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Freytag'sches Dramengelichter ganz gut in einem Land¬
strich gedeiht, wo David Strauß einst die gesammte deutsche
Aufklärung compromittirt hat, wir kennen diese ausgewachsenen
Candidaten der Philosophie, von denen die Münchener
„Fliegenden“ ihren zahnlosen Humor beziehen, diese biederen
Moralphilister in Bratenröcken, die sich in allen braven
deutschen Familienromanen herumtreiben. Sie sterben nicht
aus, gewiß, aber sie sind schon lange gestorben. Es
ist nicht recht einzusehen, was unsere Berliner Gäste
veranlaßte, zu dieser weinerlich=lächerlichen Comödie,
die ihr Dasein kümmerlich auf den Ruinen deutscher Gelehrten¬
republiken fristet, zu greisen. Herr Woldemar Runge, der
die Regie vortrefflich leitet, erschien vor der Rampe und
dankte im Namen des Autors, den er telegraphisch von
seinem Erfolge zu verständigen versprach. Gewiß, es war
ein Erfolg, aher auch die Wahrheit hat mitunter kurze
Beine. ... Das Ensemble selbst ist glücklich beisammen.
Man spürt etwas von Schule und Milien darin. Die Berliner
declamiren nicht, das thut wohl, sie versuchen, auf der Bühne
gewöhnliche Menschenzu bleiben, das thut noch wohler, sie ignoriren
das Publicum und respectiren den Autor, das thut am
wohlsten. Kainz und Else Lehmann sind ausgeblieben, aber
es sind noch immer tüchtige Leute genug beisammen. Da ist
Fräulein Trenner (als Else), eine etwas herbe Figur
mit norddeutschen Typuszügen. Es scheint, daß sie Herz
hat; ist sie unglücklich und hat sie Fieber, so sieht sie
wirklich leidend aus. Was ihr fehlt, ist schwer zu sagen
sie ist keine Duse und keine Else Lehmann, aber sie
hat es weg, daß man auf dem modernen Theater
keinen Kothurn mehr braucht. Da ist Herr Nissen.
Er gab einen Polizeiwachtmeister mit schnarrendem
Biederton, ganz gut und tüchtig. Seine Gesten sind ein
wenig todt, er steht mit gespreizten Beinen da und rollt die
Augen, wenn er böse wird, besser, er wird böse, wenn er die
Augen rollt; ob er psychologisches Feingefühl hat, wird er
in anderen Rollen zeigen. Leichter Plauderton scheint ihm
fern zu liegen. Herr v. Winterstein (Dr. Kern) hat
Glück in der Maske, in der Aufregung streicht er sich das
Kopfhaar in die Stirne, in kleinen Nuancen verräth er Geist
und Eigenart. Sein College Kayßler (Wilhelm Kern) hat Styl,
ob er Größeres kann, wird sich zeigen. In kleineren Chargen sind
die Herren Reinhardt und Biensfeldt, sowie
die Damen Wilke und Eberty vortrefflich. Herr
Valleutin als Dippel stand auf ungeeignetem Posten,
er wußte nicht, sollte er lächerlich oder auch tragisch sein,
eigentlich war er keines von beiden. Ein noch unreifes
Talent ist Herr Martin, allerdings scheint mit der un¬
möglichen Gestalt des jungen Plattner nichts anzufangen zu
Den Schluß des Abends machte Schnitzler's
sein.
Planderei „Abschiedssonper“, dieser glückliche kleine
Versuch, französische Plaudergrazie nachznahmen. Herr Nissen
hatte darin seine Wachtmeistergrazie nicht abzulegen vermocht.
Dafür schlug Fräulein Schneider als Annie ein virtuoses
Lachen an. Sie war eine vortreffliche Art blonder Bestie.
Essen, Lachen und Plaudern gelingen ihr vortrefflich. Ein
liebenswürdiges Genretalent französischer Provenienz. — Das
Publicum war sehr in Stimmung. Man rief die Gäste
wiederholt und bewies ihnen rege Sympathien. Sie verdienen
es. Ueber Dieses und Jenes wird mehr zu sagen sein, wenn
man sie auf besserem dramatischen Boden zu sehen Ge¬
1.—1.
legenheit haben wird.
Telefon 12801.
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte.
Ausschnitt
„OBSERVER“ N. 68
105
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1. Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest: „Figyelé“
Vertretungen in Berlin, Chicago, London, Nowyork, Paris, Stockholm.
Ausschnitt aus: Berliner Vageblatt
vom 3/2.26
* Verki#er Künfiler in Wien. Ueber das Gastspiel von Mit¬
giedern des Deutschen Theaters in Wien weldet uns ein
##elegramm: Das Berliner Künstlerensemble exöffnete
gestern seine Vorstellungen im Raimund=Theater mit Wolzogens
„Lumpengefindel“ und Schnitzlers „Abschiedssouper“. Der Erfolg des
vorzüglichen Zusammenspiels mit seiner Herausarbeitung ausgezeich¬
neter Milienstimmungen war unbestritten. Wolzogens Stück interessirte
sehr in den ersten Akten, befremdete aber in den letzten. Doch konnte
der Regisseur Runge für die freundliche Aufnahme der Gesellschaft
und für den Erfolg des Stückes danken. Die tüchtigen Leistungen
Nissens und in einzelnen Szenen auch Wintersteins wurden
anerkannt. Weniger gefiel das „Abschiedssouper“ in der gebotenen
Darstellung.
