sicht mit dem Prinzlein. Das Weib muß bei diesem blutigen
Handel mit der Fackel leuchten, und ihr Mund, ihre Mienen, ihre
Blicke verraten den Wunsch, daß der Gatte den Tod finden solle.
Die beiden Männer wechseln die Klingen, sie greifen zum Dolche
und der Krämer stößt den Räuber seiner Ehre nieder und erdrossell
ihn. Jetzt soll das Weib den Stich ins Herz empfangen. Sie
aber geht ihm wie entgeistert entgegen, mit ausgebreiteten Armen;
und von wilder Liebe und Leidenschaft bewegt, stammelt sie: „Warum
sagtest du mir nie, daß du so stark bist!“ Und er läßt den Dolch
fallen und antwortet: „Warum sah ich nie, daß du so schön bist!“ In
einem kurzen knappen Akt eine Tragödie der Herzen und der
Sinne; die Untertöne männlichen und weiblichen Gefühls in
Schwingung gebracht
das ist Oskar Wildes Werk aus dem
Nachlaß. Herr Kainz brachte die Figur des Krämers mit pracht¬
vollem Schwung. Erst den messerscharfen Hohn, das Doppelspie“
der Unterwürfigkeit und des Rachegefühls, dann das Sieges¬
bewußtsein des starken Mannes; das war schauspielerische Höhen¬
kunst. Das Publikum dankte ihm enthusiastisch. Frau Medelsky
und Herr Gerasch waren die Darsteller der zwei anderen
Rollen. Der „Florentinischen Tragödie“ folgte als heiterer,
Auftakt ein noch nie in Wien gespielter Einakter aus Artur,
Schnitzlers „Anatols Hochzeitsmorgen“. Es ist ein amüsantes,
keckes Lustspielchen, voll jener Grazie und dem saloppen Witz, die
in dem Anatol=Zyklus schließlich über allen kleinen, dustenden
Gefühlen und Gefühlchen triumphiert. Anatol hat noch in der
Nacht vor seiner Hochzeit die letzte Geliebte in sein Junggesollen¬
heim mitgenommen, und nun ist es Morgen geworden, er muß in
einigen Stunden zum Altar, aber das Mädel will nicht weggehen,
und er traut sich auch nicht zu sagen, daß er heiratet. Bis er's
schließlich doch verrät, sie ihm einen Skandal macht, um endlich
„Auf Wiedersehen!“ zu sprechen. Sie wird sich schon an seiner
Frau rächen, indem sie wieder mit Anatol anbandelt. Der Ein¬
akter rief die heiterste Stimmung wach. Man lachte vergnügt,
unterhielt sich vortrefflich. Herr Kramer war ein famoser Anatol.
Liebenswürdig, elegant und in einer vorzüglich getroffenen ver¬
zweifelten Laune. Fräulein Galafres, als die genasführte
Geliebte, brachte viel Ungeniertheit und Munterkeit mit,
weinte sehr komisch und schlug ganz rabiat um sich. Herr Klitsch
sekundierte Herrn Kramer in guter Haltung als der kühle Freund
Max. Die Matinee brachte auch noch zwei andere unbekannte
Stücke. Von Thaddäus Rittner, dessen dichterische Qualitäten nicht
mehr fremd sind, wurde „Besuch in der Dämmerung“ gespielt,
eine mehr feuilletonistisch gehaltene, feine Skizze, in der ein trost¬
loser Witwer, dem seine Frau eben gestorben ist, zu einer sich
langweilenden, nach einer neuen, großen Liebe sich sehnenden
Dame gerät. Ein schwüles Begehren erfüllt die beiden in der
Dämmerung. Dann leuchtet das Licht auf, der Rausch ist verflogen.
Sehr stimmungsvoll hielt Fräulein Galafres die Situation
fest; HerrEdthofer machte Eindruck mit seiner starren
Ruhe und Herr Leyrer fand für den älteren Freund den ver¬
ärgerten Ehemannskon. Der Einakter „Der Pechvogel“ von
A. M. Willner führte dann ein eigenartiges Genrebild aus der
Zeit der großen französischen Revolu ion vor. Im Gefängnis der.
Con iergerie erwarten vier Personen die Stunde, in der sie zur
Guillotine geführt werden. Darunter ist ein junger Marquis, der
zu einer jungen Schicksalsgenossin in letzter, hoffnungsloser Liebe
entflammt. Der Baron von Bressac legt ihre Hände
ineinander, und als in diesem Augenblicke der Marquis
von dem Kerkermeister zur Richtstätte abberufen., wird,
geht an seiner Steue der Baron; ob jetzt oder früher. Das Paar
soll wenigstens eine Stunde des Gücks genießen. Der Freund¬
schaftsdienst wird verhängnisvoll. Denn der Marquis ist begnadigt
worden und der Baron, der sich für ihn ausgegeben hat, konnte
frei ausgehen, während der Marquis, ein Pechvogel sogar in der
letzten Stunde, unterm Beil verbluten muß. Fräulein Hannemann
war rührend in ihrem Schmerz und von einer herben Innigkeit
wie selten. Auch die Herren Kramer, Edthofer und Fräulein
Schweighofer brachten das kurze, aber theatralisch wir same Stück
zu bester Geltung. Mit den Darstellern erschien auch der Antor
um für den Beifall zu danken.
