13. Die Gleitenden
„OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Stuttgarter Neues Tagblatt
7.4.1932
Unter den Schnitzler=Feiern, die das frischt
Grab des Dichters-pietawoll-zu bekränzen unternahmen,
war die des Volkstheaters die bemerkenswerteste; suchte
sie den Meister doch mit der Uraufführung von
fünf hinterlassenen Einaktern zu ehren, deren dramatisch
blutbollster „Die Morderin“ heißt. Im Mittel¬
punkt der Handlung ein dämonisches Weib, das neben
ihrem Arbeiter auch einen jungen Studenten hörig macht.
Mit letzterem will sie fliehen und ein neues Leben be¬
ginnen. Durch eine unglückselige Verkettung von Um¬
tänden gerät aber der Arbeiter mit dem Studenten in
ein Handgemenge und tötet ihn schließlich, um ihn zu
berauben und mit dessen Gelde seine
noch fester an.
Fr
sich
u binden. Zu spät
ieser den
ren Sachverhalt.
d mehr
D
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eniger dramatische S
de
Wei¬
rs. So etwa „2
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nd“, wenn da ge
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liche oder unber
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rungen gegenübe
eht. „Anatols
wohl eine
vie er,
Anatol“=Bilan
l er den Zeuith
eines
n hat,
noch an die unvermind
it seiner
n und inneren Persönli
ließlich
hie
belehrt wird, daß seine Welt nur ir
iner Vor¬
erson“
pann
existiert. „Eine ü
ame wenn
unterha
nhalb Zwei
t neue, „Reigen“=Töne an. An dem Erfolg dieses
vor allem
en und genußreichen Abends
Binder, die Herren Olden, Kramer
er auch zugleich
hrte) hervorragend beteiligt. Von weiteren
Feiern verdient ganz besonders die des „Thea¬
efstadt“ lobendste Hervorhebung. Die Mehr¬
rominenten dieser Bühne, allen voran Fr.
Barvat, die Herren Edthofer, Delins, Hüb¬
ner und Thimig, vereinigten sich zu einer ganz
prachtvollen, sehenswerten Neuinszenierung des Wei¬
n Lands“ und ließen den alten Zauber dieses un¬
verblaßten Werks aufs neue hell erstrahlen.I#
box 34/10
Der seucher, Wien
25. 4. 1952
vom:
Die-Schftsterfeier des Deutschen Polkstheuters brachte aus dem
Nachlaß des Dichters Abfälle, sehr respektable Treilich, seines Wer.
kes, seiner edeLmelancholischen Laune, seines schwungvollen Ge¬
nießertums, seiner fürstlich-elegischen Menschlichkeit. Es ist ein
Erbe von unauffälliger Größe, wie alles an Arthur Schnitzler war.
Von heimlicher Trauer und heimlicher Melancholie erfüllt. Denn
es ist kein bloßer Pointenspaß, wenn dem gealterten, aber unver¬
besserlich, sozusagen rückwirkend schwärmenden Anatol die ehe¬
malige Gelichte harmlos brutale Wahrheiten sagt. Wenn in zwei
anderen Einaktern scheinbar PReigens-Gespräche geführt werden
oder Makart-Melancholie um einen Doppelehebruch schimmert oder
ein Minker Skeich so unwahrscheinlich lebensweise ist, wie eben
der Skeich eines Dichters. Gewiß, an der aktuellen erotischen Sach¬
lichkeit gemessen: Tokoko der Liebesdialektik. Aber diese graziöse
Stimme aus einem längst von Winterschnee und neuen Frühlings¬
trieben bedeckten Grabe ist moderner als jene verlogen sportliche
Nüchternheit des allerjüngsten Eros. Blütenblätter säuseln durch
die Frühlings- und Liebensabende, die es offenbar noch immer gibt,
töricht wie einst, und auch für grauhaarige Stoiker des Herzens
unvergeßlich wie einst.
Hleinrich Schnitzler, der Sohn, als Schauspieler tuktvoll zurück¬
haltend, hat als Regisseur dieses Vermächtnisses Duft und Luft
und Sommerabendzauber treu bewahrt. Mag sein, daß allereigensten
süßer Jugendschmerz uns anzuwehen schien, wie ein Gruß vong
Drüben, aus dem unwiederbringlichen Jenseits jener todgeweihten?
und todbereiten Lieblichkeit. Daß Liebesgram, längst entblättert,
seinen Zauberblütenkeich wieder auftat. Tielbewegt spricht Leo¬
pold Krumer den gealterten Anatol. Mehr als einmal verzerren
beimlich gewürgte Tränen sein Lächeln. Das kokette und ver¬
sonnene Lächeln des ersten Anatol. Auch diesmal ist es eine Anatol¬
Uraufführung. Wieder weht der Abendwind vom Kahlenberg, Grin¬
zinger Weltschmerz dämmert auf. Die Blätter und Pointen rascheln.
Und noch auf Anatols Silberhaar ruht mehr schmerzlich als schnip¬
pisch ein Mädchenblick. Wie einst im schönen Volkstheater-Mai.
