II, Theaterstücke 4, (Anatol, 7), Anatols Hochzeitsmorgen, Seite 17

4.7. Anatols Hochzeitsmor
box 8/3
C E E #Emorgen
ru
Dann kam „Der Pechvogel“ von A. M. sendeter, rührender und zugleich mit mehr
Theater und Kunst,
Willner. Eine Szene aus der Con=stolzer Bescheidenheit ausdrücken, daß man sich

0
ciergerie. Aristokraten
sitzen; beisammen
Concordja-Matinee.
in sein Pech schicke. Dieser Abgang war das
im
1000
Kerker, werden nacheinander ab¬
Beste, was man bisher von Herrn Edthofer
Vier Aklene Sticke egaben zusammen
geholt und zur Guillotine geschleppt, und nie¬
gesehen hat. Dann kam „Eine florentinische
eine, jehr Ainteressche Vorstellung, bei der
mand weiß, wer als nächster drankommt. Die
Tragödie" von Oskar Wilde, jene Szene, die
man Lsicht gesterk nächstriklahs im Johann
dramatische Entwicklung, die sich daraus ergibt,
man in seinem Nachlaß gefunden hat. Ein
Striuß=Theater vortrefflich amüsierte, sich
ist auf theatralischem Niveau und aus rein thea¬
Feuerbrand von einer Szene, eine einzige
angeregt und bisweilen auch ein wenig
tralischen Motiven sehr hübsch und sehr geschickt
brausende jäh verlöschende Flamme. Mit
erschüttert fühlte. Zuerst: „Besuch in der
ersonnen. Aber im Dialog gibt es neben etlichen
diesem Abschluß, da die treulose Frau des
Dammerung", von Thaddäus Rittner. Das
Banalitäten auch einige Trostlosigkeiten. So
Kaufmannes, der eben den Prinzen erwürgt
ist ein Schriftsteller von reizvollen Gaben, fein,
sagen diese Aristokraten, die ja natürlich an¬
hat, zu ihrem Gatten begehrlich und bewun¬
geistreich, kultiviert, und in subtilen seelischen
sonsten Deutsch sprechen, in den Augenblicken,
dernd spricht: „Warum host du mir nicht ge¬
Zwischentönen bewandert. Aber er ringt vor¬
7
in denen sie sehr nobel seinsollen: „Aurevoir!“
sagt, daß du so stark bist ...?“ Mit diesem
läufig noch mit seiner Begabung, er ringt noch
und „Bonne chance!“ Das ist ein Unsinn. Die
Abschluß nichts als eine Pointe, ein derber,
um die ernste Plastik des Ausdruckes und um
Herzogin beendigt ein Wortgeplänkel mit der
nicht einmal sonderlich tiefsinniger Witz. Aber
die volle Lebendigkeit seiner zarten Gestalten.
Bemerkung: „Wir brauchen solche graziöse
im Anlauf zu diesem Witz welch eine Pracht
Hier gibt er nichts als ein Gespräch. Zwischen
Emotionen.“ Und ein junges Mädchen, das noch
der Führung, welch ein Tempo, welch ein
einer Kokotte, die sich mit ihrem reichen Lieb¬
nicht sterben will, sagt: „Ich habe heißes,
Sturm der Bravour. Diese Szene ist bis jetzt
haber unsäglich langweilt, und einem Manne,
junges Blut.“ Lieber Gott! Unterhaltungen,
zweimal auf der Bühne erschienen, in Berlin
dem vor kurzem die geliebte Frau gestorben ist,
die auf der Bühne geführt werden, dürfen doch
und in München, und zweimal durchgefallen.
der völlig verstört umhergeht, und sich von un¬
nicht auf der Bühne von eben denselben Per¬
gefähr in das Zimmer der galanter Dame ver¬
Mit Herrn Kainz als Kaufmann Simone,
sonen als . .. graziös gepriesen werden. Und
irrt, ohne zu wissen, wie. Die galante Dame ist
hat sie gestern das Prblikum förmlich über¬
ein Mädchen, von dem der Dichter will, es solle
von diesem Manne fasziniert, dessen Herz jetzt
rannt, und es war ein tobender Erfolg. Unver¬
auf uns als ein Geschöpf mit heißem Blut
niemandem gehört, und dessen Fühlen vor ihr
gleichlich schön ist dieses langsame, tückische und
wirken, darf uns das doch nicht selber sagen.
ausgebreitet liegt wie herrenloses Land, das
kraftvolle Sichaufrichten des gedemütigten
So einsach ist die Sache wirklich nicht; sonst
der Eroberung harrt. Und der Verwaiste amp¬
Mannes zum Herrn, zum Sieger, zum Rächer.
könnte man ja Menschen auftreten lassen, die
findet ihre Zärtlichkeit nur mit den äußersten
Und dieses Fechten mit dem Stoßdegen
von sich erklären: ich bin eine komplizierte
Organen seines Wesens, aber er empfindet, daß
ist ein Moment von unvergeßlicher Schönheit.
Natur! oder: ich bin komisch! Das eine genügt
es die Zärtlichkeit einer Frau ist, deren Manier
Wie da Herr Kainz lauert und kämpft, und wie
nicht, um sich für jemanden zu interessieren, und
ihn Frieren machte, und deren erste Nähe seinen
während des Kampfes sein Entschließen reift
das andere nicht, um über jemanden zu lachen.
Wunden gut tut. Zuletzt aber rstört und er¬
Niemals hat man, wenn zwei sich auf der Bühne
Ohne solche Wendungen wäre „Der Pechvogel“
schüttert dieses Erlebnis, das nu an der Peri¬
mit blanken Waffen gegenüberstehen, die Ueber¬
ein sauberes, wirksames Theaterstück. Der Rot¬
pherie seines Bewußtseins vorübergleitet, seine
zeugung, daß dies wirkliche Waffen sind, nie¬
stift kann diese Sätze wegstreichen. Nur müßte
Seele nur noch tiefer. Dies alles ist sehr fein,
mals das Grauen, es gehe wirklich auf Leben
auch der Verfasser in sich selbst die Möglichkeit
iist besonders nach der menschlichen Seite hin
und Tob. Diesmal hatte man das Grauen wie
von einer angenehmen inneren Vornehmheit
streichen können, solche Sätze niederzuschreiben.
die Ueberzeugung. Die Bianca gab Frau
des Verfassers durchwärmt, aber es ist noch
Dieses Stück wurde von Herrn Kramer mit
Medelsky, beredsam in dem stummen Spiel
nicht bis aufs letzte gelungen. Fräulein Gala¬
einer schmerzlich schönen Noblesse gespielt, von
ihrer Leidenschaft. Den Prinzen spielte Herr
frés trug dieses kleine Stück mit einem vir¬
Fräulein Hannemann mit großem Tem¬
Gerasch, schön und auch sonst angenehm.
tuosen schauspielerischen Takt. Sie trug es ganz perament und von Herrn Edthofer mit
Zuletzt kam „Anatoles Hochzeitsmorgen“ von
allein, denn Herr Edthofer reichte für denk einer ergreifend stillen Liebenswürdigkeit. Herr
Arthur Schnitzler. Die vollkommen ge¬
Herrn in Schwarz nicht aus, und Herr Ley=] Edthofer hat da, im Abgehen, eine Miene und
wichtlose Anmut dieser Szene wurde von Herrn
rer war als „Freund“ zu blaß.
eine Gebärde — man kann es gar nicht voll= Kramer. von Fräulein Galafrés und
M
Herrn Klitsch mit einer wirbelnd leichten
Grazie gespielt und rief wahre Ausbrüche von
f. 8.
Heiterkeit hervor.