II, Theaterstücke 4, (Anatol, 5), Abschiedssouper, Seite 65

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Reichspost
Ausschnitt aus:
N5 1/797
Theater, Kunst und Musik.
Raimundtheater Mit der Aufführung von
Lum¬
Ernst von Wolzogens Tragikomödie „D
pengesindel" und Schnitzler's Lustspiel „Das
Abschiedssouper Würde gestern das Ensemble¬
Gastspiel von Mitgliedern des Deutschen
Theaters in Berlin eröffnet. Die Tragikomödi“,
die bisher auf den Wiener Bühnen noch nicht ausge¬
führt worden ist, fand Dank der wirkungsvollen Dak¬
stellung auch am Raimundiheater beifällige Aufnahme.
Die Handlung ist eine sehr dürftige und nur im ersten
der Mar##
Ein Ehepaar,
Acte etwas belebt.
sein Eheglück durch die
Schriftsteller, sieht
Tratschsucht einer Zimmervermietherin bebraht, die
an die Vergangenheit der jungen Frau erinnert. Diese
hat es nämlich aus Scham unterlassen, dem Gatten
Mittheitung von ihrem vor Jechren begangenen Fehl¬
tritt zu machen. Sie trifft nun nach Jahren in der
eigenen Wohnung mit ihrem Verführer, in dem sie
einen Freund ihres Gatten sieht, zusammen, befürchtet
eine Entdeckung ihres Verhältnisses und verläßt nach
langem inneren Kampfe das eigen: Heim, Zuflucht
suchend in der Wohnung ihres Vaters. Mittlerweile
erfährt der Gatte die volle Wahrheit, er sucht den
Schwiegervater auf, um sich mit ihm auseinander¬
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zusetzen, und versöhnt sich dabei mit seiner Elsef Die Porto.
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jämmerlichsten Gestalten diesee Bohemia=Gesellschafti#te ist das
lm zu verkörpern hat. Dieser spricht den niederöner: gisshen gteht es den
Abonneme Diglect. Sollte eine Absicht darin liegen, #int lern.
Abonnent Probe Berliner Gemüthlichten sein? Die zweite Dar¬
bietung des Abendes, das Schnitzlerische Machwerk, is
in Wien nicht mahr neu. Die Gäste aus Berlin haben?
gezeigt, daß sie Bühnengewaltige in ihren Reiben haben,
und auch jene, welche nicht in ersten Rollen beschäftigt
waren, verbienen die Censur: Lobenswert.
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Ausschnitt aus: Reichsweh (Wien)
vom 3/16)
Theaker und Kunst.
(Raimund=Theater.) Das Ensemblegastspiel von
Mitgliedern des Deutschen Theaters in Berlin
ist gestern unter zahlreicher Betheiligung des „literarischen
Wien“ eröffnet worden. Man gab Ernst v. Wolzogen's
wachtmeisterlich=psychologische Comödie „Das Lumpen¬
gesinde!". Herr v. Wolzogen hat darin bekanntlich ganz
Erstaunliches an Rührseligkeit und falscher Empfindung geleistet.
Er docirt, wo er lügt, und lügt, wo er docirt. Wie fein
und siligran hat Murger seine Bohsmegestalten erschaffen,
wie derb und gymnasiustenhaft ist dieser deutsche Murger
gerathen! Im ersten, im zweiten, im dritten Act —
immer diese holdselige Rührthräne im deutschen Ange.
Ibsen's „Nora“ ist nach Krähwinkel versetzt. „Das Lumpen¬
gefindel“ oder die unverstandene Wachtmeisterstochter, oder
der hinausgeworfene Commerzienrath, oder „Tanichen
Rosmarin“ rediviva, das Alles wären gleich passende
Titel gewesen. Es gibt Bliemchenkaffee und gibt Bliemchen¬
literatur. Man kann Herrn v. Wolzogen den Vorwurf nicht
ersparen, daß er dieses Geure in die Moderne einge¬
schmnggelt hat. Hu — wie das nach kreuzbraven Proletariern
riecht, wie tiefe Probleme da aufsteigen, wenn Herr
Dr. Friedrich Kern und Herr Wilhelm Kern sich mit Nietzsche
und Schopenhauer an die Köpfe klopfen, wie problematisch
Für und hochdramatisch die Berliner des Herrn v. Wolzogen einher= suslve
Llaufen! Fräulein Elsa Polke, Tochter des Herrn Wachtmeisters scto.
filbar
zPolke, kam vor zweieinhalb Jahren auf einem Künstlerfeste Foraus.
" iczu Falle. Als sie Herrn Dr. Friedrich Kern zum Manne
nahm, verschwieg sie dieses Stückchen Vergangenheit. Und k ist das
Aton daraus macht Herr v. Wolzogen seine Tragicomödie. Ein ht es den
Abon bischen Socialdemokratie, ein bischen ehrlich=deutsch¬
sentimentales
Philisterthum
mit
Gehorsam
viel
langen Beinen läuft
dazwischen.
Bitte,
beacht n Sie dieses Scheusal von einem Commerzienrath, das
im ersten Act hinausgeworfen wird! Kommt herein, ent¬
wickelt seinen Plan, eine neue „deutsche christliche Zeitung“
zu gründen, und verspricht den Brüdern Kern ein bürgerliches
Auskommen. Hier entrüstet sich Herr v. Wolzogen und
marlirt einen moralischen Edelmenschen. Die Brüder Kern
verkaufen ihre Gesinnung nicht um sechstausend Mark. Rühr¬
thränen steigen auf, aber Herr v. Wolzogen vergißt, diesen
ehrenwerthen Brüdern überhaupt eine Gesinnung mitzugeben.
Sietrinken Bier, rauchen Pfeifen, beherbergen allerlei.
Gesindel wie den „Nationalökonomen“ Dippel, den Dichter
Faßmann, die Witwe Schwumbe und die zweifelhafte
Mieze Pickenbach,
sprechen ab und zu verwirrtes
Fünfte=Curien=Deutsch und bemühen sich, auf möglichst lang¬
weilig zu zeigen, wie vortrefflich es ist, we man ehrlich
bleibt. Wir danken für diese Bebelei, für diese ranzigen
Biedermänner, welche eine unverstandene Frau aus dem
Hause treiben, wir wissen, daß derlei Sudermann¬
Freytag'sches Dramengelichter ganz gut in einem Land¬
strich gedeiht, wo David Strauß einst die gesammte deutsche
Aufklärung compromittirt hat, wir kennen diese ausgewachsenen
Candidaten der Philosophie, von denen die Münchener
„Fliegenden“ ihren zahnlosen Humor beziehen, diese biederen
Moralphilister in Bratenröcken, die sich in allen braven
deutschen Familienromanen herumtreiben. Sie sterben nicht
aus, gewiß, aber sie sind schon lange gestorben. Es
ist nicht recht einzusehen, was unsere Berliner Gäste
veranlaßte, zu dieser weinerlich=lächerlichen Comödie,
die ihr Dasein kümmerlich auf den Ruinen deutscher Gelehrten¬
republiken fristet, zu greisen. Herr Woldemar Runge, der
die Regie vortrefflich leitet, erschien vor der Rampe und
dankte im Namen des Autors, den er telegraphisch von
seinem Erfolge zu verständigen versprach. Gewiß, es war