Telephon 12801.
6
2 u
WTRTRKTTETS SMAN
45
0
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
6
Ausschnitte
0
4
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Gent, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
*
(Quellenangabe ohns Gewähr.)
in Ausschnitt aus:
Tvchimtar Mittags-Zeltung
vom:
(„Concordia“=Matinee.) Im Johann Strau߬
Theater gab's gestern eine interessante Matinee. Vier Einakter,
von denen drei ganz ip heimliches Gesseln geteucht sind; ob¬
wohl aus verschiebeney Zeiten und Rtimitungen heeausgezissen,
ist ihnen ein (seltsaelnex Bug gemeinsam, ein Gemisch von Todes¬
schauer und wilder Lebenslust. Ganz aus der neurasthenischen
Gegenwart heraus die melodramatische Szene „Besuch in
der Dämmerung“ von Thaddäus Rittner. Die Dame,
Fräulein Galafrès, der Herr in Schwarz, Herr Edt¬
hofer. Der zweite Einakter „Der Pechvogel", von
„A. M. Willner, greift in die Pariser Revolutionszeit zurück.
Die letzten Vier einer guillotinereifen Adelsgruppe in der
Conciergerie. Aus den Schrecken der letzten Gefängnisnacht
will junges Liebesleben erblühen, aber der grimmige Henkers¬
knecht knickt es im Keime. Vorzüglich von den Herren Kramer
und Edthofer und Fräulein Hannemann gespielt.
Dann „Eine florentinische Tragödie“ von Oskar
Wilde. Ein knatterndes Eifersuchtsdrama, in einer einzigen
Szene, fast nur in einem einzigen Monolog, so knapp und
wuchtig und jäh anschwellend und doch zuletzt (ganz Oskar
Wilde!) mit einem verblüffenden Ruck aus dem Tragischen ab¬
schnellend. Für Kainz eine Paraderolle, er allein lebt,
schmettert, ist das Drama. Der Applaus, der ihm galt, hatte
vulkanische Formen. Mit „Anatols Hochzeits¬
morgen“ fand die Matineo einen vergnügten Abschluß.
Fräulein Galafrès und Herr Kramer boten ein
amüsantes Pärchen und wuschen alle sentimentale Stimmung mit
ergpicklichstem Lachen weg.
Handel mit der Fackel leuchten, und ihr Mund, ihre Mienen, ihre
Blicke verraten den Wunsch, daß der Gatte den Tod finden solle.
Die beiden Männer wechseln die Klingen, sie greifen zum Dolche
und der Krämer stößt den Räuber seiner Ehre nieder und erdrossell
ihn. Jetzt soll das Weib den Stich ins Herz empfangen. Sie
aber geht ihm wie entgeistert entgegen, mit ausgebreiteten Armen;
und von wilder Liebe und Leidenschaft bewegt, stammelt sie: „Warum
sagtest du mir nie, daß du so stark bist!“ Und er läßt den Dolch
fallen und antwortet: „Warum sah ich nie, daß du so schön bist!“ In
einem kurzen knappen Akt eine Tragödie der Herzen und der
Sinne; die Untertöne männlichen und weiblichen Gefühls in
Schwingung gebracht
das ist Oskar Wildes Werk aus dem
Nachlaß. Herr Kainz brachte die Figur des Krämers mit pracht¬
vollem Schwung. Erst den messerscharfen Hohn, das Doppelspie“
der Unterwürfigkeit und des Rachegefühls, dann das Sieges¬
bewußtsein des starken Mannes; das war schauspielerische Höhen¬
kunst. Das Publikum dankte ihm enthusiastisch. Frau Medelsky
und Herr Gerasch waren die Darsteller der zwei anderen
Rollen. Der „Florentinischen Tragödie“ folgte als heiterer,
Auftakt ein noch nie in Wien gespielter Einakter aus Artur,
Schnitzlers „Anatols Hochzeitsmorgen“. Es ist ein amüsantes,
keckes Lustspielchen, voll jener Grazie und dem saloppen Witz, die
in dem Anatol=Zyklus schließlich über allen kleinen, dustenden
Gefühlen und Gefühlchen triumphiert. Anatol hat noch in der
Nacht vor seiner Hochzeit die letzte Geliebte in sein Junggesollen¬
heim mitgenommen, und nun ist es Morgen geworden, er muß in
einigen Stunden zum Altar, aber das Mädel will nicht weggehen,
und er traut sich auch nicht zu sagen, daß er heiratet. Bis er's
schließlich doch verrät, sie ihm einen Skandal macht, um endlich
„Auf Wiedersehen!“ zu sprechen. Sie wird sich schon an seiner
Frau rächen, indem sie wieder mit Anatol anbandelt. Der Ein¬
akter rief die heiterste Stimmung wach. Man lachte vergnügt,
unterhielt sich vortrefflich. Herr Kramer war ein famoser Anatol.
