3. Das Maerchen box 7/2
A e e e e e
Unsittlich.
Die Jury der Ausstellung von Aquarei, hat dem
jungen Wiener Maler Josef Engelhart ein Bil fusirt. Sie
betonte, daß es künstlerisch ohne Bedenken. Ta, oder Fehl,
ja das beste Werk sei, das noch ie dem eifrigen Künstler
geglückt. Aber sie bedauerte, daß sein Stoff nicht zulässig
sei, weil er die guten Sitten verletzen könnte.
Diese Entscheidung ist ein Documet, das bleiben wird.
Ich finde sie sehr pfiffig von den Herren. Sie rechnen offenbar,
durch diese Blamage unsterblich zu werden. Anders gelänge
ihnen das doch nie. Ihre Werke verhüten es. Lver so wird
man sich ihre Namen merken.
Man kann aus diesem Falle Manches lernen. Erstens
lehrt er, was unsittlich ist. Das Bild stellt eine nackte Schöne
dar, die im Walde Früchte pflückt. Das gilt jetzt plötzlich für
gemein. Die Herren würden auch Tizian, Correggio, Rubens
refusiren. Es wird plötzlich eine wunderliche Sittlichkeit
Mode. Alles scheint vertauscht. Wer aus gerechter Entrüstung
ein kräftiges Wort holt, wird geächtet; aber geschmeidige
Kitzler liederlicher Triebe sind gepriesen. Ueber die wüsten
Zoten des „Mauerblümchen“ johlt man trunken; aber man
schilt das „Märchen“, das eine dunkle Frage mit kräftiger
Strenge verhändelt. Lüsterne Schmieragen speculativ pikanter
Blätter sind in jedem Café; aber was immer die große
Heil igung der Künstler war, die ehrfürchtige Freude am
menschlichen Leibe, wird verpönt. Schön ist häßlich, falsch ist
wahr, Alles wird verkehrt. Und die Künstler selber helfen.
Dann kann man lernen, daß in Wien für die Wiener
ein anderes Gesetz und ein anderes für die Fremden
gilt. Dem Fremden wird Alles erlaubt, dem Wiener gar
nichts. Herr Rochegrosse mag von Buhlerei erschöpfte Dirnen
häufen — das findet man samos. Dem Heimischen wird kein
„Act“*) gestattet. Aber dann wundern sich Manche, daß wir
nur noch Möbel= Porzellan= und Invalidenmaler haben —
alles Andere ist doch „unsittlich“!
Und man kann lernen, was in Wien sich Künstler und
Genossenschaft der Künstler nennt. Auch anderwärts ist bis¬
weilen Schilda. Auch anderwärts hat man Goethe confiscirt
und Canova verboten. Es lebe Düsseldorf und Creseld! Aber
dort thut das irgend ein Staatsanwalt und Censor, der
eben nichts als nur das bischen Verstand seines Amtes hat
mein Gott, was kann man da verlangen? Hier sind es
Leute, die sich Künstler nennen möchten. Diese Ehre, das
Recht auf diesen stolzen Titel haben sie verwirkt.
Ich bin ein guter Kerl und lasse alle Fünf gerade, be¬
sonders in Wien. Aber ich möchte doch um etwas mehr
Ordnung bitten. Man soll Jeden stellen, wohin er gehört.
Und dann mag ich die falschen Meldungen nicht leiden. Die
Zwetschke soll sich für keine Orange, Schnittlauch nicht für
Caviar halten. Auch der Esel ist ein liebes Thier, wenn er
nicht vergißt, daß er eben ein Esel ist. Alle Menschen
taugen, wenn man sie in die rechte Rolle bringt. Aber sie
schaden, wenn man ihnen Pflichten gibt, welchen sie nicht
gewachsen sind. Als Maler schaden die Herren, welche die
Genossenschaft der Künstler leiten, weil sie bekanntlich von
Zeichnung und Farbe nichts ahnen. Aber sie beweisen jetzt,
daß sie sich auf die Moral desto besser verstehen. So soll
man ihnen bei der Polizei doch Stellen geben und soll die
Sicherheitswache durch sie vermehren. Sie würden da sicherlich
nützen, recht im Sinne der besten Tradition. Und die Kunst
könnte kräftiger nicht gefördert werden.
Mepherl.
„Cheatet, Kunst, Schristhum.
Tensches Bolhiheter, Gin mnner an.
An un van iei der ein tntenicher einnag,.
dn u in Keuschen Volkohenter anspesumn,
Wo0 vll. Nah den Kontniers Mrunentgal.
und Kadelburg
ein Dilettant mit einem
w00 winsigen Lanhen! Her- Aerseihe i9d
en don 2. Uhr Schniglen, dem emigel
800, wie ar Gat als der Fiher ingn Aegliche.
