II, Theaterstücke 4, (Anatol, 5), Abschiedssouper, Seite 165

4.5. Abschiedssouner
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JOBSERVER“
I. österr. behördlich konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wienl, Wollzeile 11, Telephon R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Grazer Iagospost, Graz
vom 1 1. MAl 935
Heute finden zwei Probegastspiele statt. In der
Nachmittagsvorstellung wird sich Annemarie Janke
von der Münchener Oper als Bewerberin um das
Fach der lyrischen Sängerin vorstellen. Es wird
„Der Freischütz“ gegeben. Die Künstlerin singt die
Agathe. In der Abendvorstellung wird sich Marie
Riener dem Publikum als Operettensängerin vor¬
stellen. Sie singt die Kondja-Gül in der Operette
„Die Rose von Stambul“ Am Sonntag wird
„Mehr als Liebe“ zum erstenmal wiederholt, am
Montag „Das Konzert“ gegeben. Der Dienstag
bringt eine Wiederholung von d'Alberts „Tief¬
land“.
Am Mittwoch wird nach langer Pause das
Schnitzlersche Schauspiel „Liebelei“ und anschlie¬
ßend des gleichen=Dichters dramatische Szene „Ab¬
schiedssouper“ gespielt. Die beiden Stücke werden
von Rudolf Leisner vorbereitet. In „Liebelei“ wird
sich Trude Hanke vom Städtebundtheater in Biel
(Schweiz) dem Publikum als Bewerberin um das
Fach der Sentimentalen und jugendlichen Salon¬
dame vorstellen. Sie wird die Christine spielen.
Die Künstlerin, eine Grazerin, hat vorher auch am
Stadttheater in Reichenberg, am Deutschen Volks¬
theater in Wien gewirkt und ist auch alljährlich
Mitglied der unter Max Reinhardts Leitung
stehenden Salzburger Festspiele.
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„OBSERVER'
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
6-Uhr-Blatt, Graz,
16.5.1955
vom:
gedacht. „Es gab keine Akte, sondern eine Folge
mehrerer Bilder. Die dämonische Frau kam
Theater und Kunst
auf die Bühne, ein Bild spielte in der Tanz¬
„Liebelei.“ — „Abschiedssouper.“
stunde.“ Die sechs oder sieben Bilder zog dann
Schnitzler in drei Akte zusammen. „Es ist kein
Schnitzler wäre heute 73. Seine „Liebelei“ hatte
Zufall, daß die Bühnenwerke die strenge Form
just vor vierzig Jahren am Burgtheater die Ar¬
der Akte besitzen. Das hat eine tiefe Begrün¬
aufführung. Sie, ja das ganze Lebenswerk des
dung.“ Die Christine der Araufführung war —
Dichters, es sind Klänge und Bilder einer ver¬
Adele Sandrock. Wer kann sich das heute noch
gangenen, einer abgestorbenen Zeit. Nimmer
vorstellen bei der drastischen Komik ihrer tyran¬
„unseres Fühlens Heute“, wie Loris sang, nur
nischen Damen und Schwiegermütter im mo¬
mehr das Gestern. „Böser Dinge hübsche Formel,
dernen Film. Heute ist es nach einer Medelsky
glatte Worte, bunte Bilder, Agonien, Episo¬
und Seidler die Paula Wessely mit der ergrei¬
den .. .“ Die Jugend, die heute ins Leben tritt,
fenden Schlichtheit und Natürlichkeit der Volks¬
ins gigantisch grauenvolle, das wie ein Medusen¬
schauspielerin. Auf Probe spielte die Christine
antlitz sie anstarrt, trennt ein unüberbrückbarer
gestern Frl. Trude Hanke, eine Wienerin, die
Abgrund von der nichtstuenden, genießerischen
scheinbar zu Graz nicht ohne Beziehungen ist,
Jugend jener Zeit um die Jahrhundertwende,
da die sympathische junge Künstlerin mit einer
deren literarischer Spiegel Schnitzler ist. Wenn
Fülle von Blumen bedacht wurde. Mochte in
Gerhart Hauptmann 1922 vom Sechziger sagte:
„Schnitzlers warme und feine Begabung besitzt den ersten Szenen noch der Kontakt zum Publi¬
Grazie. Seine Gestalten, sein Theater ist un= kum fehlen, so gewann schon die ernst=liebe Er¬
scheinung, der trotz des großen Hauses deutlich
aufdringlich bis zur möglichen Grenze. Man
zur Geltung kommende, angenehme Alt der
wird diesen deshalb manchmal ein wenig blaß
Stimme die ersten Sympathien. Im zweiten Akt
anmutenden Schriftsteller immer wieder revi¬
fesselte schon die seelische Durchdringung der
dieren müssen, um die farbigen Reize und gro¬
Rolle, im tragischen Schluß erschütterte die zur
ßen Schönheiten seines Wertes nicht zu verlieren
Hilflosigkeit erstarrte Verzweiflung. Daß Fräu¬
und für den dichterischen Dauerbesitz (?) zu ret¬
lein Hanke nicht nur als Sentimentale, sondern
ten.“ Wenn er sagt: „Sinn für Schnitzler be¬
auch für das jugendliche Salonfach und Gesell¬
sitzen, heißt Kultur besitzen, sich von Schnitzler
schaftsstück in Betracht kommt, bestätigte noch
angezogen fühlen, heißt die Kultur suchen“, so
muß das sehr eingeschränkt werden. Denn Schnitz- ihre Annie im „Abschiedssouper“, die kleine
Ballettratte, die sich in den Allüren der Dame
lers Kultur ist eine satte Nichtstuer=Kultur, war
geben will. Zum Besten des Abends gehörte
die Formenkultur einer absterbenden Gesellschaft
Frau Frenes Strumpfwirkerin Katharine
aber keine Dauerbesitz bedeutende Geisteskultur.
Binder, eine ehemalige, nun bürgerlich-ehrbar
Ihr Geist ist Geistreichelei amüsanter Gesell¬
gewordene Schlager=Mizzi. Diese gab mit vielem¬
schaftskonversation, kein gestaltender Aktivismus,
Beifall als lustigen Abermut ohne jeden Genierer
nur morbide Skepsis. Energielose Melancholie.
Frl. Malin. Den alten Musikus, der in seiner
Wenn die österreichische Renaissance unserer
duldsamen Moral doch etwas gar zu weit geht,
Tage etwas elegisch sentimental das Wien der
formte in schlichter Herzlichkeir Herr Czimeg.
Vorkriegszeit in Schnitzlers Werken an sich vor¬
Als Anatol, auch der Lobheimer ist es, nur unter
überziehen läßt, wird sie sich hüten müssen, an
anderem Namen, brachte Reichert die richtige
die Verfalls- und Formenkultur jenes genieße¬
Mischung von Leichtsinn und Melancholie mit,
rischen, aristokratelnden Bürgertums anzuknüp¬
fen. „Liebelei“, am Burgtheater das erste boden= sein Partner war mit allem Humor in „Liebelei“.
ständige Milieustück des zeitgenössischen Wien, Nainer, mit lustiger Ironie im „Abschieds¬
S.
war, wie Schnitzler erzählte, zuerst als Volksstück souper“ Afritsch.