II, Theaterstücke 3, Das Märchen. Schauspiel in drei Aufzügen, Seite 24

Mädchen aufwirft und schließlich, als es gilt, seine
modernen Theorien in die Praxis umzusetzen, seine
zweimal gefallene Geliebte verläß. Nach siegreicher
Ueberwindung der Gewissensbisse, nit denen er drei
Akte lang sich, seine Geliebte und das Publikum ab¬
gequält hat, zieht er von dannen wie ein Henker,
der einen Unschuldigen um einer That willen köpft,
die er selbst begangen hat, und der nach einigen
unruhigen Stunden der Ueberlegung schließlich ruhig
schlafen geht, indem er sich sagt, die gesellschaftliche
Moral, die er doch selbst ein „Märchen“ nennt,
hätte ihn beauftragt, an dem armen Sünder das
Urtheil zu vollstrecken. Offen gestanden ist das so
elend, so feig, so unwahr, daß Einen vor einem
solchen Helden ekelt. Wenn man solche Thesen drama¬
tisch behandelt, um Wandel in der konventionellen
hen
um Moral zu schaffen oder um unbegründete Vorurtheile
be-zu beseitigen, dann gilt es so oder so, entweder —
henoder! Entweder hat die gefallene Schauspielerin durch
ihre Liebe zu Fedor Denner wirklich die verlorene
ente
Tugeno und Keuschheit wieder erlangt, und sie steht
iten
gen rein und verehrungswürdig, wenn schon nicht vor der
Gesellschaft, so doch vor Dem da, der sie aus Liebe
srä- heirathen und retten will. Fedor Denner will seine
ur¬
Geliebte zwar heiraten, klagt sie aber zugleich al¬
Anwalt der öffentlichen Moral an. O, Schnitzlc,

den
welch' ein Schnitzer! Fedor Deuner hatte kein
Recht, das zu verlangen, was die öffentliche koral,
ber¬
die er doch verwirft, verlangt. Er mußte ungesichts
Rio der Qualen, die er seiner armen Geliebten bereitet,
an“
den stummen Auftrag, den ihm die übliche Moral
kel
gegeben, von sich werfen und sein Henkeramt zu ver¬
trotz
walten sich weigern! That er das aber nicht, so war
iden
er noch elender als Jene, die er verläßt, oder aber
das
eiche ein erbärmlicher Dummkopf, der sich, um besser wie
seine Mitwelt zu erscheinen, mit der Gloriole eines
der
Tugendretters umgibt, und der Dramatiker hatte ihn
ral¬
als solchen zu kennzeichnen. Oder aber: die öffentliche
Be¬
Moral hatte Recht, dann durfte der empörte Lieb¬
eim
haber die gefallene Schauspielerin ohne sonderliche
Gewissensbisse verlassen und ihrem Schicksale preis¬
der
geben. Schnitzler that aber weder das Eine noch das
Andere. Er drückt beiden feindlichen Gewalten ver¬
owsk
isen stohlen und lügnerisch die Hand, erkühnt sich aber
tur.
trotzdem, sich den Anschein zu geben, als hätte er
volle weiß Gott was im Dienste der Wahrheit
racht
leistet. Die Figuren, die Schnitzler auf die Bühne
hres¬
stellte, sollen dem Wiener Leben entnommen
le in
sein. Sie sind aber nichts Anderes als Produkte
ltene
eines verbrannten Hirns und entstammen der
Beise
wüsten, zermarterten Phantasie eines im Grunde phan¬
Igio¬
tasielosen Mannes, der zu dem Ruhme, der Sohn
eines „berühmten“ Arztes zu sein, um jeden Preis
ffent¬
noch den Ruhm eines modernen Dichters ergattern
zu
wollte. — Die Darstellung war, wie immer, wenn
1es sich im Volkstheater um die Aufführung eines
schlechten Stückes handelt, eine guse. Hervorgehoben
echsel
seien Frl. Sandrock, die mit bemerkenswerther
chsel
Mäßigung spielte, Frl. Bock, die sich im Volkstheater
chsel
recht gut einführte. Frl. Hell und Frau Berg,
sowie die Herren Nhil, Kutschera und Giam¬
Ipietr o. Die beiden Letztgenannten spielten mit dis¬
kretem Humor ein Paar Gigerl. Nach der Aufführung
waren die Berufskollegen Schnitzler's in der An¬
sicht einig, daß Dr. Schnitzler als Dichter weit besser
sei, denn als Arzt. Die literarische Welt hingegen
war der Meinung, daß er zwar ein guter Arzt sein
mag, aber nie und nimmer ein Dichter sei. Wir
wollen uns über die Streitfrage nicht den Kopf zer¬
brechen, denn es ist ja möglich, daß beide Theile Recht
haben.
Th. 4.
bos 7/2
Maerchen
3. Da
Aren en ad e ee aen e a