* Praxis die nöthigen Mußestunden abkargte, un
Schweiße seines Angesichtes den Lorbeerwald der
„Modernsten“ zu entblättern, und zwar mit einem
Schauspiele, das aus unterschiedlichen Dramen von
11I8
Ibsen, Dumas und Sardou zusammenge¬
schnitzelt ist und ein Protest sein soll gegen die
söffentliche Moral, vie es der männlichen Welt ver¬
bietet, gefallene Schauspielerinnen durch die Ehe
emporzuheben und der Tugend wieder zurückzugeben.
Das dreiaktige Schauspiel Schnitzler's, das an
ust
Langweiligkeit nichts zu wünschen übrig läßt und
der
zal
gestern trotz der Beifallspenden von Schnitzler's
ng
zahlreich erschienenen Berufscollegen abgelehnt wurde,
der
nennt sich „Das Märchen“ und dreht sich um
id¬
eine Liebesgeschichte der gefallenen Schauspielerin
8.
rn
Fanny Theren mit dem Schriftsteller Fedor Denner,
der der sich mit Pathos zum Anwalt der gefallenen
ze. Mädchen aufwirft und schließlich, als es gilt, seine
modernen Theorien in die Praxis umzusetzen, seine
en
zweimal gefallene Geliebte verläßt. Nach siegreicher
Ueberwindung der Gewissensbisse, mit denen er drei
Akte lang sich, seine Geliebte und das Publikum ab¬
gequält hat, zieht er von dannen wie ein Henker,
zift
ub
der einen Unschuldigen um einer That willen köpft,
die er selbst begangen hat, und der nach einigen
unruhigen Stunden der Ueberlegung schließlich ruhig
schlafen geht, indem er sich sagt, die gesellschaftliche
Moral, die er doch selb“ ein „Märchen“ nennt,
hätte ihn beauftragt, an
# armen Sünder das
on
Urtheil zu vollstrecken. Offen gestanden ist das so
ike
elend, so feig, so unwahr, daß Einen vor einem
zu
solchen Helden ekelt. Wenn man solche Thesen drama¬
den tisch behandelt, um Wandel in der konventionellen
um Moral zu schaffen oder um unbegründete Vorurtheile
be= zu beseitigen, dann gilt es so oder so, entweder —
henoder! Entweder hat die gefallene Schauspielerin durch
ihre Liebe zu Fedor Denner wirklich die verlorene
eute
Tugend und Keuschheit wieder erlangt, und sie steht
iten
genfrein und verehrungswürdig, enn schon nicht vor der
Gesellschaft, so doch vor Dam da, der sie aus Liebe
frä- heirathen und retten will. Fedor Denner will seine
ur- Geliebte zwar heiraten, klagt sie aber zugleich als
Le. Anwalt der öffentlichen Moral an. O, Schnitzler,
den welch' ein Schnitzer! Fedor Deuner hatte kein
Recht, das zu verlangen, was die öffentliche Moral,
ber-die er doch verwirft, verlangt. Er mußte angesichts
Nio der Qualen, die er seiner armen Geliebten bereitet,
an“ den stummen Auftrag, den ihm die übliche Moral
ikelgegeben, von sich werfen und sein Henkeramt zu ver¬
troß walten sich weigern! That er das aber nicht, so war
iden
dasjer noch elender als Jene, die er verläßt, oder aber
elche ein erbärmlicher Dummkopf, der sich, um besser wie
seine Mitwelt zu erscheinen, mit der Gloriole eines
der
Tugendretters umgibt, und der Dramatiker hatte ihn
ral¬
Be. fals solchen zu kennzeichnen. Oder aber: die öffentliche
der Moral hatte Recht, dann durfte der empörte Lieb¬
eim haber die gefallene Schauspielerin ohne sonderliche
Gewissensbisse verlassen und ihrem Schicksale preis¬
der
geben. Schnitzler that aber weder das Eine noch das
awer Andere. Ee drückt beiden feindlichen Gewalten ver¬
isen stohlen und lügnerisch die Hand, erkühnt sich aber
tur trotzdem, sich den Anschein zu geben, als hätte er
volle weiß Gott was im Dienste der Wahrheitg
racht leistet. Die Figuren, die Schnitzler auf die Bühne
hres¬
stellte sollen dem Wiener Leben entnommen
le in
sein. Sie sind aber nichts Anderes als Produkte
ltene eines verbrannten irns und entstammen der
Beise wüsten, zermarferten Pyu asie eines im Grunde phan¬
Igio¬
tasielosen Mannes, der zu dem Ruhme, de. Sohn
Die
eines „berühmten“ Arttes zu sein, um jeden Preis
fsent¬
noch den Ruhm eines modernen Dichters ergattern
A e e e e e
Unsittlich.
