box
712
3. Das Maerchen
##te #answseensregeneidue#piererun
Brunenwirtung. Eine fabelhaft wirksame Drehbühne in
Piscators ausgezeichneter Inszenierung entschied den großen
Erfolg der Uraufführung.
M. J.
„Das Märchen“ im Lessingtheater. Arthur Schnitz¬
lers in Berlin bisher noch nicht aufgeführtes Schauspiel „Das
Märchen“, die unverkennbare Vorsiudie zur „Liebelei“, hat
gestern im Lessing=Theater das Publikum lebhaft inter¬
essiert und zu reichem Beifall angeregt. Schauspielerisch hat für
die Halbtragödie der kleinen Schauspielerin, die von bedenklichen
Erlebnissen vergebens den Rückweg zu einem normalen Liebes¬
glücke sucht, Camilla Spira das Wesentliche getan. Wenn auch
etwas zu kindlichstroßig im Grundton, gewann sie doch durch eine
interessante Individualität und Lebhaftigkeit der Impulse die
Teilnahme für die Heldin. Ihr Partner Möllendorff, zugleich der
Spielleiter des Abends, kam nicht völlig auf die Höhe der Rolle
und zur vollen Belebung des geistreichen Stückes.
A. K.
(Hierzu sieben Beilagen.)
Verantwortlich für die Anzeigen: Willy Sauer, Neukölln.
Verlag und Druck: Ullstein A. G. Berlin.
Dr. Max Goldschmidt
Büro für Zeitungsausschnitte
Telefon: Norden 3051
BBRLIN N4
Ausschnitt aus:
Berliner Lokal-Anseiger
—d. Im Lessing=Theater wurde gestern
Arthur Schnitzlers lange nicht gespieltes
und hier schon halb vergessenes Schauspiel „Das
Märchen“ wieder zum ersten Male aufgeführt.
Die ganz Schnitzlersche freundlich=ironische, sen¬
timental=melancholische Auseinandersetzung über
das Thema: Jungfräulichkeit — Heirat — Liebes¬
episode — Wahre Sittlichkeit. Hebbels: „Dar¬
über kann kein Mann hinweg“ übertragen auf
Schnitlersche Feuilletonistik. Man gab das
Wiener Stück norddeutsch, und das mag wohl schuld
daran gewesen sein, daß das Publikum ziemlich
kühl blieb. So über die ernstesten Probleme
plaudern kann man nur „weanerisch“ kein Mensch
auf der Bühne aber sprach Schnitzlers Dialekt.
Außerdem schien die Aufführung etwas über¬
hastet (der Spielleiter, Curt v. Viöllendorff, war
wie man hörte, in den letzten Tagen recht leidend)
und Julius Richter hatte einen zweiten Akt auf¬
gebaut, der etwas stark an Vorstadt erinnerte.
Camilla Spira spielte die Fanny Theren, das
liebe, gute Mädel, das strauchelte, weil der
Sommer so schön war und die Blumen so süß
dufteten und der Mann sie betörte. Und nun
kann sie nicht wieder honett werden und brar
bürgerlich heiraten. Weil „Er“ nicht darüber
hinwegkommt. Camilla Spira, die als muntere
Liebhaberin so vielversprechend war, hat sich
doch vielleicht zu viel zugetraut, als sie die
Fanny spielen wollte. Solche Anklagen Mullers
gegen die erbarmungslose Gesellschaft, die schnell
mit der Aechtung ist, müssen aus tiefster Seele
kommen. Hier klang so vieles zu bewußt kon¬
sterniert. Curt v. Möllendorff gab den Mann,
der „nicht darüber hinwegkomnt“, zuerst etwas
temperamentlos, dann aber mit dem nötigen
künstlerischen Elan. Kaiser=Titz spielte seine
Episode gewandt, ebenso Carl Heinz Klubertanz
und Rudolf Lettinger.
