II, Theaterstücke 4, (Anatol, 2), Weihnachts-Einkäufe, Seite 16

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MODERNE WELT
Heft 3. 1018
und der Ansturm der Fahrgäste machen
Frau Gabriele: Zwei Menschen, die

dem Gespräch ein rasches Ende. Anatol
sich eimal gut waren und sich immer

hilft Frau Gabriele beim Einsteigen und
so vieles zu sagen hatten ... Damals

grüßt elegisch. Eine Weile blickt er dem
haben wir immer nur über Liebe und

im winterlichen Nebel verschwindenden
Untreue gesprochen ... Und heute nur
A
S
Wagen nach, dann zuckt er die Ach¬
über Bezugsscheine und Emmentaler—
seln . .. Er tritt unter eine Straßenlaterne,
Anatol, Anatol, wie haben Sie sich ver¬
setzt den Zwicker auf, zieht seine Ein¬
*
ändert.
kaufsliste hervor und liest sorgenvoll:
Anatol (entschuldigend): Mein Gott, der
Bluse, Hausschuhe, vier Meter Damentuch
Weltkrieg
doppelbreit
Frau Gabriele: Schen gut. Ihr Männer
Während der Vorhang langsam fällt,
habt immer so nichtige Ausreden.
steigen die Preise rapid.)
Das Herannahen des Straßenbahnwagens imnd#
DIE ERSCHWERTE SCHÖONHEITSPFLEGE.
Nun aber, da die Zeit immer größer wurde und wir
Man sollte es nicht für möglich halten, aber wirklich,
immer weniger — verlor auch unsere Haut eine nette
man bekam ein ganzes Liter Schlagobers nebst einem Viertel¬
Fettschicht nach der anderen. Die heißeste Sehnsucht und
kilogramm Butter verschrieben, außer sieben Mahlzeiten im
der feurigste Verehrer kann uns kein Schlagobers ver¬
Tag, mußte sich abends mit chemisch reinem Oliven¬
schaffen. Man beschloß,
öl zur Gänze einreiben
das Spieglein ungefragt zu
(die Assoziation mit Salat
lassen. Es geht eine Weile;
war peinlich daran) und
man schaut über sich hin¬
schließlich badete man täg¬
weg auf den Hut, die
lich in Kleie. Eigentlich
Haare, nimmt quasi keine
war man enttäuscht über
Notiz von sich. — Es gibt
diese Naturaliabehandlung,
aber „Freundinnen“ Sie
die der alte gute Haus¬
sagen dir wohlwollend:
doktor verordnete, den

„Mein Gott, du fangst ja
an seinen Patientinnen
an, so alt auszusehen, als
der „Teint“ am meisten
du bist“, und verzweifelt

interessierte. Er legte Wert
gehst du in den Schön¬
auf ein gutes Aussehen


heitssalon. Dort siehst du
und ärgerte sich, wenn
220
die schöne Chefin, die
man mit einer trockenen

geduldig deine Klagen
und schlecht genährten



anhört und psychologisch¬
Haut herumlief. Allerdings
scharfsinnig die Kur da¬
sehr raffiniert waren seine

1
mit beginnt, daß sie deine

Ratschläge nicht: „Borax
4
Sr.
Haut „gar nicht so schlecht“
ins Waschwasser, Fett —

findet. Vor Freude strömt
innen und außen —, grö߬

das Blut in deine Wan¬
te Sauberkeit, niemals
*
gen und ernährt sie gleich
*.
84
ohne gründlichste Reini¬
Ars 210
ein bißchen.
40571 00
gung der Poren abends
1
Da du aber noch lange
ins Bett und früh ins
auf die Behandlung war¬
Bett.“ Letzteres betonte er
ten mußt, machst du der
sehr, und man bekam die
schönen Chefin Kompli¬
Uberzeugung, daß es ganz
mente in der Hoffnung,
leicht wäre, herrlich aus¬
ihr eine besonders ver¬
zuschauen, wenn man nur

trauliche Auskunft zu
35
das alles befolgen würde.
W
entlocken: „Was machen
Und tat man das? Keine


Sie, daß Ihre Haut so
Spur. Des Schlagobers war
wohlgenährt, so straff, so warm getönt aussieht, was, daß
man am dritten Tage satt, es wurde uns übel, wenn wir
die Wimpern lang und dicht sind, usf. — die fetten
es von weitem sahen, und was die Butter anbelangte —
Hauternährungscremes sind doch absolut fettfrei, oder
um Gottes willen — wir waren für trockene, resche Butter.
nicht?“ Und nun heißt es allgemein, nicht nur in diesem
teigkipfel und wollten nichts darauf geschmiert. Und zeit¬
Salon: „Bei uns nicht. Wir haben noch gute Cremes.“
lich ins Bett? Wir wurden ja erst abends munter. Der
„Aber es ist doch verboten, Fette zu verwenden“ so
gute alte Doktor hatte ein Gefrett mit uns. — Das war
wie früher — wo es am billigsten war, Schweine¬
damals tief, tief im Frieden, im äußeren und inneren,
fett und Ole als Unterlage jeder Schönheitssalbe zu
und wir wußten nicht, was wir hatten.
IV*