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endlich kommt der Entschluß: sie will ihrem Manne ein
großes Opfer bringen, indem sie ihn verläßt und zu
ihrem alten Vater flüchtet. Der Bruder aber, der ist
doch der allein Gescheidte: Er hat längst die Sache durch¬
schaut und der Frau Recht gegeben. In seiner brüder¬
lichen Liebe besteht er auf der Trennung von seinem
Bruder und beseitigt so sich selbst als den Stein des Ausloßes.
Durch ihn wird Fritz erst auf die Situation aufmerksam
und schließlich zu der Gattin zurückgeführt, und die Sache
hat ein gutes Ende. Der Stoff reicht für sich zu einem
Stücke aus, und Wolzogen hat namentlich durch die übrigens
ganz einheitlich angebrachte Scene, in welcher sich die
herabgekommenen Leute aus „Genieland“ bei den Brüdern
versammeln, dem Stücke einen unverwüstlichen Untergrund
geschaffen. Dies ist aber leider nicht das ganze Stück. Ein
unglückseliger Gedanke veranlaßte den Autor, durch dieses
eine Sujet noch ein zweites zu flechten, einen Jugend¬
„fehler der Frau sozusagen bei den Haaren herbeizuzerren,
den sie ihrem vor Allem die Lüge unerbittlich hassen¬
den Manne bisher verschwiegen hatte, den er erst von
anderer Seite just in dem Augenblicke erfährt, in welchem
sie den Gatten verläßt. Herr Wolzogen hat damit das
(Stück verdorben; er hat den in der Logik gerügten
Fehler begangen, daß man, wenn man zu viel
beweist, nichts beweist. Er hätte sich dann auch die
traurige Wiener Figur erspart, welche Alles ist, nur
kein Wiener. Diesen Incongruenzen galt denn auch das
Zischen, welches allerdings der Verblüffung wich, als der
Regisseur vor die Rampe trat und dem Publicum an¬
kündigte, „er werde dem nicht anwesenden Dichter die
gute Aufnahme des Stückes telegraphisch anzeigen“. Diese
in Wien nicht übliche Art, mit dem Autor durch Ver¬
mittlung des Regisseurs intimere Beziehungen anzu¬
knüpfen, gab der Stimmuna für einen Augenblick eine
heitere Richtung. Unter den Schauspielern war es nun
besonders Herr Nissen, welchen man mit Neugierde
erwarlete. Er sand auch im letzten Act als „Wachtmeister“
Gelegenheit, sein starkes Temperament und das sorg¬
fältige Studium dieses Theiles seiner Rolle zu zeigen.
Im Uebrigen war das Terrain zur Entsaltung seiner
Anlagen vielleicht zu wenig breit. Sein Name aber er¬
weckte, da bekanntlich sowohl Frau Lehmann als auch
Herr Kainz aus verschiedenen Gründen nicht mitgekommen
sind, nichtsdestoweniger die meiste Aufmerksamkeit.
Wirklich stark und auffallend trat als künstlerische
Leistung nur die Rolle des „Bruders“ hervor. Herr
Fr. Kayßler spielte diesen Bruder wahrhaft ergreifend.
