3. Das Maerchen
box 7
An en aenenenen enen eneen 11
Dr. Max Goldschmiet
Büro für Zeitungsausschnitte
Telefon: Norden 3051
BERLIN N 4
Husschnitt aus:
Hannoverscher Courler
1. April 1001
Berliner Theaterbrief.
Star= und Ensemblekunst. — Rudolf Leonhards
„Segel am Horizont“.
Eine Schnitzler=Aus¬
grabung.
Von
Hanns Martin Elster.
Beelin, 23. März.
Eine Schreckensnachricht ging kürzlich durch das Theater¬
Berlin: die Schauspieler wollten streiken. Wegen der Gagen¬
konvention. Man wollte sich die Vorschriften der Herren Bühnen¬
leiter auf Begrenzung einer Verdienstmöglichkeit als Promi¬
nenter oder Nicht=Prominenter nicht mehr gefallen lassen. Nun,
es kam natürlich nicht zum Streik. Wer geht — als Gagen¬
empfänger — gerne seiner Tageseinnahmen (und wenn es 300 .K
für den Tag bei den Prominenten sind!) verlustig? Und wer
will — als Gagenzahler — gerne auf die Tageskasse verzichten?
Also, man setzte sich an den Verhandlungstisch. Und verhandelt
noch. Und wird weiter verhandeln, bis ein schöner, runder
Kompromiß dabei herauskommt, daß man alle Teile befriedigt
in puncio Geld.
Nur vielleicht einen Teil nicht, nämlich all die, denen es um
die Kunst geht.
Denn der Vorstoß gegen die Gagenkonvention ist ein Vorstoß
der „Stars“. Also, künstlerisch gedacht, ein Angriff auf den
Ensemblegedanken. Als wir das erste Mal von der
Konvention in Kenntnis gesetzt wurden, trat Jeßner in seiner
charakterfesten Art auf und wies darauf hin, daß die Konvention
dem Ensemble diene; deswegen mache er mit. Dies steht un¬
zweifelhaft fest. Jeßner hat es an den staatlichen Theatern be¬
wiesen, weil es ihm auf Kunst ankommt. Vielen Privattheatern
(und Stars) kommt es aber mehr auf — Geld an. Dieser Geld¬
wille zerstört die Schauspielkunst.
Ich hätte es darum einmal lieber auf einen Streik ankommen
lassen. Mein Gott, was wäre denn schon Schlimmes geschehen,
wenn die Berliner Theater einmal hätten schließen müssen? „Die
heilige Johanna“ ist doch schon mehr als hundertmal herunter¬
gespielt worden, „Die Stützen der Gesellschaft" „Die Großfürstin
und der Zimmerkellner“ „Der Kinderkarneval“ usw. usw. sind
doch auch nicht gerade Stücke, die dem Volke unbedingt erhalten
werden müssen! Die Kunst, die geistige Sehnsucht unserer Tage
hätte bei einem Streik nichts verloren. Nur die Geldtasche der
Schauspieler und Bühnenleiter.
Und das wäre doch nur gut gewesen. Man wäre dann viel¬
leicht auch einmal wieder auf den ausgefallenen Gedanken ge¬
kommen, daß das Theater nicht nur ein Geschäft ist, sondern auch
etwas — ich sage sage ja schon nur „etwas“! — mit Kunst zu
tun hat.
Sozusagen.
