II, Theaterstücke 3, Das Märchen. Schauspiel in drei Aufzügen, Seite 51

box 7/2
Das Maerchen
3
der Premiere dieses Stückes erinnern kann, wird Bald wurde in die eensthaftesten Szenen hinein¬
einer Wiedererweckung jenes Schauspiels gewiß mit gelacht, gesprochen und getobt, kurz, die Sache,
besonderer Spannung entgegenharren. Es war die so schön begonnen hatte, nahm einen
in der ersten Hälfte der neunziger Jahre, als überaus peinlichen Verlauf. Ein Theaterskandal
Arthur Schnitzler's „Märchen“ zum ersten Male nach allen Regeln der Berliner Theaterskandale,
am Deutschen Volkstheater in Wien unte der Direk= die man bis dahin in Wien nur vom Hörensagen
tion des verstorbenen Buckovics in Seene ging. gekannt hatte. So hatte sich Arthur Schnitzler's
Man wußte damals von Arthur Schnitzler] Debut in seiner Vaterstadt Wien gestaltet. Dieser
in der Wiener Gesellschaft nichts anderes, unglückliche Anfang hat aber doch nicht verhindert,
als daß er der liebenswürdige Sohn daß aus ihm in nicht allzu langer Zeit ein ganzer
eines der populärsten und genialsten Aerzte der Kerl geworden ist, jedenfalls einer der größten
österreichischen Hauptstadt war, und daß er dem Be= Dramatiker, deren sich heute das deutsche Theater
rufe seines verblichenen Vaters gefolgt sei. Als
zu erfreuen vermag. In rascher Folge drängte
dramatischer Dichter hatte er sich noch nicht vor= sich auf das „Märchen“ die prachtvolle „Liebelei“, dem,
gestellt gehabt. Aber auch das Wenige, was man wenn wir wichtigeren Erzeugnissen gedenken wollen,
von ihm wußte, hatte genügt, um den Abend, an
„Freiwild“, der „Grüne Kakadu“, der „Schleier
dem dieser jüngste Mann, den man bisher nur
der Beatrice“ und der „Einsame Weg“ gefolgt
von der Ringstraße aus gekannt hatte, zum Worte
sind. Wird in der nächsten Saison das Wiener
kommen sollte, zu einer sogenannten Sensations¬
Publikum sein erstes Urteil über das „Märchen“
Premiere zu gestalten. Kaum war der Vorhang einer Revision unterziehen? Es ist dies kaum
in die Höhe gegangen, so hatte man bereits nach
anzunehmen; wenn auch immerhin zugegeben
den ersten Szeuen die Empfindung, einem außer= werden muß, daß man sich einerseits im Laufe der
ordentlich starken und eigenartigen Taleute gegen= letzten dreizehn oder vierzehn Jahre im deutschen
über zu stehen. Das ging, solange es ging, d. h. Theaterleben an vieles hat gewöhnen
während der beiden ersten Akte. Bis dahin lernen, was bis dahin noch fremd an¬
war man dem jungen Dichter mit Spannung und gemutet haben mag, und daß endlich
Teilnahme gefolgt. Aber man soll keinen Autor vor
auch Arthur Schnitzler's Autorität als Bühnen¬
dem Ende seiner Première glücklich preisen. Es dichter eine so mächtige Steigerung erfahren hat,
kam der dritte und letzte Akt und mit diesem ein daß man ihm nunmehr auch gelegentlich einer
Umschlag in der Stimmung des Publikums, wie man Wiederaufführung des „Märchens“ mit achtungs¬
einen solchen in ähnlich drastischer Weise kaum jemals vollerer Teilnahme begeguen dürfte, als an jenem
erlebt haben mag. Der unbefriedigende und auch Abend der Première. Damals ist das „Märchen“
wohl kaum psychologisch motivierte Schluß entrüstete bereits nach der zweiten oder dritten Vorstellung
die Zuhörer. Sie begannen unruhig zu werden. vom Spielplan verschwunden.
Telephon 12801.
Mmeren Sn

O l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
4
0 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,

Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
QQuellenangabe ohne Gewahr.)
6 Ausschnitt ausDie Bombe, Wien

L.N
Gräbt man dech im Volkstheater den
„Star“ von Bahr aus, eine bummelige
Plauderei, die einst in der Ara Odilon flüchtiges
Parkettinteresse erweckt hat. Im Bürger¬
theater will man das „Märchen“, ein in alten
Zeiten durchgefallenes Stück Schnitzlers
hervorholen usw. — Dörmahlf Ist Meife
beinahe ein Klassiker. Es ist somit kein
Wunder, wenn die Bühnen, welche Gesang
bieten, und seien es auch mindere Variétés,
den andern Häusern den Rang ablaufen.
Man will lieber angenehm betäubt als von
17 modernen Problemstücken gelangweilt werden.
##rausschnitte
ien, I., Concordiaplätz 4.
Vertretungen
9 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenbe oh Genähr.)

4 Ausschnitt aus:
verinor Loral Anzein
9-J0L 1997
E vom:
8. „Märchen“, das
Sch
nächsten Spiezeir in Wien zur Aufführin
gelangen soll, ist, von den Dialogszenen
„Anatol“ abgesehen, seine erste drama
Schöpfung. Mit der Angriffslus
Schriftstellers gegen die bestehend
Moral hat Schnitzler hier ein
mit einer Vergangenheit, Schaf
Zeichens, in den Mittelpunkt
gestellt. Das Stück spielt in Künf
ist reich an ästhetischen und mora
versen. Es wird vor allem gegen de
jun
von der notwendigen Reinheit des
Mädchens, das in die Ehe tritt, volemisiert.
junge Schriftsteller Fedor Denner behauptei:
„Wir haben kein Recht, Unnatürliches zu fordern
und für Natürliches zu strafen. Und ich finde es
höchst anmaßend von der Gesellschaft, ein Weib
einfach darum, weil es wahr und natürlich
liebte, mit gedankenloser Verachtung aus
ihrem Kreise zu stoßen. Merken Sie nicht, daß
wir sie erst damit erniedrigen, ihnen damit die
Rückkehr unmöglich machen, sie tiefer und tiefer
stoßen?“ Aber die Wirklichkeit des Lebens straft
seine freigeistigen Anschauungen Lügen. Als ihm
die junge Schauspielerin Fanny Pheren bekennt,
daß sie einst einen Fehltritt begangen hat, stößt
er sie von sich. Er sagt mit Hebbels Sekretär aus
„Maria Magdalena“: „Darüber kann kein Mann
hinweg.“ Die Liebenden trennen sich, die Schau¬
spielerin nimmt in einem zweiten, gegen die erste
tragische Fassung geänderten Schluß ein Engage¬
ment nach Petersburg an. Das Schauspiel ist
noch sehr akademisch gehalten und leidet an einer
Ueberzahl flüchtig gezeichneter Nebenpersonen.
Immerhin dürfte es von Interesse sein, diesen
1
dramatischen Erstling Schnitzlers auf der Rühne
zu sehen.