Mit Leopold Kramers Anatol sind wir jung gewesen. Nicht Kritik,
Freundesgruß quittiert, gerührt bis tief ins alte Skeptikerherz, die
Noblesse dieses grandseigneuralen Abschieds von der heißgeliebten
Rolle. Ihn und uns Tröstell, wenn er den Uberzieher der Resigna¬
tion überwirft. Anerkennung dem mildmondänen Kummerlächeln
Sibrlie Binders, das auf eine ganze Serie Schnitzler-Rollen zu war¬
ten scheint. Der tapfer-elegischen Schönheit Lola Chluds. Dem ge¬
radezu genialen Flancurton Hlans Oldens. Der theaterfixen Behen¬
digkeit Schufheiteiss. Dem stummen Duldnerinnenblick Frau Pitz.
manns. Der sauberse: Possierlichkeit Ehmanns, dem sanften Witz¬
blatthumor Homm.
„OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Stuttgarter Neues Tagblatt
7.4.1932
Unter den Schnitzler=Feiern, die das frischt
Grab des Dichters-pietawoll-zu bekränzen unternahmen,
war die des Volkstheaters die bemerkenswerteste; suchte
sie den Meister doch mit der Uraufführung von
fünf hinterlassenen Einaktern zu ehren, deren dramatisch
blutbollster „Die Morderin“ heißt. Im Mittel¬
punkt der Handlung ein dämonisches Weib, das neben
ihrem Arbeiter auch einen jungen Studenten hörig macht.
Mit letzterem will sie fliehen und ein neues Leben be¬
ginnen. Durch eine unglückselige Verkettung von Um¬
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ein Handgemenge und tötet ihn schließlich, um ihn zu
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hrte) hervorragend beteiligt. Von weiteren
Feiern verdient ganz besonders die des „Thea¬
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rominenten dieser Bühne, allen voran Fr.
Barvat, die Herren Edthofer, Delins, Hüb¬
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Der seucher, Wien
25. 4. 1952
vom:
Die-Schftsterfeier des Deutschen Polkstheuters brachte aus dem
Nachlaß des Dichters Abfälle, sehr respektable Treilich, seines Wer.
kes, seiner edeLmelancholischen Laune, seines schwungvollen Ge¬
nießertums, seiner fürstlich-elegischen Menschlichkeit. Es ist ein
Erbe von unauffälliger Größe, wie alles an Arthur Schnitzler war.
Von heimlicher Trauer und heimlicher Melancholie erfüllt. Denn
es ist kein bloßer Pointenspaß, wenn dem gealterten, aber unver¬
besserlich, sozusagen rückwirkend schwärmenden Anatol die ehe¬
malige Gelichte harmlos brutale Wahrheiten sagt. Wenn in zwei
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oder Makart-Melancholie um einen Doppelehebruch schimmert oder
ein Minker Skeich so unwahrscheinlich lebensweise ist, wie eben
der Skeich eines Dichters. Gewiß, an der aktuellen erotischen Sach¬
lichkeit gemessen: Tokoko der Liebesdialektik. Aber diese graziöse
Stimme aus einem längst von Winterschnee und neuen Frühlings¬
trieben bedeckten Grabe ist moderner als jene verlogen sportliche
Nüchternheit des allerjüngsten Eros. Blütenblätter säuseln durch
die Frühlings- und Liebensabende, die es offenbar noch immer gibt,
töricht wie einst, und auch für grauhaarige Stoiker des Herzens
unvergeßlich wie einst.
Hleinrich Schnitzler, der Sohn, als Schauspieler tuktvoll zurück¬
haltend, hat als Regisseur dieses Vermächtnisses Duft und Luft
und Sommerabendzauber treu bewahrt. Mag sein, daß allereigensten
süßer Jugendschmerz uns anzuwehen schien, wie ein Gruß vong
Drüben, aus dem unwiederbringlichen Jenseits jener todgeweihten?
und todbereiten Lieblichkeit. Daß Liebesgram, längst entblättert,
seinen Zauberblütenkeich wieder auftat. Tielbewegt spricht Leo¬
pold Krumer den gealterten Anatol. Mehr als einmal verzerren
beimlich gewürgte Tränen sein Lächeln. Das kokette und ver¬
sonnene Lächeln des ersten Anatol. Auch diesmal ist es eine Anatol¬
Uraufführung. Wieder weht der Abendwind vom Kahlenberg, Grin¬
zinger Weltschmerz dämmert auf. Die Blätter und Pointen rascheln.
Und noch auf Anatols Silberhaar ruht mehr schmerzlich als schnip¬
pisch ein Mädchenblick. Wie einst im schönen Volkstheater-Mai.
Mit Leopold Kramers Anatol sind wir jung gewesen. Nicht Kritik,
Freundesgruß quittiert, gerührt bis tief ins alte Skeptikerherz, die
Noblesse dieses grandseigneuralen Abschieds von der heißgeliebten
Rolle. Ihn und uns Tröstell, wenn er den Uberzieher der Resigna¬
tion überwirft. Anerkennung dem mildmondänen Kummerlächeln
Sibrlie Binders, das auf eine ganze Serie Schnitzler-Rollen zu war¬
ten scheint. Der tapfer-elegischen Schönheit Lola Chluds. Dem ge¬
radezu genialen Flancurton Hlans Oldens. Der theaterfixen Behen¬
digkeit Schufheiteiss. Dem stummen Duldnerinnenblick Frau Pitz.
manns. Der sauberse: Possierlichkeit Ehmanns, dem sanften Witz¬
blatthumor Homm.