleich ein Meister der
Erfolg schließlich Schnitzler selbst mehr verstimmte als er¬
So werden sie jetz
Szene, von der anderen Seite auch nicht. Jener wäre seiner
freute. Zwanzig Jahre waren dahingegangen, er war nun ein
absichtlich entrückt, ja
Aufgabe geistig nicht gewachsen gewesen, dieser überwächst
berühmter Dichter, auf der Höhe seines Werkes, seiner
lich sind, mehr achtzig
sie geistig, doch sei zugegeben, daß dies das geringere Uebel
Kraft, und man tat so, als hätte er außer dem „Anatol" und
Jahrhunderts und von
ist. Der Anatol ist ja zur guten Hälfte, vielleicht sogar zur
seiner weiblichen Entsprechung, dem sagenhaften, süßen
goldenen Fäden noch
besseren, ein Geistesmensch, und daß er das ist, macht ihn
Mädel, nichts anderes in die Welt gesetzt. Er hatte seither die
zurückzieht. Bevor der
heute zu einer in ihrer Entrücktheit so anziehenden Figur.
„Liebelei geschrieben, den „Grünen Kakadu", den „Leutnant
schon Aslan als Anat
Er entstammt, durchaus intellektuelles neunzehntes Jahr¬
Gustl“; er hatte Anatol, den seidegefütterten Wiener Lebe¬
hundert, einer Epoche, die Leichtfertigkeit geistreich zu über¬ kanten Seit¬
mann, auf seinem eigensten Gebiet, mit dem unvergleich¬
Prolog, wie vor sich
silbern und die Ausschweifung poetisch zu vergolden liebte.
lich weniger bequemen, aber bedeutenderen und originelleren
Dann schwebt der Vor
Das tut auch der Anatol als echter Sohn seiner Zeit. Er
„Reigen völlig aus dem Felde geschlagen; er hatte sich,
Gesicht nach rechts in
schwärmt beispielsweise — in „Episode" — für eine sehr
unter dem erzieherischen Einfluß des Moral=Forderers Ibsen
Stellung veränderte,
weitgereiste Zirkusreiterin, mit der ihn irgendwo ein halbes
zwischen „Schleier der Beatrice“ über den „Einsamen Weg
übersitzenden Max zu
Schäferstündchen zusammenführte, und spricht von ihr, als
und „Das weite Land" bis zu „Professor Bernhardi, seinem
und aus dem Materia
ob sie Melisande von Tripolis wäre. Der Freund und Gegen¬
Gipfelwerk, zu einer Art Wiener Augier, mit dem er den welt¬
ersten Stück Anatol ih
spieler, Max, berichtigt klug die Schwärmerei: „Du hast deine
lichen Spitzbart und den edlen Vers gemein hatte, hinauf¬
nennung auch dem T
phantastische Jugend und Glut in ihr nichtiges Herz hinein¬
entwickelt, und man ließ ihn nach wie vor in weiten Kreisen
weisend. Die halb lite
empfunden und was dir entgegenglänzte, war Licht von
nur als kleinen Lustspiel-Musset gelten. Als er jung gewesen
herrnsohnes unserer
deinem Lichte." Oder Anatol erzählt gerührt von der Träne
war, galt er jener Ibsenschen „kompakten Majorität", die
siegelt, und der jüngst
im Augenwinkel der anspruchslosen Geliebten, wenn er sie
nirgends so kompakt ist wie in Wien, nur als der Sohn
der jüngste nicht me¬
mit einem Veilchenbukett überrascht, und Max bemerkt
seines Vaters, und jetzt, da er zu seinen Jahren kam, die
Kopfes ins erwärmte
trocken: „Du — probier's einmal mit einem Brasselett
wahrhaftig die seinen waren, lediglich als der Vater des
Melaniker, als
Solcher Maxe gibt es heute noch etliche, aber wo sind die
Anatol. Ein Wiener Schicksal und als solches keineswegs
schuldig, am wenigsten
Anatole, die ihnen in der Lebewelt die Wagschale halten?
einzig in uner Art. Hier wird ja jeder immer wieder mit
elementarer mutet das
Es war eine bessere Lebewelt, die schnitzlerische von Anne
seinem Vorgänger verwechselt, auch wenn er ausnahmsweise
an, am elementarsten
1890, eine geisterhellte von Dichters Gnaden, und als solche
sein eigener Vorgänger ist.
Abschiedssouper
nur scheinbar fin de siècle. Im Prolog wird ein anderes
Als sein eigener Vorgänger tritt uns Arthur Schnitzler
Gestaltchen hinstellt,
Datum genannt, das „Wien von 1760“ beschworen und die
auch in der neuen „Anatol"-Aufführung entgegen, die uns,
bleibt, alles in und
Verbindung mit ihm stilistisch hergestellt:
zwanzig Jahre nach dem Deutschen Volkstheater, das Burg¬
konnte man freilich
theater jetzt im Akademietheater beschert. Ganz gegen den
Also, spielen wir Theater,
natürlichere Wiener
eigenen Wunsch des Verewigten, der sich, eifersüchtig auf seinen
Spielen unsre eignen Stücke,
Humor, als im kür¬
Ruhm, wie er es war und sein durfte, eine ganz andere
Früh gereift und zart und traurig,
bodenständigen Schau
Die Komödie unsrer Seele,
Jubiläumsvorstellung für seinen siebzigsten Geburtstag
etwas wie ein weiblich
Unsres Fühlens Heut und Gestern
wünschte, aber offenbar zur vollen Zufriedenheit eines
wirkte schon das Herr
größeren Wiener Publikums, das dem treulosen Anatol gern
sich einzuwienern begin
Was Anatol und Cora oder Bianca oder Annie oder wie
die Treue hält. das ist um so erstaunlicher, als das
„Anatols Hochzeit
immer sie heißen mochten, miteinander auszumachen hatten,
Burgtheater für die an sich höchst dankbare Titelrolle eigent¬
Vornamens eine Wie
war im Grunde nichts anderes, als was in der theresianischen
lich gar keinen vollgültigen Darsteller besitzt. Der junge Herr
Albach, dessen Jugend man ungern sich aus dem Burgtheater Epoche des belebten Reifroches Damon und Phyllis bewegte, trotz der nicht eben