II, Theaterstücke 3, Das Märchen. Schauspiel in drei Aufzügen, Seite 64

3. Das Maerchen
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0 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
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(Quelienangabe ohne Gewähr.)

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" Ausschnitt aus:
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Illustrirte Kronen-Zeitung, Wien
E vom:
(Bürgerthealer.) Gestern gab es eine hoch¬
interessante Première. Artur Schnitzler, der Dichter
ser „Liebelei“, der die berühmt gewördene Gestalt des
Wiener „süßen Mädels“ erfunden hat, ist nach längerer
Pause wieder mit einem neuen Stück zu Wort gekom¬
men. Sein Schauspiel „Das Märchen“ führt uns
in eine seiner so treu nach dem Leben gezeichneten
Wiener Vorstadtfamilien. Zwei Töchter sind im Hause.
Klara, die ältere, die, um sich zu versorgen, eine Ver¬
nunstehe eingeht, während die jüngere, Fanny,
von ihrem heißblütigen und leidenschaftlichen Tempera¬
ment verführt, bereits eine „Vergangenheit“ hat. Als
ein Mädchen, das seine Unschuld schon eingebüßt und
daher über die Achsel angesehen wird, hat sie wenig
Aussicht auf das spießbürgerliche Glück einer ehrbaren
Ehe. Sie geht daher zum Theater und lernt einen jun¬
gen Mann kennen, den sie mit all der Glut ihres heißen
Herzens lieb gewinnt und der auch sie liebt. Er kann
sich aber nicht entschließen, die „Gefallene“ zu heiraten.
Seine Freunde stacheln ihn fortwährend gegen die Ge¬
liebte auf, er selbst wird unausgesetzt von seinen eigenen
Bedenken und Zweifeln gepeinigt, und das Resultat
dieser Stimmung ist, daß er das Mädchen unaufhörlich
quält. Und als auch ihm schließlich dieses Leben zur
Qual wird, rät er der Geliebten, einen Engagements¬
antrag nach — Petersburg anzunehmen. — Dieses
Thema ist mit Geist und scharfem Verstand behandelt.
der Ernst der Situationen durch witzige Schlaalichter
fgemildert. Der Abend brachte das Debut von drei neu¬
sengagierten Mitgliedern der Bühne. Fräulein Olga
[Weede vom Frankfurter Schauspielhaus spielte die
(Fanny mit Innigkeit und Tönen echter Empfindung
und in den großen leidenschaftlichen Szenen war sie von
stärkster Wirkung. Eine elegante Bühnenerscheinung
unterstützt ihr Spiel. Den Fedor, die männliche Haupt¬
rolle, gab Herr Hermann John, der bisher dem Ber¬
liner Residenztheater angehört hatte. Auch er bedeutet
einen großen Gewinn für die Bühne. Er verfügt über
ein sicheres Auftreten, ist ein brillanter Sprecher, und
man merkt sofort, daß er den geistigen Inhalt seiner
Rolle voll ersaßt. Herr Robert Hartberg vom Ber¬
liner Trianontheater führte sich gleichfalls sehr sympa¬
tthisch ein. Die bewährten Stützen des Theaters, Fräu¬
lein von Brenneis, die von liebenswürdigster Na¬
türlichkeit war, der treffliche Anton Jules, dann die
Herren Berger, Schwartze und Seitz, sowie die
Damen Russek, Stoll, Kosch und Lorma ver¬
vollständigten das Ensemble. Es war ein großer Erfolg
mit vielem Beifall, für den der Dichter mehrmals
danken konnte.
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— Ausschnitt aus:
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28. SMer Deutsches Tagblatt, Wien
E vom:
Kunst und Wissenschaft.
