II, Theaterstücke 4, (Anatol, 5), Abschiedssouper, Seite 29

4. 5. Abschiedssour
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Nr. 71
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Seschreit u. doct ZeneSscha er.
E 10 78
Raimund-Thrater.
Inano.
Schauspiel in 3 Acten von Hermann Bahr.
Abschiede zuper.
Lustspir. in 1 Act von Arthur Schnitzler.
Der heutige Abend im Raimund=Theater versprach ein recht interessanter
zu werden. Zeitungsnotizen meldeten vor einigen Tagen, dass es Herrn Director
Getike gelungen ist, Fräulein Sandrock für die Darstellung der „Juana“ zu
erwärmen. Soviel Überredungskunst hätte ich Herrn Gettke gar nicht zugetrant.
Alle Achtung! In Fräulein Sandrock wieder muss ich von heute an eine Opfer¬
willigkeit bewundern, die geradezu an classischen Idealismus grenzt. Das Haus
war bis auf den letzten Platz gefüllt, von Premièrenlöwen und =Löwinnen, von
Naivlingen, die ins Theater erregt geeilt kamen, sich auch einmal in eine große
literarische Action hineinzumischen. Endlich hat das Publicum zu spielen auf¬
gehört — das Stück beginnt. Pardon — ich habe mich geirrt — von dem Beginnen
eines Stückes kann nicht die Rede sein, denn „Juana“ ist gar kein Stück. Marquis
del Mantillo, General der Artillerie, hat, wie es die spanische Artillerie in dem
letzten Kriege oft gethan, auch in seiner Ehe vorbeigeschossen. Wenn er sich auch
bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten mit seinem Weibchen Juana
schnäbelt und herzt, so sind die ehelichen Bande dennoch nicht aus Rosen und
Lilien gewunden. Juana ist ein sehr, sehr temperamentvolles Weib. Der fromme
Abbate kann ihr gar nicht schnell genug die Tarantella spielen, der flaumbärtige,
zuckerrohrweiche Lieutenaut Ruiz Navarete nicht intensiv genug lieben. Die Arme
muss alle Kraft und Kunst ihrer sinnliche Heißblütigkeit zusammennehmen, um den #we
Liebhaber immer und immer wieder anzufeiern. Sie ist ein Tigerweib, das bis ins ro.
Abar
tiefste Herzenswinkelchen des Mannes mit den Krallen hineingreifen muss, sich zu sor¬
sättigen. Der General Mantillo ist der bequemste und in solchen Stücken handlichste
Gegensatz. Lammfromm, bieder vom Scheitel bis zur Sohle, vertrauensselig und ist das
es den
obwohl ein stolzer Spanier, eine kleinwinzige Ehemännernatur. Er ist froh, dass p.
sich sein lustiges Weibchen mit dem schmucken Lieutenant belustigen kann, ja selbst,
als er durch drei Wochen anonyme Briefe erhält, in denen er auf das Verhältnis;
seiner Gattin mit dem jungen Herzensfreund aufmerksam gemacht wird, kommt er
gar nicht aus der Fassung, im Gegentheil, besieht sogar mit voller Fassung den
verdächtigten Liebhaber und spricht mit ihm ganz conversationell über die peinliche
Affaire, wirst ihm das Bündel anonyme Briefe wohlgemuth auf den Tisch und gehr
Froh wie ein Schneekönig von dannen, als ihm der ehrenhafte Ruiz das Ehrenwort
givt, dass zwischen ihm und seiner Frau nichts verdächtiges vorliege. Nun kommt
aber das Superlativ seiner stoischen Ruhe in Ehebruchsgeschichten. Im dritten Acte
bekennt sich Herr Ruiz, dass er die Nichte seines Generals, die reizende Angela,
liebt. Juana faucht ihn deswegen wie eine gereizte Katze an und schwört ihm,
für die versagten intimen Liebesdienste bittere Rache. Mit ihrem Sturm im
Inneren erhebt sich auch draußen ein solcher, und als ihr Gatte von einem
tüchtigen Ritt heimkehrt, legt sie sich auf die chaise lonzue und berichtet ihrem
Manne bei elektrischem Licht, flackernden Blitzen und flackernden Kerzen die ganze
Geschichte. Doppelter Donner! Draußen und in der Brust des beirogenen
Gatten. Er befiehlt dem bösen Menschen dienstlich zu erscheinen und nachdem
er von ihm als vorgesetzter General mit „erhobener Faust“ den Degen abver¬
langt, präsentiert er ihm zwei gut erhaltene Revolver, zu eindeutigem Zwecke.
Lieutenant Navarete geht ins Gebüsch und erschießt sich. Juana, die bisher
gemächlich auf der chaise longue gelegen, hat, ohne mit einer Wimper zu zucken,
dem ganzen Schauspiel zugesehen, erhebt sich erst und schreit mit gräfslicher
Verzweiflung. In feierlichem Zuge bringen Diener auf einem in allen Staaten
patentierten Krankenstuhl den erschossenen Jüngling und nun beginnt Heros
Klage an Leanders Leiche. Die Klage steigert sich bis zum Wahnsinn. —
Inana knickt um und liegt manstodt in einem rechtwinkeligen Dreieck über dem
Opfer ihrer Leidenschaft und Rache. Herr Bahr, dieses Stück haben Sie geschrieben,
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