II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 700

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4.9. Anatol - Zyklus
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letzten Schrei der Mode. Dies enthüllte mit über würrschten Erfolg, sondern auf allen Gebieten nur schießen (vom vor zwei Jahren gespielten „Franz
bittere Enttäuschung gebracht haben. Da ist nicht
raschender Deutlichkeit der Film „Masberade".
Josef I." bis zum jüngst im Deutschen Volkstheater
Politik
Daß Großmütterchen modern geworden ist, ist natürlicher, als daß wir zunächst einmal die eben uraufgeführten „Doktor Lueger") und daß schließ
sicher mehr als Zufall, wie die Mode überhaupt noch bekämpfte Vorkriegszeit und ihre Mentalität lich die Mehrzahl der letzten Filme in diesen Jahr¬
Verspätung, mit viel weniger als wir glauben das Produkt ge¬ historisch gerecht beurteilen und dann mit Sehn zehnten spielte, beweist, daß es sich hier nicht um
Unmassen von nielen Erfindergeistes eines Modediktators oder sucht die uns nun paradiesisch scheinenden Frie¬ eine reine Mode — oder Regieangelegenheit allein
te wettzumachen der extravaganten Laune eines Stars ist (Girardi¬ denszeiten zurückwünschen — freilich bereichert un
handelt, sondern daß dies vielmehr nur Auswir
kung einer ganz allgemeinen Rückwendung ist
terliche Moden Hut oder neuestens Greta=Garbo- oder Königin, die paar guten Erfahrungen der Nachkriegszeit.
Diesen Weg, den zuerst die Politik in allen
Und nun gehen wir über diese objektive Ein¬
Christine=Kragen). Diese bestimmen vielmehr
überraschung mit
benes Stiefkind, die zufälligen Einzelheiten; das Wesen, der Stil europäischen Ländern energisch eingeschlagen hat
stellung noch hinaus und kleiden uns selber
ist auch die Mode gegangen. Es ist nicht lange her, oder doch zumindest unsere Frauen — im Stil der
Mode zurück. Er einer Mode ist aber stets irgendwie im Zusammen
da lachten wir über die Kleider der Jahrhundert
Vorkriegszeit, aber ohne deshalb den Körper in
t in seiner letzten hang mit den kulturell künstlerischen Strömungen
wende und des Jahrzehntes vor und nachher, und das ungesunde Korsett zu schnüren. In demselben
Pelztasche, in die einer Epoche
Die Gewänder einer nahe vergangenen Zeit in der Karikatur und auf dem Theater dienten si
Maß, wie die Frau von heute wieder viel wenigen
auch die vielen
tun wir ironisch als altmodische Kleider ab, die nur als komisches Requisit. Hier in Graz sehen als gleichberechtigte Berufsgenossin und vermann
seinkaufes der
wir vor zwei Jahren Schnitzlers „Anatol“ vom lichte Garçonne als vielmehr als Frau und Mut
einer länger vergangenen betrachten wir mit Ehr
erfalls auch ih=
sondern als der furcht als „historische Kostüme". Das ist in der Burgtheater in Kostüm der Vorkriegszeit gespielt, ter gelten will, kehrt auch die Mode zu Formen
unsere Mütter in Mode wie in allen übrigen Dingen. In dem Noch zog Frau Seidler im „Abschiedsouper aus zurück, die sie nicht vermännlichen und den semi¬
ches alte Mütter, Streben nach Verbesserung auf allen Gebieten sehen dem Straußenfedernhütchen und dem Kampf mit ninen Gigolos angleichen, sondern ihre weiblichen
der es die Mode wir jede Neuerung gern als Fortschritt an gegen den Hutnadeln komische Wirkung, aber in den Reize heben und in Gegensatz zu der wieder beton¬
inem Muff ließ, über dem überwundenen Alten. Erst wenn wir übrigen Szenen trug das Kostüm bereits wesentlich ten heroisch festen Art des Mannes bringen. An
Rodedame spöttich die nötige Distanz gewonnen haben, läßt objektive dazu bei, die spielerisch-melancholische Grazie einer Stelle des Eton= und Bubenkopfes tritt wieder
Rückschau uns erkennen, daß nicht jeder Schritt vergangenen Epoche zu unterstreichen. Heute spielt eine mädchenhafte oder frauliche Frisur und die
erlichen Spazier
oben sehen, den nach vorne auch zugleich ein Schritt nach aufwärts man allerorten Ibsen= und Hauptmann-Dramen
Kleider sollen die weiblichen Formen nicht ver¬
wünschen wie die war. Und so erscheint uns manches noch eben Be- ohne ungewollte Heiterkeitsausbrüche befürchten zu decken, sondern in ihrer Natürlichkeit wirken lassen.
um das „eiskalte kämpfte als im Grund gar nicht so schlecht. Und müssen, im Kostüm ihrer Entstehungszeit. Daß ab
Wir wundern uns nach dem Gesagten nicht
wenn wir gar erkennen müssen, daß wir, in einem auch bereits vergessene oder überwunden geglaubte wenn das schlichte Mädel, das Paula Wessely in
die übrige Mode Irrtum befangen, in eine Sackgasse geraten sind, Dramatiker dieser Zeit wie z. B. Hermann Suder „Maskerade" als ungesundes Weibsbild in echt
aus der wir nicht aus noch ein wissen, dann sehnen mann mit „Schmetterlingsschlacht", der jüngsten weiblicher Kleidung vor uns hinstellt, die jungen
Zeit der Groß
den Abendkleidern wir uns einfach zurück. So ein Wendepunkt ist „Neuheit" des Wiener Akademietheaters, stärkst
Männer von heute begeistert und den alten liebe
Rüschen, in den für uns gekommen. Wir mußten sehen, daß der Wirkung auf das heutige Publikum üben, daß Erinnerungen wachruft an die Tage, da Gro߬
ferner neue historische Stücke aus dieser geschicht
abendlichen Um¬ Krieg und die nachfolgende Revolution uns poli¬
mütterchen noch jung und die Zeiten noch so schö¬
nen Blusen, dem tisch, wirtschaftlich und kulturell nicht den ge¬ lichen Zeitspanne wie Pilze aus dem Boden waren
Karl Fuchs.