II, Theaterstücke 4, (Anatol, 5), Abschiedssouper, Seite 136

Abschiedssouper
4.5. box 8/2
Dr. Max Goldschn.
e Bureau für
Zeitungsausschnitte
Berlin N. 24.
Telephon: III, 3051.
Ausschnitt aus
Mheinisch-Mestph. Zeitung, Essen
12 APR. HA—
G. Essen, 11. April. Literarische Gesellschaft. Die „Lite¬
rarische Gesellschaft“ bot ihren Mitgliedern am Sonn¬
tag, in ihrer diesjährigen fünften Matines, wiederum ein ge¬
wähltes Programm. Die Veranstaltung kann im ganzen als
gut gelungen bezeichnet werden. An erster Stelle standen Vor¬
träge von Prosa= und Versdichtungen in süddeutscher Mundarl
vom kgl. bayerischen Hofschauspieler Max Hofpauer. Herr
Hofpauer — der frühere rührige Direktor des Berliner „Theater
sprach mit einer meisterhaften Schlichtheit und
des Westens“
Charakterisierung. Worte des Lobes wären hier unangebracht:
nur Dank kann seine Darbietungen in genügender Weise zu
lohnen suchen. Nach einem kurzgefaßten literarischen Vorwort
folgten in trefflicher Auswahl Proben aus den Dialektdichtungen
Peter Roseggers, Karl Schönherrs, Ludwig
Anzengrubers, Karl Stielers und Otto
Sommerstorfs. Arthur Schnitzlers „Abschieds=Souper“
das nächst den vermitterden— Serentssimns=Zwischenspielen“,
das weitere Programm ausmachte, fiel gegen die letzteren, wie
auch gegen die Hofpauerschen Vorträge, leider ab. Schnitzlers
„Abschieds=Souper“ ist an sich kein stark pointiertes Bühnen¬
werk, wenn zu diesem dann noch das Spiel der Darsteller
schleppt, geht das Wenige des Situationshumors ganz verloren.
Wäre die Szene geschickter ausgenutzt, intimer gestaltet worden,
hätte man den Darstellern eine große Erleichterung ihrer Auf¬
gaben bereiten können! Die „Serenissimus=Zwischenspiele", die
Ueberleitung und Nachspiel bildeten, erzielten, durch die treff¬
liche Regie des Herrn Hans Bacmeister, den echten Charakter
der Improvisation. Alles war mit Geschick und feinem Situa¬
tionsverständnis vorbereitet und gelang so zum Besten. Herz
Klug gab seinen Serenissimus“ mit ausgezeichneter Charakleri¬
sierung. Bis in die kleinsten Nüancen war seine Darstellung ge¬
wählt und von feinkünstlerischer Komik durchwirkt. Ein Aehn¬
liches ist von Herrn Gutters „Kindermann“ zu sagen. Gut unterz
stützte auch Herr Gode das Spiel als „Dichter Schlenkrich“ bom
Parkett aus.
Telephon 12801.

JODSCHER
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Wien, I., Concordiaplatz 4.
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(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
General-Anzeiger für Dusseidort
vom:

B
Schauspielhaus.
„Abschieds=Souper.“
I Düsseldorf, den 22. Mai 1906.
Zwischen Hartlebens geistvoll=amüsanter „Sittlicher
Forderung" und Mongrés träftiger Satire „Der Arzt
seiner Ehre“ ging heute vor Serenissimus erstmalig
„Abschieds=Souper“ von Axtur Schnj##er in Szene. Es 2.
5
ist dieses Lustspielchen deach Einalter,
womit Schnitzler 1893 zuerst seinen Dichterruf be¬
gründet hat. Nach dem verliebten Helden= Anatol, der
mit seinem Freunde Max in jeder dieser Szenen auf¬
tritt, während die allen Kreisen angehörenden Ge¬
s9
liebten Anatols beständig wechseln, ist das Ganze be¬
titelt, von dem der graziöse Prolog sagt:
Die Komödie unfrer Seele,
Unsres Fühlens heut' und gestern,
Böser Dinge hübsche Formel,
Glatte Worte, bunte Bilder,
Halbes, heimliches Empfinden,
Agonieen, Episoden.
Ein drolliges Motiv behandelt das „Abschieds¬
Souper": Anatol trifft sich mit seiner Geliebten, der
Tänzerin Annie, beim Souper, um ihr Adien
Eroberung
zu sagen, da er einer anderweitigen
in einen
entgegen geht, ebenso wie Annie sich
anderen verguckt hat, und so sehr sie beide
vorher gewünscht hätten, daß der Abschied voll¬
Eitelkeit verletzt?
zogen sei, so sehr wird ihre
durch das gegenseitige Geständnis. Aber trotz dieser
Drolligkeit des Motivs erhält die Aufführung des
Stückchens doch leicht einen für das sittliche Gefühl des
Zuschauers unangenehmen Beiton. Denn so vie
natürliche, echt wienerische Anmut Schnitzler auch ba
sitzt, die Anmut, die Musset und Murger beispiels
weise in solchen kecken Liebesabenteuern aus der Welte
in der man sich nicht langweilt, entwickeln, ist ihm?
doch nicht eigen. Es muß durch die Darstellung die
zugrunde liegende frivole Genußsucht verdeckt werden
durch Stimmung, wie Anatol selbst im dritten Einakier,
„Evisode“ sie schildert. Alle, die er liebe, tauchten in
diesem wahren Zauberborne unter und brächten ihm
einen sonderbaren, berauschenden Duft von Aben¬
teuern und Seltsamkeit. „Und das macht mir das
Leben so vielfältig und wandlungsreich, daß mir eine
Farbe die ganze Welt verändert. Tausend andere
tappen hinein in irgend ein Abenteuer, brutal, mit
offenen Augen, aber mit verschlossenem Sinn, und es
bleibt farblos für Euch! Aus meiner Seele aber, ja,
aus mir heraus blitzen tausend Lichter und Farben
drüber hin, und ich kann empfinden, wo Ihr — nur
genießt.“ Hierin und in einer gefälligen Liebens¬
würdigkeit, die sich selbst in den ernsthaftesten Effekten
nicht verleugnen darf, liegt der Schlüssel zur Dar¬
stellung aller Anatolszenen, und daran hielt sich denn
auch das Schauspielhaus heute Abend bei Wiedergabe
des „Abschieds=Souper“, das so einen lebhaften Erfolg
erringen konnte. Herr Kühne spielte den Anatol
völlig in gedachtem Sinne, mit frischem Humor und
aller wünschenswerten Leichtigkeit Frl. Körners
Annie war ein resches und fesches süßes Weaner Madl,
dem auch die schließliche Unverschämtheit noch außer¬
ordentlich niedlich zu Gesicht stand, und Herr
[Stöckel erstellte als Max einen fröhlichen Dritten
im Bunde. Die Regie hatte Herr Dr. Eulenberg
besorgt.