Dr. Max Goldschmiet
Büro für Zeitungsausschnitte
BERLIN N4
Teleion: Norden 3051
Ausschnift aus:
Deutsche Tageszeitung, Berlin
Schnitz'er: „Das Märchen.
(Lessing=Theater.)
Dieser frühe Schnitzler — das Stück ist über 30 Jahre alt un
zwischen „Anatol“ und „Liebelei“ entstanden — schmeckt nar
Strindberg und Wedekind, ja selbst nach dem späten Schnitzle
verdammt schal. Das Märchen vom gefallenen Mädel wird je
an einem immerhin „greifbaren“ Beispiel demonstriert; in Wirk
lichkeit wird aber darüber drei Akte lang geschwätzt. Daß ein
kleines Mädel vom Theater ein paar Geliebten gehört hat, ehe
es an den „Einen“ kommt, und daß dieser Eine, wie alle Idealisten
des verflossenen Naturalismus, theoretisch für die Gefallene
schwärmt, wenn's aber ernst wird, über das „Gewesene“ nicht
hinwegkommt, ist ja eine immerhin tragische Angelegenheit.
Und es ist auch bei Schnitzler, als Forderung des Naturalismus,
„eine Abrechnung mit der herrschenden Moral“. Aber eine fade
Abrechnung, die durch die vielen redseligen Nebenfiguren noch
mehr verwässert wird.
Die oon Curt von Möllendorff geleitete Aufführung
konnte die Ausgrabung des Stückes auch nicht rechtfertigen. Es
standen viel Leute auf der Bühne, von denen einige ganz hilflos,
andere leidlich amüsant waren. Camilla Spira umgab die
Figur der restlos enttäuschten Fanny wenigstens mit einem
Schimmer von Tragik. Möllendorff war zwei und einen halben
Akt eine Null. Zum Schluß konnte er sich immerhin stark moralisch
entrüsten. Erich Kaiser=Titz beherrschte im zweiten Akt
H. K.
mit sanften Zynismen die Szene.
Dr. Max Goldschmielt
Büro für Zeitungsausschnitte
BERLIN N 4
Teleion: Norden 3051
Husschnitt aus:
Vorwärts, Berlin
15. März 1925
„Das Märchen" von Arkhur Schulhler. Die Direktion des
Lessing=Theaiers het weder dem Autor noch dem Publi¬
kum einen Dienst erwiesen, als sie dieses Stück, das anfangs der
90er Jahre geschrieben wurde, aus seiner verdienten Vergessenheit
hervorzog. Man mußte sich während der Aufführung fortgesetst
fragen, ist das wirklich Schnitzler, der Verfasser feinsinniger dra¬
matischer Skizzen und psychologischer Novellen, der hier durch den
Mund der handelnden Personen zu dem Publikum spricht. Grau
und verstaubt klangen die Tiraden, wie aus weiter Ferne erkönten
die philosophisch gefärbten Auseinandersetzungen, hohl und un¬
wahrscheinlich erschienen die feelischen Konflikte, die von den han¬
delnden Personen glaubhaft gemacht werden sollten. Das an sich
nicht uninteressante Thema der doppelten Moral des männlichen
Geschlechts und der Unfähigkeit des Mannes, sich der Frau gegen¬
über von der alten überlieferten Moral freizumachen, wird in diesem
Stück in einer so hölzernen, unlebendigen Form behandelt, daß es
bei dem Zushauer nicht die geringste seelische Reaktion auslöst. Viel¬
leicht hätte eine bessere Aufführung dennoch etwas mehr von dem
Stück zu retten vermocht. Aber die Fülle der Talentlosigkeit auf der
Bühne mußte nur noch den deprimierenden Eindruck verstärken.
Selbst die Ansätze eines talentvollen Spiels bei Camilla Sphra
in der Rolle der Fanny konnte über die Langeweile der Aufführung
nicht hinweghelfen. Ein verlorener Abend.