Aber es hat nicht sollen sein. Und wir haben nun das
zweifelhafte Vergnügen, Hans Bachwitz' „Yoshiwara“
das Stück des japanischen Bordells — weiter im Trianontheater
zu genießen oder zu bewundern, wie Jakob Thielscher immer noch
den albernen „wahren Jakob“ macht. Einzelnen Unsinn fegt die
Zeit und Kritik ja doch bisweilen von der Bühne: so Dumas —
kürzlich vom „Deutschen Theater“ neu ausgegrabene „Kame¬
liendame“
Sie hatte sich
— angeblich — von Theodor
Tagger (dem Leiter des Renaissancetheaters) bearbeiten
lassen, aber nach der Premiere erhob Tagger ein Geschrei: diese
Bearbeitung mit dem verfahlten Schluß sei nicht von ihm, sondern
von Bert Brecht und andern.... Kein Mensch fand dann, als
auch noch Bert Brecht sich zu dem Kasus geäußert hatte, mehr
heraus, wer nun alles sich an der „Kameliendame“ vergangen
hatte. Man tat das Klügste, was man tun konnte, und sperrte
Elisabeth
dieser von vielen bearbeiteten Dame das Haus.
Bergner und das Deutsche Theater hatten den Schaden davon ...
Wir sind wenigstens um eine Anekdote reicher...
Bei all diesen Erfahrungen möchte man bisweilen an der
Auch die einzige
jungen Dramatikergeneration verzweifeln.
Uraufführung in letzter Zeit enthüllte eine merkwürdige Unreife
neben starker Theaterbegabung. Interessant war dieser Abend
gewiß, den Rudolf Leonhard uns mit seinem „Segel am
Horizont“ in der Volksbühne bereitete. Geistig wie künst¬
lerisch interessant.
925
Geistig: Rudolf Leonhard ist unbedingter
Anhänger der kommunistischen Ideen, der russischen Ideologie,
obwohl er intellektuell und kritisch genug ist, zu spüren, wie hier
die Natur gegen die Konstruktion des kommunistischen Welt¬
gebäudes spricht. Aber er ist mit Leib und Seele Parteimann.
Warum soll er also für die Partei nicht einfach die Natur ver¬
gewaltigen?
Das wird nun, vom künstlerischen Standpunkt aus, mit einem
so eiskalten technischen Raffinement gemacht, daß jede innere
Wahrscheinlichkeit in die Brüche geht. Was bleibt, ist ein Sich¬
drehen im Kreise, eine Konstruktion ohne Sinn, ein leeres Spiel,
das nur um der Sensation willen da ist. Die Sensation lang¬
weilt schließlich, weil sie sich in immer gleicher Weise wiederholt.
Das Motiv langt für einen Einakter, könnte menschlich durch¬
geführt werden, sich sogar zu Dichtung auswachsen, wird statt¬
dessen aber zu einem Abend füllenden Stück auseinandergewalzt
und verliert durch das Parteitendenziöse jede dichterische Be¬
deutung.
Eine Zeitungsnotiz brachte Leonhard den Stoff: das russische
Segelschiff „Towarichtsch“ lief auf der Heimfahrt nach Petersburg
den englischen Hafen Port Talbot an und gab hier bekannt, daß
die Frau des Kapitäns, der in einem früheren Hafen verschwun¬
den war von der gesamten Mannschaft einstimmig zum Führer
des Schiffs gewählt sei. Leonhard sah die Situation: sechzig
Matrofen, lebens= und liebeshungrige Männer und eine Frau!
Aus diesem Gegensatz entwickelte er sein Stück! Nicht aber. um
Menschliches, Tragisches oder Befreiendes zu offenbaren, sondern
um zu beweisen, daß 2
Kommuni us sein ko
Auf . u Schiff 13
unter der Teschrechtsgie
mann, noch Koch, wede
bleiben von der Sehn
Frau kann nicht mehr
„Matrosenrat“.
eines Matrosen einen
den Telegraphisten, de
aber nicht wählen:
Verachtetsten unter de
die Matrosenmasse nich
glücklichen über Bord.
allgemein. Der Teleg
die Kapitänin ais sch
Kapitänin will alle
der herannahenden Ha
ist der deus ex machir
und Kapitänin! Sie
Hafen ab..