Die Jury der Ausstellung von Aquarei, hat dem
jungen Wiener Maler Josef Engelhart ein Bil fusirt. Sie
betonte, daß es künstlerisch ohne Bedenken. Ta, oder Fehl,
ja das beste Werk sei, das noch ie dem eifrigen Künstler
geglückt. Aber sie bedauerte, daß sein Stoff nicht zulässig
sei, weil er die guten Sitten verletzen könnte.
Diese Entscheidung ist ein Documet, das bleiben wird.
Ich finde sie sehr pfiffig von den Herren. Sie rechnen offenbar,
durch diese Blamage unsterblich zu werden. Anders gelänge
ihnen das doch nie. Ihre Werke verhüten es. Lver so wird
man sich ihre Namen merken.
Man kann aus diesem Falle Manches lernen. Erstens
lehrt er, was unsittlich ist. Das Bild stellt eine nackte Schöne
dar, die im Walde Früchte pflückt. Das gilt jetzt plötzlich für
gemein. Die Herren würden auch Tizian, Correggio, Rubens
refusiren. Es wird plötzlich eine wunderliche Sittlichkeit
Mode. Alles scheint vertauscht. Wer aus gerechter Entrüstung
ein kräftiges Wort holt, wird geächtet; aber geschmeidige
Kitzler liederlicher Triebe sind gepriesen. Ueber die wüsten
Zoten des „Mauerblümchen“ johlt man trunken; aber man
schilt das „Märchen“, das eine dunkle Frage mit kräftiger
Strenge verhändelt. Lüsterne Schmieragen speculativ pikanter
Blätter sind in jedem Café; aber was immer die große
Heil igung der Künstler war, die ehrfürchtige Freude am
menschlichen Leibe, wird verpönt. Schön ist häßlich, falsch ist
wahr, Alles wird verkehrt. Und die Künstler selber helfen.
Dann kann man lernen, daß in Wien für die Wiener
ein anderes Gesetz und ein anderes für die Fremden
gilt. Dem Fremden wird Alles erlaubt, dem Wiener gar
nichts. Herr Rochegrosse mag von Buhlerei erschöpfte Dirnen
häufen — das findet man samos. Dem Heimischen wird kein
„Act“*) gestattet. Aber dann wundern sich Manche, daß wir
nur noch Möbel= Porzellan= und Invalidenmaler haben —
alles Andere ist doch „unsittlich“!
Und man kann lernen, was in Wien sich Künstler und
Genossenschaft der Künstler nennt. Auch anderwärts ist bis¬
weilen Schilda. Auch anderwärts hat man Goethe confiscirt
und Canova verboten. Es lebe Düsseldorf und Creseld! Aber
dort thut das irgend ein Staatsanwalt und Censor, der
eben nichts als nur das bischen Verstand seines Amtes hat
mein Gott, was kann man da verlangen? Hier sind es
Leute, die sich Künstler nennen möchten. Diese Ehre, das
Recht auf diesen stolzen Titel haben sie verwirkt.
Ich bin ein guter Kerl und lasse alle Fünf gerade, be¬
sonders in Wien. Aber ich möchte doch um etwas mehr
Ordnung bitten. Man soll Jeden stellen, wohin er gehört.
Und dann mag ich die falschen Meldungen nicht leiden. Die
Zwetschke soll sich für keine Orange, Schnittlauch nicht für
Caviar halten. Auch der Esel ist ein liebes Thier, wenn er
nicht vergißt, daß er eben ein Esel ist. Alle Menschen
taugen, wenn man sie in die rechte Rolle bringt. Aber sie
schaden, wenn man ihnen Pflichten gibt, welchen sie nicht
gewachsen sind. Als Maler schaden die Herren, welche die
Genossenschaft der Künstler leiten, weil sie bekanntlich von
Zeichnung und Farbe nichts ahnen. Aber sie beweisen jetzt,
daß sie sich auf die Moral desto besser verstehen. So soll
man ihnen bei der Polizei doch Stellen geben und soll die
Sicherheitswache durch sie vermehren. Sie würden da sicherlich
nützen, recht im Sinne der besten Tradition. Und die Kunst
könnte kräftiger nicht gefördert werden.
Mepherl.
„Cheatet, Kunst, Schristhum.
Tensches Bolhiheter, Gin mnner an.