St
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3. Das Maerchen
##te #answseensregeneidue#piererun
Brunenwirtung. Eine fabelhaft wirksame Drehbühne in
Piscators ausgezeichneter Inszenierung entschied den großen
Erfolg der Uraufführung.
M. J.
„Das Märchen“ im Lessingtheater. Arthur Schnitz¬
lers in Berlin bisher noch nicht aufgeführtes Schauspiel „Das
Märchen“, die unverkennbare Vorsiudie zur „Liebelei“, hat
gestern im Lessing=Theater das Publikum lebhaft inter¬
essiert und zu reichem Beifall angeregt. Schauspielerisch hat für
die Halbtragödie der kleinen Schauspielerin, die von bedenklichen
Erlebnissen vergebens den Rückweg zu einem normalen Liebes¬
glücke sucht, Camilla Spira das Wesentliche getan. Wenn auch
etwas zu kindlichstroßig im Grundton, gewann sie doch durch eine
interessante Individualität und Lebhaftigkeit der Impulse die
Teilnahme für die Heldin. Ihr Partner Möllendorff, zugleich der
Spielleiter des Abends, kam nicht völlig auf die Höhe der Rolle
und zur vollen Belebung des geistreichen Stückes.
A. K.
(Hierzu sieben Beilagen.)
Verantwortlich für die Anzeigen: Willy Sauer, Neukölln.
Verlag und Druck: Ullstein A. G. Berlin.
Dr. Max Goldschmidt
Büro für Zeitungsausschnitte
Telefon: Norden 3051
BBRLIN N4
Ausschnitt aus:
Berliner Lokal-Anseiger
—d. Im Lessing=Theater wurde gestern
Arthur Schnitzlers lange nicht gespieltes
und hier schon halb vergessenes Schauspiel „Das
Märchen“ wieder zum ersten Male aufgeführt.
Die ganz Schnitzlersche freundlich=ironische, sen¬
timental=melancholische Auseinandersetzung über
das Thema: Jungfräulichkeit — Heirat — Liebes¬
episode — Wahre Sittlichkeit. Hebbels: „Dar¬
über kann kein Mann hinweg“ übertragen auf
Schnitlersche Feuilletonistik. Man gab das
Wiener Stück norddeutsch, und das mag wohl schuld
daran gewesen sein, daß das Publikum ziemlich
kühl blieb. So über die ernstesten Probleme
plaudern kann man nur „weanerisch“ kein Mensch
auf der Bühne aber sprach Schnitzlers Dialekt.
Außerdem schien die Aufführung etwas über¬
hastet (der Spielleiter, Curt v. Viöllendorff, war
wie man hörte, in den letzten Tagen recht leidend)
und Julius Richter hatte einen zweiten Akt auf¬
gebaut, der etwas stark an Vorstadt erinnerte.
Camilla Spira spielte die Fanny Theren, das
liebe, gute Mädel, das strauchelte, weil der
Sommer so schön war und die Blumen so süß
dufteten und der Mann sie betörte. Und nun
kann sie nicht wieder honett werden und brar
bürgerlich heiraten. Weil „Er“ nicht darüber
hinwegkommt. Camilla Spira, die als muntere
Liebhaberin so vielversprechend war, hat sich
doch vielleicht zu viel zugetraut, als sie die
Fanny spielen wollte. Solche Anklagen Mullers
gegen die erbarmungslose Gesellschaft, die schnell
mit der Aechtung ist, müssen aus tiefster Seele
kommen. Hier klang so vieles zu bewußt kon¬
sterniert. Curt v. Möllendorff gab den Mann,
der „nicht darüber hinwegkomnt“, zuerst etwas
temperamentlos, dann aber mit dem nötigen
künstlerischen Elan. Kaiser=Titz spielte seine
Episode gewandt, ebenso Carl Heinz Klubertanz
und Rudolf Lettinger.