Bezigs-Bedingungen.
Für 50 Zeitungsauschnitte (Artikel oder Notizen)
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Abonnement durch keine bestimmte Zeitdauer begrenzt; — auch steht es den
Abonnenten frei die aufgegebenen Themen zu ergänzen oder zu ändern.
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strich gedeiht, wo David Strauß einst die gesammte deutsche
Aufklärung compromittirt hat, wir kennen diese ausgewachsenen
Candidaten der Philosophie, von denen die Münchener
„Fliegenden“ ihren zahnlosen Humor beziehen, diese biederen
Moralphilister in Bratenröcken, die sich in allen braven
deutschen Familienromanen herumtreiben. Sie sterben nicht
aus, gewiß, aber sie sind schon lange gestorben. Es
ist nicht recht einzusehen, was unsere Berliner Gäste
veranlaßte, zu dieser weinerlich=lächerlichen Comödie,
die ihr Dasein kümmerlich auf den Ruinen deutscher Gelehrten¬
republiken fristet, zu greisen. Herr Woldemar Runge, der
die Regie vortrefflich leitet, erschien vor der Rampe und
dankte im Namen des Autors, den er telegraphisch von
seinem Erfolge zu verständigen versprach. Gewiß, es war
ein Erfolg, aher auch die Wahrheit hat mitunter kurze
Beine. ... Das Ensemble selbst ist glücklich beisammen.
Man spürt etwas von Schule und Milien darin. Die Berliner
declamiren nicht, das thut wohl, sie versuchen, auf der Bühne
gewöhnliche Menschenzu bleiben, das thut noch wohler, sie ignoriren
das Publicum und respectiren den Autor, das thut am
wohlsten. Kainz und Else Lehmann sind ausgeblieben, aber
es sind noch immer tüchtige Leute genug beisammen. Da ist
Fräulein Trenner (als Else), eine etwas herbe Figur
mit norddeutschen Typuszügen. Es scheint, daß sie Herz
hat; ist sie unglücklich und hat sie Fieber, so sieht sie
wirklich leidend aus. Was ihr fehlt, ist schwer zu sagen
sie ist keine Duse und keine Else Lehmann, aber sie
hat es weg, daß man auf dem modernen Theater
keinen Kothurn mehr braucht. Da ist Herr Nissen.
Er gab einen Polizeiwachtmeister mit schnarrendem
Biederton, ganz gut und tüchtig. Seine Gesten sind ein
wenig todt, er steht mit gespreizten Beinen da und rollt die
Augen, wenn er böse wird, besser, er wird böse, wenn er die
Augen rollt; ob er psychologisches Feingefühl hat, wird er
in anderen Rollen zeigen. Leichter Plauderton scheint ihm
fern zu liegen. Herr v. Winterstein (Dr. Kern) hat
Glück in der Maske, in der Aufregung streicht er sich das
Kopfhaar in die Stirne, in kleinen Nuancen verräth er Geist
und Eigenart. Sein College Kayßler (Wilhelm Kern) hat Styl,
ob er Größeres kann, wird sich zeigen. In kleineren Chargen sind
die Herren Reinhardt und Biensfeldt, sowie
die Damen Wilke und Eberty vortrefflich. Herr
Valleutin als Dippel stand auf ungeeignetem Posten,
er wußte nicht, sollte er lächerlich oder auch tragisch sein,
eigentlich war er keines von beiden. Ein noch unreifes
Talent ist Herr Martin, allerdings scheint mit der un¬
möglichen Gestalt des jungen Plattner nichts anzufangen zu
Den Schluß des Abends machte Schnitzler's
sein.
Planderei „Abschiedssonper“, dieser glückliche kleine
Versuch, französische Plaudergrazie nachznahmen. Herr Nissen
hatte darin seine Wachtmeistergrazie nicht abzulegen vermocht.
Dafür schlug Fräulein Schneider als Annie ein virtuoses
Lachen an. Sie war eine vortreffliche Art blonder Bestie.
Essen, Lachen und Plaudern gelingen ihr vortrefflich. Ein
liebenswürdiges Genretalent französischer Provenienz. — Das
Publicum war sehr in Stimmung. Man rief die Gäste
wiederholt und bewies ihnen rege Sympathien. Sie verdienen
es. Ueber Dieses und Jenes wird mehr zu sagen sein, wenn
man sie auf besserem dramatischen Boden zu sehen Ge¬
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* Verki#er Künfiler in Wien. Ueber das Gastspiel von Mit¬
giedern des Deutschen Theaters in Wien weldet uns ein
##elegramm: Das Berliner Künstlerensemble exöffnete
gestern seine Vorstellungen im Raimund=Theater mit Wolzogens
„Lumpengefindel“ und Schnitzlers „Abschiedssouper“. Der Erfolg des
vorzüglichen Zusammenspiels mit seiner Herausarbeitung ausgezeich¬
neter Milienstimmungen war unbestritten. Wolzogens Stück interessirte
sehr in den ersten Akten, befremdete aber in den letzten. Doch konnte
der Regisseur Runge für die freundliche Aufnahme der Gesellschaft
und für den Erfolg des Stückes danken. Die tüchtigen Leistungen
Nissens und in einzelnen Szenen auch Wintersteins wurden
anerkannt. Weniger gefiel das „Abschiedssouper“ in der gebotenen
Darstellung.
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