Dieser Schauspieler scheint aus dem Holze der Giampetros
zu sein, jener Künstler, welche jedes Detail bis zur seinsten
Sauberkeit ausarbeiten und doch nicht der Gefahr des
Specialismus verfallen, sondern das, was sie gelernt
haben, so souverän beherrschen, wie der Wohlerzogene die
Manieren, die ihm die Erziehung und das Beispiel ein¬
geprägt haben. Auch der Hauptheld „Friedrich Kern“ sand
in der Person des Herrn von Winterstein eine sehr
gute Vertretung. Was aber der Figur an einigen mar¬
kanten Stellen fehlte, war die tiefe, weiche Wärme,
welche doch dem Charakter dieser Rolle immanent sein sollte
da sonst das Unglück der Frau Doctor Kern an Begreiflich¬
keit nothwendigerweise einbüßen muß. In der unerquick¬
lichen Rolle dieser Dame konnte sich Frau Annie Trenner
nicht so viel Sympathien erwerben, als ihrer recht guten
Darstellung eigentlich gebühren. Auch von den Anderen,
zum Beispiel von den Herren Reiuhardt, Vallentin
ist das Niveau der künstlerischen Gewöhnlichkeit durchaus
überschritten worden. In der Moderation, mit welcher
Frau Eberty die leicht zu stark auflodernde Rolle der
„Mieze“ gab, offenbart sich ein bemerkenswerther künstleri¬
scher Verstand. Gut spielten sie Alle; auch das Cusemble war
gut, worauf man ja in Berlin hohen Werth legt. Indessen
haben wir solche Ensembles, wenn nicht noch höher
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ernehmen für Zeitungs-Ausschnitte.
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I. österr. behördl. cone. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1. Türkenstrasse 17.
Fillale in Budapest: „Figyelé“ —
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D
Raimund=Theater“
Als seinerzeit an irgend einer kleinen Provinzbühne ein großer deutscher
Bühnenkünstler oostirte, du gescheh etwas Selisames. Wie ein Mann erhob sich
die Localpresse des Ottes und erklärte, daß verarlige Gastsviele für die betreffende
Theaterdirection nur unvortheilhaft wären, weil sie das Publicum in seinen An¬
sprüchen verwöhnte. Aehnliches dürfte sich bei den Besuchern des „Raimund¬
stheaters bemerkbar machen, auf dessen Brettern Mitglieder des „Berliner
Deutschen Theaters“ ein Gastspiel absolviren. Ohne künstlerisch hervor¬
ragend zu sein, bieten die Gäste in der Darstellung der Stücke Leistungen, die
einer Großhadtbühne durchaus würdig sind, und hat man ein derari ab¬
gerundetes Ensemble, und eine solche verständnitzvolle Regie,
mon gab
Wolzogen's „Lumpengesindel", in der Wallgasse noch nicht
gesehen. Von den Darstellern.
seien die Herren Rissen, Winter¬
stein und Frl. Trenner hervorgehoben. Weniger konnte man sich mit
Frl. Schneider, die in Schnipler's Abschiedscoupé auftrat, be¬
freunden, der selbst vollendetste Galanterie kein Compliment in Bezug auf Schön¬
heit machen könnte, ohne erröthen zu müssen. Auch scheint sie uns künstlerisch
für die anfangs signalisirte Elsa Lehmann kein vollwerthiger Ersatz, indem
Irl. Schneider in die Gattung jen#e rontinirten guten Schauspielerinnen?
angirt, wie wir ihnen selbst in den Provinzen dutzendweise begeanen.
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Abonnenten frei die aufgegebenen-Themen zu ergänzen oder zu ändern.
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ihrem alten Vater flüchtet. Der Bruder aber, der ist
doch der allein Gescheidte: Er hat längst die Sache durch¬
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lichen Liebe besteht er auf der Trennung von seinem
Bruder und beseitigt so sich selbst als den Stein des Ausloßes.
