II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 664

4.9. Ana
box 9/5
1 Zyklu-
den Sprachengebrauch der den autonomen Behörden wird
achtens, wenn
einer Revision zu unterziehen sein, was um so einwand¬
ur sukzessiven
freier von deutscher Seite verlangt werden kann, als dieser
vornehmen
„Nein,“ erwiderte dieser schüchtern,
„meine Verhält¬
nisse erlauben mir nicht, in solche Lokale
Chopin- und
„Also, das ist ein Riesenpfirsich, der eben im Begriffe
ist, sich in einer Eisobersschaumcreme aufzulösen. Peach
entzückenden
Melbe ist für den Gaumen ungefähr,
was die Palace
wohl gefühlt.
Girls für das Auge sind." Anatol seufzte. Dann fuhr er
d. ich fühlte
fort: „Bald nach Mitternacht wurden die Lichter niedriger
erräter wurde.
gedreht, und die Kellner flüsterten:
„Time, Gentlemen,
zen Röckchen,
time. Kein Mensch rührte sich vom Fleck, nur die
henden Kon-
Stimmen wurden noch gedämpfter.
Ich fand Myrtles
riß und zartest
Hand und sie drückte die meine heftig. „Darf ich Sie nach
ein Dutzend
Haus begleiten?" fragte ich.
„Sie werden mich doch
berücken, alle
nicht allein nach Haus schicken, sagte sie gekränkt. Nun,
hus hüpfend
im Wagen war Myrtle unbeschreiblich süß. Es war mein
.. Ich habe
erstes Abenteuer auf englischem Boden. Meine Gedanken
den. Ich will
wihelten. Wie hatte man mir die Engländerin ge¬
typisch, lehr¬
schildert: kühl, steif, zurückhaltend, leidenschaftslos, prüde?
sen — Myrtle
Pah! Endlich hielt der Taxi vor einem Hause. „You are
ner Weise mit
a pet," flüsterte Myrtle und küßte mich. Als ich ihr nun
an sie stellte,
selbstverständlich ins Haus folgen wollte, geschah das Un¬
wolle. Ihre
erwartete. Myrtle war grenzenlos erstaunt. „Das ist doch
des saphirblau
nicht möglich," sagte sie „Was fällt Ihnen ein? Ich
warf sie mir
wohne hier bei meinen Eltern — und was denken Sie?
: „Ja." Ich
Oh, do be a gentleman!“ Ich war wie vor den Kopf ge¬
sei und daher
stoßen und mußte mich erst zurechtfinden. Myrtle mi߬
Sacher gäbe,
verstand meine Verwirrung und sagte: „You are agent¬
erwiderte sie,
leman"; sie küßte mich noch ganz ungeniert vor dem
et werden wir
Haustor und verschwand in der Tür.
warum sollen
Der Interviewer lachte. „Ja, es gibt hier Chorus
Savoy; dort
Girls, die Ladies sind.
fort ist's viel
Anatol lachte mit. „Dagegen Ladies, die ..."
daß nicht ver¬
„Sie haben jedenfalls Erfahrungen gesammelt?"
bin nicht
Anatol lachte.
inken für sich.
„Ich habe bald herausgefunden", sagte er, „daß man
was die
hier in den besten Kreisen, im Smart Set verkehren muß,
s jedoch der
wenn man sich wirklich amüsieren will. London is nicht
Lind ihr Glas
ganz so grau, wie es von außen aussieht. Kratzt man
schinken. „Ver¬
daran, so merkt man, daß es stellenweise — blau ist.
ein erstauntes
(Anatol sprach diesen Satz englisch aus und machte ein
sen, es war
Melba“.
unübersetzbares Wortspiel. Anm. des Interviewers.) Ich
olen kulinari-
habe gefunden, daß man der Mittelklasse, ich meine natür¬
lich auch der intellektuellen Mittelklasse, zu der hier ebenso
authorchenden
Ballettänzerinnen und Shan Girls gehören können. Streng
des Mittelalters und der Neuzeit verden Gunter (Gescheher eine neue
Israels), Erben (deutsche Kaiserpolitik), Busch (der Krieg neue Univer
ausweichen muß. Ein junger Mann von Distinktion zieht und als
heiratete Fr.
sich in diesen Sphären leicht breach of promise cases
Leslie
zu. Die Mittelklasse ist provinzlerisch, puritanisch, viktoria¬
nisch, imaginationslos, normal, insular, gesund, robust eben aus
und tötlich langweilig. Das sind lauter wundervolle Eigendumm und
Cantab=Boo
schaften für das Rückgrat einer Nation, aber Sie verstehen,
meinen Sp.
daß mich persönlich alle diesen guten Eigenschaften...
immer auf
„Ich verstehe, ich verstehe."
oder wenn
„Ich kam jedoch bald in die richtige Gesellschaft.
Nachmittags
Eines Tages traf ich in einem reizenden Flat in Sloane
Besuche ma
Street vier wunderschöne Frauen beisammen sitzend. Sie
Und
schienen mir der rosigste Strauß, der englischem Boden
wiß.
entwachsen kann, und ich begann in meinem besten Eng¬
Temperame
lisch „die Engländerin zu preisen. Alle vier lachten. „Sie
fabulieren wie ein Irländer," sagte die eine; „das scheint
mir herum¬
das verwandte keltische Blut zu sein. Strengen Sie sich
Er ist mir
übrigens bei mir nicht an, ich bin keine Engländerin, ich
— „Sonst
bin eine Schottin." „Und ich bin eine Irländerin, sagte die
„Zeigt das
Zweite. „Ich wohne allerdings schon zwei Jahre hier¬
ment?
sagte die Dritte (ach, die Dritte...) „aber ich bin eine
machen, al¬
Wienerin." — „Ich bin eine Engländerin," sagte die Vierte.
verpufft er
Diese Vierte hieß Mrs. Chaplin; sie war sechs Fuß hoch,
für ihn, ei
Sie bemerken, daß ich bereits nach englischen Maßen
a
rechne, aber sie war gertenschlank und herrlich gebaut.
-
„Schöner als Myrtle?" warf der Interviewer ein.
nentalen
Sie sprechen wie Max — wie können Sie so etwas
dem zwan
nur miteinander vergleichen! Mrs. Chaplin trug ein
mit Frauen
schwarzes Kleid zu ihrem blonden Haar, und das einzige,
dankbar,
was ich an dieser idealen Frau auszusetzen hatte, war ein
überschreite
ebenso langer, ebenso prachtvoll gebauter junger Bengel,
fast niema
der immer in ihrer Nähe herumlungerte. Ich setzte mich
„Der
neben sie und bewunderte ihr Kleid. „Oh, erwähnen Sie
„vom Din¬
das nicht zu laut," sagte sie lächelnd. „Eine gute, richtige
„Ich b
Engländerin muß im allgemeinen schlecht angezogen
Institution
gehen; das werden Sie ja wohl schon bemerkt haben.
Rolle des
Eine Engländerin, die gut angezogen geht, ist ihren
lächelte fei¬
Mitmenschen gleich verdächtig. Ein Kleid von Poiret oder
sie, „aber
Paquin ist in London sozusagen die auffällige Punze
doch auf
einer leichtsinnigen Seele." — „Wer ist dieser Jüngling,
kriten."
der Ihnen eben den Thee gebracht hat und der jetzt glück¬
drüben ne
licherweise mit einer jungen Dame dort flirtet?" fragte ich.
unseren ei
My tame robin," erwiderte sie, mein zahmer Vogel