Bürgertheater. Artur Schnitzlers Schauspiel
„Das Märchen“, das vor vierzehll Jähren ii Deutschen
Volkstheater durchgefallen war, erschien gestern auf den
Brettern des Bürgertheaters. Erhoffte man sich von der
Aufführung eine Rettung der mißglückten Arbeit? Wollte
man das harte Urteil von damals korrigieren? Es schien
so. Der Beifall knatterte gestern nach den Aktschlüssen von
den Galerien herab wie eine Kanonade auf der Simmeringer
Heide und zum Schlusse wurde auch Schnitzler auf die Bühne
gezerrt, als sollte demonstrativ ein Unrecht an ihm gutgemacht
werden. Ich fürchte, der geräuschvoll inszenierte Rehabili¬
tationsrummel war dennoch umsonst. Dem Schauspiel ist
nicht zu helfen. Es krankt an dem Zwitterbestreben,
ein Thesenstück und kein Thesenstück sein zu wollen, es
krankt an der Zwiespältigkeit der Tendenz, die Geschlechts¬
moral der Gesellschaft zu negieren und dennoch ihre Be¬
denken anzuerkennen. Zwischen Fanny Theren, einer
Schauspielerin, und dem Schriftsteller Fedor Denner be¬
steht eine unausgesprochene Neigung. Nun kommt einmal
in ihrer Gesellschaft das Gespräch auf die gefallenen
Mädchen, für die sich Fedor einsetzt. Es sei endlich an der
Zeit, meint er, das Märchen von den Gefallenen aus
unserer sittlichen Anschauung auszuschalten. Wir Männer
hätten durchaus kein Recht, immer die ersten und einzigen
sein zu wollen. Manches Mädchen, das sich einmal ver¬
gessen, wage nicht mehr, sich zu erheben, nur weil unsere
gedankenlose Verachtung es niederhalte. Beim Abschied faßt
Fanny seine Hand und drückt zum Dank für seine erlösenden
Worte verstohlen einen heißen Kuß darauf. Nun weiß er,
daß auch sie eine von jenen ist, die er gegen die Gesellschafts¬
moral verteidigt hat. In der Liebespraxis mit Fanny
benimmt sich aber der edle Theoretiker ganz anders. Die
Vorurteile, die er abgeschworen hat, werden nur zu
bald in ihm wach, und er kann den Gedanken nicht
los werden, daß der Mann einer Gefallenen lächerlich
sei. Mit selbstquälerischer Grausamkeit bohrt er sich in
die Vergangenheit des Mädchens, das er liebt, und seine
Liebeswonnen balgen sich mit unüberwindlichem Etel
vor dem Bewußtsein, der dritte und nicht der erste ge¬
wesen zu sein. Und seine Eifersucht auf ihre Vergangen¬
heit nimmt zu, je inniger sie ihre Liebe ihm entgegenbringt.
Zum Schlusse kommt dennoch das Voneinandergehen: er
zieht von hinnen, wie ein Henker, der einen Unschuldigen
um einer Tat willen köpft, die er selbst begangen hat.
Herr Hermann John war nicht der Mann, den unan¬
genehmen Patron mit dem ethischen Radikalis¬
mus auf der Zunge und mit der Philistrosität
im Herzen uns näher zu bringen oder glaub¬
hafter zu machen. Mit steifer und erzwungener
Eleganz deklamierte er Gemüt, wo sein Benehmen an
Brutalität grenzt. Neben ihm gab es noch ein Debüt:
Fräulein Olga Weede. Sie spielte die Fanny mit den
tragischen Akzenten einer gut dotierten Routine, durch die
immerhin ein persönlich warmer Ton schlug, warm genug,
um innere Teilnahme zu erwecken. Freilich an Adele
Sandrock durfte man nicht denken. Sonst konnte man sich mit
der vom Regisseur Siegfried Rüthling in Szene gesetzten
Aufführung zufriedengeben und die Leistungen der Herren
Brückner, Schwartze, Seitz, Berger, Stoll¬
berg und Jules sowie der Damen Russeck,
Brenneis, Stoll, Kosch und Lorm standen durch¬
wegs auf der gewohnten Höhe des Bürgertheaters. Von
Herrn Hartberg war es ein Kunststück, diese Höhe
nicht zu erreichen. Etwas so lächerlich Plumpes wie seinen
Dr. Friedrich Witte, der in dem Stück das Prinzip des.
seinsten Zynismus repräsentieren sollte, hat man auf einer
Wiener Bühne überhaupt noch nicht gesehen.