II, Theaterstücke 4, (Anatol, 5), Abschiedssouper, Seite 182

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Ausschnitt aus per Morgen, Wien
1937.
Seite 6
Ein
Filmstar,
der keiner war
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Nein, es ist kein Raunen durch die Welt
gegangen wie damals, als Rodolfo Valen¬
tino starb, und es sind keine Villen zurück¬
geblieben und keine Millionen, sondern nur
ein paar Kleider und eine verzweifelte
Mutter und ein achtzigjähriger Großvater
und das Ganze schloß noch mit einer ab¬
scheulichen Leichenfledderei.
Die 28jährige Olly Gebauer, die in
einem Spitalsbett in Lainz an einer Kehl¬
kopftuberkulose elend zugrundeging und nur
deshalb ein anständiges Begräbnis be¬
kommen konnte, weil ein paar Freunde
für sie sammelten (beinahe wäre sie noch
im Tod durch einen Gauner um alles be¬
trogen worden), war aber auch gar kein
wirklicher Filmstar. Es fehlte ihr bis auf
das Talent so ziemlich all das, was einer
braucht, um nicht in einem Lainzer Spi¬
talsbett mit 28 Jahren sein Leben zu be¬
enden, sondern in einer Hollywooder Mär¬
chenvilla weiterzuleben. Aber im Jenseits,
dort, wo es egal ist, ob man im irdischen
Jammertal einen Cadillac gehabt hat oder
mit der Straßenbahn gefahren ist, wird es
die arme Olly doch freuen, daß fast alle,
die von ihr sprachen, Tränen in den Augen
hatten, echte Tranen, und das will viel
heißen, in einer Welt in der es zum
box 8/2
4.5. Abschiedssouper

Der Morgen
mich mit großen Augen angeschaut und ge¬
mitschwang, ist ehrender als mancher offi¬
ziöser Bombast.
flüstert: „Noch fünf Minuten, dann bin ich
drüben, gelt, Mami, ich war doch nicht
Im „Abschiedssouper“, jener unwiene¬
schlecht, daß mich unser Herrgott so lange
rischesten Ausführung eines wienerischesten

leiden läßt!:
Sujets, da rettete Olly Gebauer Wiens
Nein sie war nicht schlecht und es hätte
und Schnitzlers Ehre. Nur dadurch, daß sie
sich wohl manch andrer Prominenter an
das kleine-Ma#### Märzstraße blieb,
das sie war. Und damals spürte man, aus
ihrem Grab zu einer Grabrede aufschwin¬
Olly Gebauer hätte der ganz große Film¬
gen können und hätte sagen können, daß in
ihr der Liebreiz der Wiener Operette
star werden können, der sie nicht geworden
ist.
dahingegangen war. Aber vielleicht war's
Und die vielen Warums, derentwegen
ihr sogar lieber, daß es nicht ein ganz
Prominenter war, sondern einer von den
sie kein großer Filmstar wurde, die legt
Kollegen, und die echte Rührung, die in
ihr als letzten Gruß als Wiener aufs
Grab
den Vormittagsgesprächen der Kollegen
Rafael Hualla.