Man denkt sofort:
losgehen. Und sie wir
bei um einen Naturvo
man nicht mit einer
Irrtum. Im einzelne
einzelnen, wo es sich
darum auch durch Ech
zerbläst wie eine Illu
Die sozialdemokrat
Parteienge erzogen,
Unwahrhaftigkeit des
Zugleich berauscht von
sehr schönem Bühnenbis
Sommerwolken mit H
Fahrt mitten auf den
Piscators ausgeze
spiel zwischen den Ma
Einzelpersonen, eine
Lebenskraft. Gerda
der aufgewühlten Man
Momente in der Offen
frei werden möchte.
Trotz aller Einwä
beachtenswerte, zukunft
er sich einmal vom Pa
grund aller Kunst bekeh
seines
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An en aenenenen enen eneen 11
Dr. Max Goldschmiet
Büro für Zeitungsausschnitte
Telefon: Norden 3051
BERLIN N 4
Husschnitt aus:
Hannoverscher Courler
1. April 1001
Berliner Theaterbrief.
Star= und Ensemblekunst. — Rudolf Leonhards
„Segel am Horizont“.
Eine Schnitzler=Aus¬
grabung.
Von
Hanns Martin Elster.
Beelin, 23. März.
Eine Schreckensnachricht ging kürzlich durch das Theater¬
Berlin: die Schauspieler wollten streiken. Wegen der Gagen¬
konvention. Man wollte sich die Vorschriften der Herren Bühnen¬
leiter auf Begrenzung einer Verdienstmöglichkeit als Promi¬
nenter oder Nicht=Prominenter nicht mehr gefallen lassen. Nun,
es kam natürlich nicht zum Streik. Wer geht — als Gagen¬
empfänger — gerne seiner Tageseinnahmen (und wenn es 300 .K
für den Tag bei den Prominenten sind!) verlustig? Und wer
will — als Gagenzahler — gerne auf die Tageskasse verzichten?
Also, man setzte sich an den Verhandlungstisch. Und verhandelt
noch. Und wird weiter verhandeln, bis ein schöner, runder
Kompromiß dabei herauskommt, daß man alle Teile befriedigt
in puncio Geld.
Nur vielleicht einen Teil nicht, nämlich all die, denen es um
die Kunst geht.
Denn der Vorstoß gegen die Gagenkonvention ist ein Vorstoß
der „Stars“. Also, künstlerisch gedacht, ein Angriff auf den
Ensemblegedanken. Als wir das erste Mal von der
Konvention in Kenntnis gesetzt wurden, trat Jeßner in seiner
charakterfesten Art auf und wies darauf hin, daß die Konvention
dem Ensemble diene; deswegen mache er mit. Dies steht un¬
zweifelhaft fest. Jeßner hat es an den staatlichen Theatern be¬
wiesen, weil es ihm auf Kunst ankommt. Vielen Privattheatern
(und Stars) kommt es aber mehr auf — Geld an. Dieser Geld¬
wille zerstört die Schauspielkunst.
Ich hätte es darum einmal lieber auf einen Streik ankommen
lassen. Mein Gott, was wäre denn schon Schlimmes geschehen,
wenn die Berliner Theater einmal hätten schließen müssen? „Die
heilige Johanna“ ist doch schon mehr als hundertmal herunter¬
gespielt worden, „Die Stützen der Gesellschaft" „Die Großfürstin
und der Zimmerkellner“ „Der Kinderkarneval“ usw. usw. sind
doch auch nicht gerade Stücke, die dem Volke unbedingt erhalten
werden müssen! Die Kunst, die geistige Sehnsucht unserer Tage
hätte bei einem Streik nichts verloren. Nur die Geldtasche der
Schauspieler und Bühnenleiter.
Und das wäre doch nur gut gewesen. Man wäre dann viel¬
leicht auch einmal wieder auf den ausgefallenen Gedanken ge¬
kommen, daß das Theater nicht nur ein Geschäft ist, sondern auch
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— angeblich — von Theodor
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auch noch Bert Brecht sich zu dem Kasus geäußert hatte, mehr
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jungen Dramatikergeneration verzweifeln.
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