An un van iei der ein tntenicher einnag,.
dn u in Keuschen Volkohenter anspesumn,
Wo0 vll. Nah den Kontniers Mrunentgal.
und Kadelburg
ein Dilettant mit einem
w00 winsigen Lanhen! Her- Aerseihe i9d
en don 2. Uhr Schniglen, dem emigel
800, wie ar Gat als der Fiher ingn Aegliche.
* Praxis die nöthigen Mußestunden abkargte, un
Schweiße seines Angesichtes den Lorbeerwald der
„Modernsten“ zu entblättern, und zwar mit einem
Schauspiele, das aus unterschiedlichen Dramen von
11I8
Ibsen, Dumas und Sardou zusammenge¬
schnitzelt ist und ein Protest sein soll gegen die
söffentliche Moral, vie es der männlichen Welt ver¬
bietet, gefallene Schauspielerinnen durch die Ehe
emporzuheben und der Tugend wieder zurückzugeben.
Das dreiaktige Schauspiel Schnitzler's, das an
ust
Langweiligkeit nichts zu wünschen übrig läßt und
der
zal
gestern trotz der Beifallspenden von Schnitzler's
ng
zahlreich erschienenen Berufscollegen abgelehnt wurde,
der
nennt sich „Das Märchen“ und dreht sich um
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eine Liebesgeschichte der gefallenen Schauspielerin
8.
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Fanny Theren mit dem Schriftsteller Fedor Denner,
der der sich mit Pathos zum Anwalt der gefallenen
ze. Mädchen aufwirft und schließlich, als es gilt, seine
modernen Theorien in die Praxis umzusetzen, seine
en
zweimal gefallene Geliebte verläßt. Nach siegreicher
Ueberwindung der Gewissensbisse, mit denen er drei
Akte lang sich, seine Geliebte und das Publikum ab¬
gequält hat, zieht er von dannen wie ein Henker,
zift
ub
der einen Unschuldigen um einer That willen köpft,
die er selbst begangen hat, und der nach einigen
unruhigen Stunden der Ueberlegung schließlich ruhig
schlafen geht, indem er sich sagt, die gesellschaftliche
Moral, die er doch selb“ ein „Märchen“ nennt,
hätte ihn beauftragt, an
# armen Sünder das
on
Urtheil zu vollstrecken. Offen gestanden ist das so
ike
elend, so feig, so unwahr, daß Einen vor einem
zu
solchen Helden ekelt. Wenn man solche Thesen drama¬
den tisch behandelt, um Wandel in der konventionellen
um Moral zu schaffen oder um unbegründete Vorurtheile
be= zu beseitigen, dann gilt es so oder so, entweder —
henoder! Entweder hat die gefallene Schauspielerin durch
ihre Liebe zu Fedor Denner wirklich die verlorene
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Tugend und Keuschheit wieder erlangt, und sie steht
iten
genfrein und verehrungswürdig, enn schon nicht vor der
Gesellschaft, so doch vor Dam da, der sie aus Liebe
frä- heirathen und retten will. Fedor Denner will seine
ur- Geliebte zwar heiraten, klagt sie aber zugleich als
Le. Anwalt der öffentlichen Moral an. O, Schnitzler,
den welch' ein Schnitzer! Fedor Deuner hatte kein
Recht, das zu verlangen, was die öffentliche Moral,
ber-die er doch verwirft, verlangt. Er mußte angesichts
Nio der Qualen, die er seiner armen Geliebten bereitet,
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ikelgegeben, von sich werfen und sein Henkeramt zu ver¬
troß walten sich weigern! That er das aber nicht, so war
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dasjer noch elender als Jene, die er verläßt, oder aber
elche ein erbärmlicher Dummkopf, der sich, um besser wie
seine Mitwelt zu erscheinen, mit der Gloriole eines
der
Tugendretters umgibt, und der Dramatiker hatte ihn
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Be. fals solchen zu kennzeichnen. Oder aber: die öffentliche
der Moral hatte Recht, dann durfte der empörte Lieb¬
eim haber die gefallene Schauspielerin ohne sonderliche
Gewissensbisse verlassen und ihrem Schicksale preis¬
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racht leistet. Die Figuren, die Schnitzler auf die Bühne
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sein. Sie sind aber nichts Anderes als Produkte
ltene eines verbrannten irns und entstammen der
Beise wüsten, zermarferten Pyu asie eines im Grunde phan¬
Igio¬
tasielosen Mannes, der zu dem Ruhme, de. Sohn
Die
eines „berühmten“ Arttes zu sein, um jeden Preis
fsent¬
noch den Ruhm eines modernen Dichters ergattern