Durch ihn wird Fritz erst auf die Situation aufmerksam
und schließlich zu der Gattin zurückgeführt, und die Sache
hat ein gutes Ende. Der Stoff reicht für sich zu einem
Stücke aus, und Wolzogen hat namentlich durch die übrigens
ganz einheitlich angebrachte Scene, in welcher sich die
herabgekommenen Leute aus „Genieland“ bei den Brüdern
versammeln, dem Stücke einen unverwüstlichen Untergrund
geschaffen. Dies ist aber leider nicht das ganze Stück. Ein
unglückseliger Gedanke veranlaßte den Autor, durch dieses
eine Sujet noch ein zweites zu flechten, einen Jugend¬
„fehler der Frau sozusagen bei den Haaren herbeizuzerren,
den sie ihrem vor Allem die Lüge unerbittlich hassen¬
den Manne bisher verschwiegen hatte, den er erst von
anderer Seite just in dem Augenblicke erfährt, in welchem
sie den Gatten verläßt. Herr Wolzogen hat damit das
(Stück verdorben; er hat den in der Logik gerügten
Fehler begangen, daß man, wenn man zu viel
beweist, nichts beweist. Er hätte sich dann auch die
traurige Wiener Figur erspart, welche Alles ist, nur
kein Wiener. Diesen Incongruenzen galt denn auch das
Zischen, welches allerdings der Verblüffung wich, als der
Regisseur vor die Rampe trat und dem Publicum an¬
kündigte, „er werde dem nicht anwesenden Dichter die
gute Aufnahme des Stückes telegraphisch anzeigen“. Diese
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heitere Richtung. Unter den Schauspielern war es nun
besonders Herr Nissen, welchen man mit Neugierde
erwarlete. Er sand auch im letzten Act als „Wachtmeister“
Gelegenheit, sein starkes Temperament und das sorg¬
fältige Studium dieses Theiles seiner Rolle zu zeigen.
Im Uebrigen war das Terrain zur Entsaltung seiner
Anlagen vielleicht zu wenig breit. Sein Name aber er¬
weckte, da bekanntlich sowohl Frau Lehmann als auch
Herr Kainz aus verschiedenen Gründen nicht mitgekommen
sind, nichtsdestoweniger die meiste Aufmerksamkeit.
Wirklich stark und auffallend trat als künstlerische
Leistung nur die Rolle des „Bruders“ hervor. Herr
Fr. Kayßler spielte diesen Bruder wahrhaft ergreifend.
Dieser Schauspieler scheint aus dem Holze der Giampetros
zu sein, jener Künstler, welche jedes Detail bis zur seinsten
Sauberkeit ausarbeiten und doch nicht der Gefahr des
Specialismus verfallen, sondern das, was sie gelernt
haben, so souverän beherrschen, wie der Wohlerzogene die
Manieren, die ihm die Erziehung und das Beispiel ein¬
geprägt haben. Auch der Hauptheld „Friedrich Kern“ sand
in der Person des Herrn von Winterstein eine sehr
gute Vertretung. Was aber der Figur an einigen mar¬
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welche doch dem Charakter dieser Rolle immanent sein sollte
da sonst das Unglück der Frau Doctor Kern an Begreiflich¬
keit nothwendigerweise einbüßen muß. In der unerquick¬
lichen Rolle dieser Dame konnte sich Frau Annie Trenner
nicht so viel Sympathien erwerben, als ihrer recht guten
Darstellung eigentlich gebühren. Auch von den Anderen,
zum Beispiel von den Herren Reiuhardt, Vallentin
ist das Niveau der künstlerischen Gewöhnlichkeit durchaus
überschritten worden. In der Moderation, mit welcher
Frau Eberty die leicht zu stark auflodernde Rolle der
„Mieze“ gab, offenbart sich ein bemerkenswerther künstleri¬
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sprüchen verwöhnte. Aehnliches dürfte sich bei den Besuchern des „Raimund¬
stheaters bemerkbar machen, auf dessen Brettern Mitglieder des „Berliner
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ragend zu sein, bieten die Gäste in der Darstellung der Stücke Leistungen, die
einer Großhadtbühne durchaus würdig sind, und hat man ein derari ab¬
gerundetes Ensemble, und eine solche verständnitzvolle Regie,
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Wolzogen's „Lumpengesindel", in der Wallgasse noch nicht
gesehen. Von den Darstellern.
seien die Herren Rissen, Winter¬
stein und Frl. Trenner hervorgehoben. Weniger konnte man sich mit
Frl. Schneider, die in Schnipler's Abschiedscoupé auftrat, be¬
freunden, der selbst vollendetste Galanterie kein Compliment in Bezug auf Schön¬
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