II, Theaterstücke 4, (Anatol, 5), Abschiedssouper, Seite 161

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Abschiedsscuper
4. 5. een —n Men
Mortag m. d. Spertmentag#
27. 0EZ. 1931
Silvesterfeier des Klubs der Harmlosen. Das Präsidium
des Klubs der Harmlosen veranstaltet, den Wünschen der Mit¬
glieder entsprechend, Donnerstag, den 31. Dezember, im Mili¬
tärkasino, Schwarzenbergplatz, eine auch geladenen Gästen zu¬
gängliche große Silvesterfeier mit Bal masque. Beginn 9 Uhr.
Tanzmusik der verstärkten Jazzorchester Max Geiger und
Dr. Philipp de la Cerda. Um 10 Uhr Aufführung von Ar¬
thur Schnitzlers Abschiedssouper unter Regie des
Prof. Seydelmann vom Burgkheäter. 11 Uhr Souper di¬
natoire. Um dreiviertel 12 Uhr Gelegenheitsdichtung „1931 bis
1932“, Schatten= und Lichtbild von „Fernande Brückner“. Von
dreiviertel 12 Uhr bis 12 Uhr bleiben die Saaltüren geschlossen.
12 Uhr „An der schönen blauen Donau“ Damenwahl. 1 Uhr
Einzug der Deutschmeister. 2 Uhr English Songs, Chansons
Françaises. 3 Uhr Rumba=Rummel. Zu dieser Veranstaltung
sind gegen Vorweisung der Einladung auf Namen lautende
Karten samt Souper=Kupon zu 10 Schilling, ohne Sauper zu
6 Schilling im Komiteelokal, 1. Bez., Schwarzenbergplatz 1, und
im Klubsekretariat, 19. Bez., Grinzinger Allee 17 (Tele¬
phon B=10=0=84) zu haben. Daselbst werden auch Tischvormer¬
kungen in der Reihenfolge des Einlaufes entgegengenommen.
Damen Abendtoilette oder Ballkostüm, Herren Smoking oder
Frack.
„OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZELLE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
B. Z. am Eittag, Bertie
25.107 033
vom:
Schnitzlers „Abschiedssouper“
kommt am I. April im Kabarett der Komiker
mit Maria Paudler, Harry Hardt und
Oskar Sima in den Hauptrollen zur Erst¬
aufführung. Die Inszenierung besorgt Kurt
Robitschek.
I. Oesterr.
LODSEAGEK behördl. konz.
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Büro für Zeitungsnachrichten
WIEN I, WOLLZEILE 77
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Berliner Pansenzeitund, Boplin
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8. APn. 105
Varieté oder Kabarett?
Kabarett der Komiker im April.
Zur „Scala“, zum Varieté, fehlt dem Kabarett am
Lehnmer Platz nur das Fräulein Nummer. Es hat die
Wandlung — zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag — von
der großen Kleinkunstbühne zum kleinen Warenhaus für
große Kunst gut überstanden. Neben artistischen Sensa¬
tionen u. a. eine Opernsängeein von Ruf (Anni Frind
ist es in diesem Monat), das kurze wirksame Theaterstück
eines prominenten Autors. Der Schnellbetrieb läuft
pausenlos, auch die Ansage das Merkmal des Kabaretts,
ist entpersönlicht, aus dem Programm gerissen, das es nicht
mehr bindet und zusammenschweißt, sondern in dem es
auch nur eine Nummer ist im artistischen Sinn. Ob dieser
Stil beim Publikum einschlägt, bleibt abzuwarten.
In seiner Art ein ausgezeichnetes Programm. Car¬
dini, ein Illusionskünstler, vereinigt in geschickter Weise
verblüffende Technik, magische Gebärde und die Ironie des
Zauberkünstlers, gegen seinen Willen produktiv zu sein:
die in seiner Hand sich immer wieder entzündenden Ziga¬
retten sind bestes Beispiel dafür. Während dieser mit
spielerischer Gewandtheit und unsichtbar seine Tricks er¬
ledigt, hat es der Jongleur Crockett schwerer. Im Gegen¬
satz zu Cardini, der aus dem Ueberraschungsmoment profi¬
tiert, hat hier das Publikum die Möglichkeit der Kontrolle,
es kann die Schwere der Aufgabe an der Geschicklichkeit
messen und so fort. Crockett, der so in der Erinnerung
verblaßte, zeigte eine ausgezeichnete, gut abgerundete
Nummer. Von den Tänzerinnen gefiel nur die lustige Er¬
scheinung der Parodistin Annemarie Korff. Ein Sketch
von Robitschek „Frau Potiphar“ zeigt Paul
Morgan, die hübsche Lia Dahms und den netten
Peter Wolff.
Arthur Schnitzlers „Abschiedssouper“ war
der Höhepunkt des Programms. Abschied — das Wort um¬
schließt die gesammelten Werke des Wiener Dichters, das
Müde, Resignierende und die Weltuntergangsstimmung.
Das Auseinandergehen zweier Liebender, zuerst in zartem
Takt, plötzlich flammt der Haß zwischen ihnen auf — und
als wäre niemals Liebe zwischen ihnen gewesen, läßt sie
der Dichter, bitterböse und zynisch, mit dem prahlerischen
Geständnis der Untreue einander zerfleischen. Robitschek
betont das Schwankmäßige, auf Kosten der psychologischen
Sezierarbeit, er setzt Naturalismus auf Impressionismus
und gewinnt bei seinem Publikum. Oskar Sima steht
mit beißendem Humor zwischen dem gutbefrackten Anatol
des Herrn Hardt und der kessen Choristin der Olly
Gebauer. Etwas mollig, scheut sie nicht vor entstellen¬
den Wirkungen zurück, zeigt den sozialen Unterschied
zwischen der kleinen Choristin und den feinen Liebhaber,
vergröbert und verzerrt ihre Rolle ins Grausige und damit
Tragische, kurz, steigert sie zu einer großen Leistung.
Und macht in der aufgeputzten Choristin schon den
Schlampen sichtbar, der alt und verwelkt einmal einer ver¬
luderten Jugend nachtrauert, den Liebeleien im Separé
bei Sacher mit Sekt und Kaviar und dem fernen Glanz
diru.
einer untergegangenen Zeit