II, Theaterstücke 3, Das Märchen. Schauspiel in drei Aufzügen, Seite 116

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3. Das Maerchen
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Dr. Mex Goldachmidt
Süro für Zeitungsausschnitte
BERLIN N4
Telefon: Norden 3051
ltung, Verlin.
17. Manz 1925
Arthur Schnitzlers „Märchen“
Lessing-Theater
Ein Schnitzler aus der Zeit vor der „Liebelei", die ihn
(berühmt gemacht hat. Ist das Stück vom „süßen Wiener Mädel“
erheblich verblaßt, so wirkt „Das Märchen“ wie ein Gespenst ...
Vorbei sind lange schon die Tage der Feuilletondialoge, die hier das
Prodlem von der körperlichen Unberührtheit der Frau vor der
Ehe begleiten. Unvergängliche Banalität, elegant vorgetragen. Man
wird müde und melancholisch davon. Dazu wurde das nicht übel
gebaute Schauspielchen etwas verschwommen wiedergegeben. Die
Darstellung war uneinheitlich. Einzelne Episoden (Kaiser=Titz,
Kluberianz. Weber) vortrefflich. Die Hauptdarstellerin
(Camilla Spira) nur in manchen Momenten echt, so sehr sie
sich bemühte, der ihr kaum zusagenden Rolle Leben einzuhauchen.
Herr v. Möllendorf (gleichzeitig Spielleiter) übertrieb die Geste
des mit der Vergangenheit der Geliebten sich quälenden Mannes.
Trotz alledem — es ist eine beifällige Aufnahme des Stückes festzu¬
stellen, das auf ein für ein zeitgenössisches Bühnenwerk immerhin¬
ehrwürdiges Alter von etwa 32 Jahren zurückblickt.
Dr. Max Goldschmiet
Büro für Zeitungsausschnitte
Telefon: Norden 3051
BERLIN N4
Ausschnitt aus:
Germania, Berlin
7 März 1925

Lessingtheater: Arthur Schnitzlers „Märchen“ Weder
Tüber das Stück noch über seine Därbietung sind viel Worte zu
verlieren: beides war dürftig. Einen halben Mann und ein
noch nicht ganzes Mädchen sieht man sich umeinander bemühen.
Dabei werden sie gehetzt und gehindert von einem Dutzend
Leute, teils veralteten und verkalkten, teils revoltierenden
Schlages, wie das so mal geht im Leben. Dabei bleibt es höchst
märchenhaft, was denn nun eigentlich das „Märchen“ ist. Ca¬
milla Spira bemühte sich um die Rolle der Fanny Theren,
kam aber weder nach dem Leidenschaftlichen noch nach dem Tra¬
gischen hin zur Entfaltung. Noch schwächer war ihr Partner
Kuri von Möllendorf als Dichter Fedor Donner. Wie
schwach die anderen irielien, zeigte Fred Lieske als Dr.
Friedrich Witte, der mit seinem bißchen Nebenrolle das einzig
Gekonnte bei.
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Dr. Max Goldschmielt
Büro für Zeitungsausschnitte
BERLIN N4
Telefon: Norden 3051
Der Ver
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MAIT AHOr
Lessing-Theater
Schnihlers „Märchen“
Es war einmal. Da regte man sich noch auf, wenn von
„gefallenen Mädchen“, von „freier Liebe“ und dergleichen die
Rede war. Heute denkt man darüber weitherziger, ruhiger. Und
findet es altbacken, wenn von Dingen viel Wesens gemacht wird,
die nun einmal einen Bestandteil des zwanzigsten Jahrhunderts
bilden. Wann war's, daß Schnitzler sich, am Anfang seiner
dramatischen Laufbahn, mit diesen Fragen befaßte, die damals
noch „Probleme“ bildeten, und daß sein Fedor Denner im Auf¬
wallen edlen Menschentums es als unwürdig schalt und überdies
ins Gebiet des Märchens verwies, daß aufgeklärte Leute ein Mäd¬
chen verurteilen könnten, weil es in seinem Liebesleben so etwas
wie Etappen zu verzeichnen hatte? Vor fünfundzwanzig, vor
dreißig Jahren etwa. Heute wird er lächeln über seine Arbeit von
damals, heute würde er den Gegenstand sicher anders behandeln.
Aber zu jener Zeit ließ er seinen Herrn Fenner straks das Gegen¬
teil dessen beweisen, was dieser theoretisch mit Emphase verkündete.
Denn der Fanny Theren, diesem lieben kleinen Mädel, das sich
an Fedors Seite von ihrer Vergangenheit befreien möchte, be¬
reitet er ein wahres Martyrium, als es sich für ihn darum handelt,
als er sie zu seiner Frau erheben oder sich mit philosophischem
Gleichmut von ihr wenden soll, wie einer der Freunde es getan.
Und so zeigt der gute Fedor uns, der sich selbst für viel edler hält,
ob er ist, daß es sich bei besagter Theorie gar nicht um ein
Märchen, sondern um recht nüchterne Wirklichkeit handelt und
daß er selber, grausam aber wahr, diese Wirklichkeit, unschön
genug. personifiziert.
Curt von Möllendorff, der den Fedor gab, führte auch die
Regle und handelte vielleicht ganz sinngemäß, indem er das Stück
im Milieu der Zeit seines Entstehens spielen ließ. So sahen wir
die Gestalten, wie sie damals, im Wien des jungen Schnitzler, sich
bewegten, in aller Gemütlichkeit ihrer Bohême=Naturen vor uns.
Aber andererseits trat damit auch der antiquierte Charakter des
Werkes so stark wie unvorteilhaft in die Erscheinung, obgleich e¬
an guten darstellerischen Leistungen nicht fehlte. Die Fanny
Theren Camilla Spiras zumal ließ alle Lust und alle Qual des
liebegtühenden und zugleich verzweifelten Mädchens aufschreien.
das zu den bisherigen Enttäuschungen seines jungen Herzens eine
neue fügen muß, um fortan Befriedigung in der Kunst zu finden,
die ihr eine glänzende Bühnenlaufbahn prophezeit. Zweifellos, in
dieser jungen Darstellerin steckt ein Talent, von dim man Gutes
erwarten darf. Nur ihr Danknicken an den Aktschlüssen — eine
Kabaretterfindung Senta Sönelands — ist furchtbar und merk¬
würdig, daß die Spielleitung nicht ein Veto einlegte. Als Fedor
Fenner vermehrte Kurt v. Möllendorf das Schnitzlersche Schwer¬
gewicht des unglücklich Verliebten aus Eigenem noch um viele
Pfunde. Das war nicht mehr wienerisches, das war das Tem¬
perament des Eiszeitmenschen. Im Uebrigen boten Eise Wasa,
Lina Paulsen, Ellen Tietz, Carl Heinz Klubertanz, Rudolf Let¬
tinger Anerkennenswertes, und eine prächtig gelungene Episode
war Otto Weber als etwas verwahrlostem Malersmann und Otty
Schröder als schnapsfröhlicher kleiner Ninette zu danken. Aber
neues Leben ist dem Stücke nicht einzuhauchen; es gehört einer
G.
Zeit an, von der es heißt: es war einmal ...