en mit allerlei derben Humoren gewürzten Lobsprüch] Beachtung si
if die Jesuiten zum Besten gegeben, so wäre die ganze) Initiativ=An
debatte inhaltlos wie ein gerichtliches Liquidations=1 stehen die Uev
Feuilleton.
Par
rt
P
O
z
Deutsches Volkstheater.
in Sac
n
Einer von unserem richtigen modernen „Junig¬
handeln, qui
Wien“ Herr Arthur Schnitzler, ist gestern auf
gibt eine pika
dem Platze erschienen und, wie ich beinahe fürchten
finden, und
muß, auch auf dem Platze geblieben. Es will in Wien
zeitweilig auch
nichts Rechtes werden mit der übermodernen Schule,
ständigkeit de
die mit ihren Raisonnements ins Blaue hineinsegelt,
weil manchm
dorthin, wo kein Hauch mehr weht und wo der Mark¬
wirklich geis
stein der Schöpfung steht. In der Gesellschaft unserer
Jemand ein pi
liebenswürdigen Wienerinnen, bei Backhendeln und
Blas“ einen
Heurigen, kommt der blasirte Pessimismus nicht auf,
mit der Anda
der sich in unseren Tagen von den Gegenden des
bringt, geleseng
steifen Grogs bis hinab zur Heimat des Falemer
der Hauptsach
ausgebreitet und interessant gemacht hat.
Selbst
es handelt sich
mein verehrter College Hermann Bahr zeigt Ansätze zu
In Frage steh
einer lebensfrohen Behaglichkeit, und Herr Dr. Arthur
Details und
Schnitzler scheint nicht der Mann zu sein, uns die
liederlichen L#
moralischen Indigestionen der lin de sieele-Stimmung
„kleinen Abent
glaubhaft zu machen. Der Pessimismus unserer Wiener
spiel „Das
„Modernen“ geht den peinlichen Erörterungen über erb¬
Versuch, eine
liche Belastung aus dem Wege. Die tragischen Consticte
zu dramatisiren
zwischen Gläubigkeit und materialistischer Philosophie,
sich pünktlich
die socialen Probleme stören nicht das Behagen unserer
gar so verzwei
heimatlichen Zeitgenossen Ibsen's und Gerhart Haupt¬
Die Norn
mann's. Bahr und Schnitzler sind es zufrieden, wenn
mentale Cocot
schöne Frauen ihre Stylübungen mit wohligem Grauen
hafte Schweste
lesen, wenn in den Premieren diese Frauen ein¬
sentimentalischeg
ander zuflüstern, „der schlanke Braune mit der schütteren
und endlich
Stirnlocke, das ist der Bahr, und der blasse, unterietzte
„Sappho“. bi
Blonde mit dem tiefgekämmten Scheitel, das ist der
kein Buch aus
Schnitzler, zwei Menschen, vor denen man sich fürchten
welchem diese
müßte, wenn sie nicht gar so interessant wären“.
zur Verwendun
Wer wollte diese schönen Erfolge zwei strebsamen
sehr gut gemis
jungen Leuten nicht gönnen? — Ich habe über Schnitz¬
humor bis zur
ler's Dialog=Novellen „Anatol“ bisher achtungsvoll
anklingen lasse
geschwiegen, um das Concert aufmunternder Kritcken,
Handlung von.
das dem Erscheinen dieses Werkes folgte, nicht un¬
gestellt sind. 2
nöthig zu stören. Leider ist das gestern aufgeführte
und jeder Spic
Schauspiel desselben Autors: „Das Märchen“, nichts
leicht herausbe
Anderes als eine „Anatol“=Geschichte in drei Acten,
und Schachspie
und so erübrigt nichts, als doch endlich mit einigen sprünge machen
Worten diese Literatur=Species zu beleuchten.
Darin hat es