II, Theaterstücke 3, Das Märchen. Schauspiel in drei Aufzügen, Seite 42

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3. Das Maerchen
derne
Krankheitsbild, in dem wir uns nicht wiederfinden, und
paralysirt die Theilnahme an der aufgeworfenen Haupt¬
frage; denn dieser Kranke wäre im Stande, Schuld
und Unschuld in gleicher Art zu martern. Der Char¬
akteristiker des Dramas bewegt sich immer zwischen
Scylla und Charybdis; er will und muß die Schablone
meiden, die dem feinen Kopf ein Greuel ist, und darf
doch nicht jenem äußersten Maße von Specialisitung
verfallen, von dem kein gerader Weg durch die Empfin¬
dung zur Allgemeinheit zurückführt. Der zweiten Ge¬
fahr ist diesmal Schnitzler, der die Nervosität seines
Helden mit einer Art trostloser Meisterschaft zeichnet,
nicht ganz entkommen; er gibt sich und sein Stück zu¬
letzt an die Anomalie hin, die nicht mebe tragisch wirkt.
Das Peinliche beherrscht schließlich die Sceue, denn
bieses tritt im Gegensatz zum Tragischen nicht dort ein,
wo ein Starkes und Erschütterndes sich offenbart, son¬
dern überall, wo eine krankhafte, für nuser Gesühl un¬
natürliche Uiberreizung des Zustandes uns im sigent¬
lichen Wortsinne unheimlich berührt, weil wir uus im
höberen, im natürlichen, im menschlichen Sinne in
dieser Sphäre nicht mehr dabeim fühlen.
Für das trotz alledem interessante Stück, dem man
auch in der zweiten Hälfte des Theaterabends eine ge¬
wisse Art der Theilnahme, wenn auch nur die an
einem Curiosum, nicht entziehen kann, setzten die wohl¬
geschulten Kräfte des Volkstheaters ihr bestes Können
ein. Herr Richard Wirth kennzeichnete im Helden die
zur Uiberspannung geneigte Natur; er traf die Bered¬
samkeit des Schwärmers, die selbstquälerische Grübelei
des Zweiflers und die Extase des Uiberreizten. Das
Wort hätte er hie und da namentlich im ersten Acte
dentlicher prägen sollen. Frl. Gabri interessirte als
Fanny lebhaft, solange ihr der Autor Gelegenheit dazn
gibt; man glaubte ihr das glücksbedürftige, zu Extre¬
men geneigte Naturell, das sich mit dem Leben nicht
abfinden kann und in der Verstörung wie im Kampfe
um Befriedigung keine Grenzen kennt. Die Rolle wird
im letzten Acte äußerst schwierig, da die Demuth der
Leidenden sich der Aufdringlichkeit nähert; aber die
Darstellerin wahrte selbst da einen versöhnenden Zug
weiblicher Liebesenergie. Die übrigen Darsteller boten
zumeist gute Charakterbildchen. Herr Emil Wirth gab
dem Halblumpen Well viel humoristische Würze, Herr
Worlitzsch zeichnete treffend den verliebten Philister,
Herr Kühne mit viel Satire den cynisch gemüthlichen
Gecken und Herr Lewent den selbstzufriedenen Günst¬
ling der Gesellschaft, der von seiner eigenen Vortreff¬
lichkeit überzeugt ist, Frl. Erneck fand einen glückli¬
chen halb naiven Grundton für das vorwitzige und
doch bornirte Mädchen, das sich zu den Theatergeheim¬
nissen hingezogen fühlt, und die übrigen Mitwirkenven,
die sich mit leichteren Charakterandentungen begnügen
durften, die Herren Schlaghammer, Krall und
Rudolf und die Damen Marbach, Meittinger,
Laska und Schröffl trugen zu einem Zusammen¬
spiel bei, das dem Autor nichts Wesentliches schul
dig blieb.
A. f.

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##ager Abendblatt
Ausschnitt aus:
vom 77. 6. 74
— Heutsches Volkstheater. Als letzte Neuheit
brachte uns diese Bühne in Märchen. Dasselbe hatte
jedoch nichts gemein mit jenen Erzählungen, die die
Pbantasie unserer Kleinen mächtig anregt und bewegt.
„Das Märchen“ das uns Arthar Schnitzler,
der in „Liedelei“, „Freiwild“ und #anderen=öbnlichen
Sachen und Sächelchen vielerfahrene Kenner und
scharfe Beobachter, durch das Berliner Ensemble er¬
zählen ließ, behandelt das wirkliche, nicht märchen¬
hafte Los der Gefallenen. Die Hauptfigur in dem derb
tealistischen — Märchen ist eine kleine Schauspielerin,
die an der Macht und Kraft einer dritten, diesmal
echten Liebe, sich aus dem sie umgebenden Schlamme
emporarbeiten will. Im entscheidenden Momente stößt
sie der Mann, dem sie diese ihre Liebe fförmlich
aufdrängt, zurück in den Morast der Vergangenheit:
eine Gesallene mache man nicht zur Frau,
h. zur
eigenen. Von peinlicher, unnatürlicher Wirkung war
eine Szene im zweiten Akte, in welchem die Gefallene
ihr Sündenregister dem geliebten Manne beichtet,
während dieser jeden einzelnen Fall philosophisch und
psychologisch zu — begründen sucht. Interessant war
das „Märchen“, durch welches ein bedeutender Dichter
zu uns sprach, aber erquicklich war es keineswegs.
Ella Gabri brillirte durch eine außerordentlich zu¬
treffende Wiedergabe der Haaptrolle. So und nicht
anders ist dieses Leben. Der stürmische Applaus,
der ihr zu Theil wurde, war ein wohlverdienter. Hr.
Richard Wirth spielte den problematischen Helden
anfangs etwas unsicher, dann aber um so wirkungs¬
voller. Die übrigen Rollen wareu ziemlich belanglos,
von der Darstellung wie von der Regie im Grund¬
Für Stone der Stimmung festgehalten. — Montag erheiterte: 7.50)
inclusive
10 die „Fomilie Pont Biquet“ mit ihren nicht immer 14.—
Porto.
20salonsähigen Scherzen die Besucher des Sommer= 25.—
Zahlbar
50hauses. Direktor Kurz spielte die zuletzt hier von 55.—] im Voraus
" 100 Max Löwenfeld dargestellte belustigende Figur mit 100.—
Geschick und Geschmack, wenngleich mit ungleichsausschnitte ist
Abomschwächerer Wirkung. Er war laub, so taub wie nie— auch steht es den
Al##n. or — für wohlgemeinte gute Ralbschläge.
— u. ler zu ändern.