Dr. Max Goldschmiet
Büro für Zeitungsausschnitte
BERLIN N4
Teleion: Norden 3051
Ausschnift aus:
Deutsche Tageszeitung, Berlin
Schnitz'er: „Das Märchen.
(Lessing=Theater.)
Dieser frühe Schnitzler — das Stück ist über 30 Jahre alt un
zwischen „Anatol“ und „Liebelei“ entstanden — schmeckt nar
Strindberg und Wedekind, ja selbst nach dem späten Schnitzle
verdammt schal. Das Märchen vom gefallenen Mädel wird je
an einem immerhin „greifbaren“ Beispiel demonstriert; in Wirk
lichkeit wird aber darüber drei Akte lang geschwätzt. Daß ein
kleines Mädel vom Theater ein paar Geliebten gehört hat, ehe
es an den „Einen“ kommt, und daß dieser Eine, wie alle Idealisten
des verflossenen Naturalismus, theoretisch für die Gefallene
schwärmt, wenn's aber ernst wird, über das „Gewesene“ nicht
hinwegkommt, ist ja eine immerhin tragische Angelegenheit.
Und es ist auch bei Schnitzler, als Forderung des Naturalismus,
„eine Abrechnung mit der herrschenden Moral“. Aber eine fade
Abrechnung, die durch die vielen redseligen Nebenfiguren noch
mehr verwässert wird.
Die oon Curt von Möllendorff geleitete Aufführung
konnte die Ausgrabung des Stückes auch nicht rechtfertigen. Es
standen viel Leute auf der Bühne, von denen einige ganz hilflos,
andere leidlich amüsant waren. Camilla Spira umgab die
Figur der restlos enttäuschten Fanny wenigstens mit einem
Schimmer von Tragik. Möllendorff war zwei und einen halben
Akt eine Null. Zum Schluß konnte er sich immerhin stark moralisch
entrüsten. Erich Kaiser=Titz beherrschte im zweiten Akt
H. K.
mit sanften Zynismen die Szene.
Dr. Max Goldschmielt
Büro für Zeitungsausschnitte
BERLIN N 4
Teleion: Norden 3051
Husschnitt aus:
Vorwärts, Berlin
15. März 1925
„Das Märchen" von Arkhur Schulhler. Die Direktion des
Lessing=Theaiers het weder dem Autor noch dem Publi¬
kum einen Dienst erwiesen, als sie dieses Stück, das anfangs der
90er Jahre geschrieben wurde, aus seiner verdienten Vergessenheit
hervorzog. Man mußte sich während der Aufführung fortgesetst
fragen, ist das wirklich Schnitzler, der Verfasser feinsinniger dra¬
matischer Skizzen und psychologischer Novellen, der hier durch den
Mund der handelnden Personen zu dem Publikum spricht. Grau
und verstaubt klangen die Tiraden, wie aus weiter Ferne erkönten
die philosophisch gefärbten Auseinandersetzungen, hohl und un¬
wahrscheinlich erschienen die feelischen Konflikte, die von den han¬
delnden Personen glaubhaft gemacht werden sollten. Das an sich
nicht uninteressante Thema der doppelten Moral des männlichen
Geschlechts und der Unfähigkeit des Mannes, sich der Frau gegen¬
über von der alten überlieferten Moral freizumachen, wird in diesem
Stück in einer so hölzernen, unlebendigen Form behandelt, daß es
bei dem Zushauer nicht die geringste seelische Reaktion auslöst. Viel¬
leicht hätte eine bessere Aufführung dennoch etwas mehr von dem
Stück zu retten vermocht. Aber die Fülle der Talentlosigkeit auf der
Bühne mußte nur noch den deprimierenden Eindruck verstärken.
Selbst die Ansätze eines talentvollen Spiels bei Camilla Sphra
in der Rolle der Fanny konnte über die Langeweile der Aufführung
nicht hinweghelfen. Ein verlorener Abend.
St