II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 710

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Zykle
4.9. Anatol
Die Soubrette Olly Gebauer gestorben.
Gestern früh ist in einem Wiener Krankenhaus die bekannte
Soubrette Olly Gebauer, 27 Jahre alt, einem schweren Leiden
erlegen. Die blonde, graziöse Künstlerin begann ihre Laufbahn
als Girl im Johann=Strauß=Theater und fiel zum erstenmal auf,
als sie dort in einer Nachmittagsvorstellung die Franzi im
„Walzertraum“ sang. Dann engagierten sie die Brüder Schwarz
für eine Stadttheaterrevue, von dort ging Fräulein Gebauer nach
Berlin und sang die Adele in der „Fledermaus" sowie die Pepi
im „Wiener Blut, mit lebhaftem Erfolg. Vor einiger Zeit drehte
sie einen großen Film in Spanien und trat in der vorigen Spiel¬
zeit in der Komödie und im Bürgertheater als Hauptdarstellerin
in einigen Revuen von Farkas und Grünbaum auf. Im Theater
an der Wien bewies sie in einer Matinee durch die Darstellung
der Anny in Schnitzlers „Abschiedssouper, daß sie auch eine be¬
gabte Schauspielerin ist, der insbesondere Figuren voll wieneri¬
scher Leichtlebigkeit vortrefflich lagen. Das frühe Ableben Olly
Gebauers, die dank ihrer natürlichen Liebenswürdigkeit bei ihren
Kollegen ebenso beliebt war wie beim Publikum, wird lebhaftes
Bedauern hervorrufen.
Moment-Magazin, Wien,
7.
Wie wird man entdeckt?
Ihre telephonische Anfrage, verehrte
gnädige Frau, gilt, wie Sie sagen, zunächst
dem Fall der kleinen Maria Kra-
mer, die jetzt über Nacht plötz¬
lich ein Burgtheaterstar ge¬
worden ist. In Theaterkreisen hat der
große plötzliche Erfolg der jungen Schau¬
spielerin eigentlich nicht überrascht, man
erwartete von dem scheinbar etwas spitzen,
aber sehr beweglichen und anmutigen Ta¬
lent der jungen Schauspielerin immer et¬
was Besonderes und Ungewöhnliches. Ent¬
deckt aber wurde Maria Kra-
mer eigentlich schon vor jetzt
ungefähr drei Jahren, als sie zum
erstenmal die kleine Rolle der
Cora in Schnitzlers „Anatol
spielte (die Kramer war fast direkt von
der Schauspielschule ans Burgtheater ge¬
kommen, aber zunächst nur in ganz win¬
zigen Rollen beschäftigt worden). In
„Anatole stellte sie die neue Direktion
Röbbeling — Röbbeling ist überhaupt ein
besonderer und eifriger Förderer möglichst
junger Mitglieder — heraus. Wie man im
Burgtheater erzählt, war es wie so oft
eigentlich ein Zufall, und zwar der Zu¬
fall einer durch eine andere Rolle ver¬
hinderten älteren Kollegin, der
der kleinen Kramer die Cora Schnitzlers
verschaffte. Aber damals schrieben die
Wiener Kritiker zum erstenmal ein oder
zwei Sätze über Maria Kramer. Und von
diesem Tag an hatte sie das, was man im
Theaterleben ein Profil nennt.
as Wahlreformgesetz jeder von einen Wähler
entbunden werden sollen. Aber noch in einem
anderen Sinne...
Ich fange an, noch weniger zu begreifen, als
früher!
Sprechen wir also ohne Vergleiche, trocken und
deutlich. Die Sache ist gar nicht schwierig, wie es
sich gleich zeigen wird.
Jedermann, der heute Wähler ist für das Ab¬
geordnetenhaus des Reichsrathes, wählt, falls er
das Glück hat, ein landtäflicher Großgrundbesitzer
Eine Liebesheirat.
Der Gerichtssaal ist bekanntlich auch eine Art
Bühne, ein wunderlicher Guckkasten, darin in bunter Fülle
Lebensbilder vorübergaukeln, die zwar nicht künstlerisch
abgetönt, dafür aber das Gepräge voller Wahrhaftigkeit
tragen. Jedes Lebensbild ist natürlich ein Einzelfall, aber
es birgt gewöhnlich auch typischen Gehalt in sich; es
wirft ein scharfes Schlaglicht auf bestimmte Gesellschafts=Kind
schichten und enthüllt deren intimste Anschauungen und arti¬
Empfindungen. Solch ein Fall hat sich dieser Tage vor der
einem hiesigen Bezirksgerichte abgespielt, ein Fall, der alle greif¬
Elemente eines bürgerlichen Familiendramas aufweist. Da licher
ein.
lebt in einer mährischen Fabriksstadt ein reicher Fabrikant,
verle
der Wohlhabendste in seinem Ort. Er hat einen voll¬
Uebe
jährigen Sohn, der bereits die Geschäfte des Hauses leitet.
Dieser junge Mann verliebt sich in ein armes, schönes
sein
Mädchen, in die Tochter eines Schusters. Er findet Gegen¬
Mes¬
liebe. Die Eltern betrachten anfangs die Sache als Liebele
betra¬
und haben dagegen nichts einzuwenden. Es ist ja für
einen jungen Mann ersprießlich, wenn er, bevor er eine zu
standesgemäße Ehe eingeht, sich ein klein wenig austobt.
Und hiefür sind ja die Töchter der Proletarier gut genug
Fabi
Aber der Fabrikantenssohn gehörte nicht unter die
Kategorie jener großstädtischen jungen Lüstlinge, wie
Si
sie Arthur Schnitzler dert. Er war kein Anatol,
Schl
er suchte nicht „Sensationen" zu sammeln, nicht
Futter für seine Nerven. Er hatte das Herz am
jagte
rechten Fleck. Er huldigte der altfränkischen Anschauung,
daß man ein Mädchen, welches man liebt und dem man
die Ehe versprochen, auch dann heiraten müsse, wenn es
arm, wenn es eine Schusterstochter ist. Er machte auch nam
aus dieser ehrenhaften Absicht kein Hehl. Daraufhin allge¬ Bre¬
meines Entsetzen und Entrüstung im väterlichen Hause! inti¬
Hiezu ein Ei