Liebenswürdig, elegant und in einer vorzüglich getroffenen ver¬
zweifelten Laune. Fräulein Galafres, als die genasführte
Geliebte, brachte viel Ungeniertheit und Munterkeit mit,
weinte sehr komisch und schlug ganz rabiat um sich. Herr Klitsch
sekundierte Herrn Kramer in guter Haltung als der kühle Freund
Max. Die Matinee brachte auch noch zwei andere unbekannte
Stücke. Von Thaddäus Rittner, dessen dichterische Qualitäten nicht
mehr fremd sind, wurde „Besuch in der Dämmerung“ gespielt,
eine mehr feuilletonistisch gehaltene, feine Skizze, in der ein trost¬
loser Witwer, dem seine Frau eben gestorben ist, zu einer sich
langweilenden, nach einer neuen, großen Liebe sich sehnenden
Dame gerät. Ein schwüles Begehren erfüllt die beiden in der
Dämmerung. Dann leuchtet das Licht auf, der Rausch ist verflogen.
Sehr stimmungsvoll hielt Fräulein Galafres die Situation
fest; HerrEdthofer machte Eindruck mit seiner starren
Ruhe und Herr Leyrer fand für den älteren Freund den ver¬
ärgerten Ehemannskon. Der Einakter „Der Pechvogel“ von
A. M. Willner führte dann ein eigenartiges Genrebild aus der
Zeit der großen französischen Revolu ion vor. Im Gefängnis der.
Con iergerie erwarten vier Personen die Stunde, in der sie zur
Guillotine geführt werden. Darunter ist ein junger Marquis, der
zu einer jungen Schicksalsgenossin in letzter, hoffnungsloser Liebe
entflammt. Der Baron von Bressac legt ihre Hände
ineinander, und als in diesem Augenblicke der Marquis
von dem Kerkermeister zur Richtstätte abberufen., wird,
geht an seiner Steue der Baron; ob jetzt oder früher. Das Paar
soll wenigstens eine Stunde des Gücks genießen. Der Freund¬
schaftsdienst wird verhängnisvoll. Denn der Marquis ist begnadigt
worden und der Baron, der sich für ihn ausgegeben hat, konnte
frei ausgehen, während der Marquis, ein Pechvogel sogar in der
letzten Stunde, unterm Beil verbluten muß. Fräulein Hannemann
war rührend in ihrem Schmerz und von einer herben Innigkeit
wie selten. Auch die Herren Kramer, Edthofer und Fräulein
Schweighofer brachten das kurze, aber theatralisch wir same Stück
zu bester Geltung. Mit den Darstellern erschien auch der Antor
um für den Beifall zu danken.
Telephon 12801.
6
2 u
WTRTRKTTETS SMAN
45
0
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
6
Ausschnitte
0
4
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Gent, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
*
(Quellenangabe ohns Gewähr.)
in Ausschnitt aus:
Tvchimtar Mittags-Zeltung
vom:
(„Concordia“=Matinee.) Im Johann Strau߬
Theater gab's gestern eine interessante Matinee. Vier Einakter,
von denen drei ganz ip heimliches Gesseln geteucht sind; ob¬
wohl aus verschiebeney Zeiten und Rtimitungen heeausgezissen,
ist ihnen ein (seltsaelnex Bug gemeinsam, ein Gemisch von Todes¬
schauer und wilder Lebenslust. Ganz aus der neurasthenischen
Gegenwart heraus die melodramatische Szene „Besuch in
der Dämmerung“ von Thaddäus Rittner. Die Dame,
Fräulein Galafrès, der Herr in Schwarz, Herr Edt¬
hofer. Der zweite Einakter „Der Pechvogel", von
„A. M. Willner, greift in die Pariser Revolutionszeit zurück.
Die letzten Vier einer guillotinereifen Adelsgruppe in der
Conciergerie. Aus den Schrecken der letzten Gefängnisnacht
will junges Liebesleben erblühen, aber der grimmige Henkers¬
knecht knickt es im Keime. Vorzüglich von den Herren Kramer
und Edthofer und Fräulein Hannemann gespielt.
Dann „Eine florentinische Tragödie“ von Oskar
Wilde. Ein knatterndes Eifersuchtsdrama, in einer einzigen
Szene, fast nur in einem einzigen Monolog, so knapp und
wuchtig und jäh anschwellend und doch zuletzt (ganz Oskar
Wilde!) mit einem verblüffenden Ruck aus dem Tragischen ab¬
schnellend. Für Kainz eine Paraderolle, er allein lebt,
schmettert, ist das Drama. Der Applaus, der ihm galt, hatte
vulkanische Formen. Mit „Anatols Hochzeits¬
morgen“ fand die Matineo einen vergnügten Abschluß.
Fräulein Galafrès und Herr Kramer boten ein
amüsantes Pärchen und wuschen alle sentimentale Stimmung mit
ergpicklichstem Lachen weg.