III, Einakter 11, Der tapfere Cassian. Puppenspiel in einem Akt (Generalprobe), Seite 6

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11. Der tanfere Gassian
Theater, Kunst und Literatur.
Ein Schnitzler=Abend.#
X
Berlin, Ende November.
Unter den drei Einaktern Arthur Schnitzler's, die das Kleine
Theater schon seit Wochen angekündigt, ist entschieden „Haus Delorme“
am meisten interessant, derjenige Einakter, der schließlich — doch nicht
zur Aufführung gelangte. Offiziell wurde ein Zensurverbot ein¬
gestanden. Polizeiliche Rücksichten sollten auch diesmal die löblichen
Absichten des Theaters verhindert haben. In Bühnenkreisen wußte
man es anders. Man erzählte sich erst heimlich, dann immer lanter und
lauter, daß eine ganz eigenartige Revolution schon vor dem Entschlusse der
Zensurbehörde die Aufführung ernstlich bedrohte. Ein Schauspielerstrike
war im Zuge. Weil der Einakter selbst Schauspieler darstellt und diese
in Ausdrücken charakterisirt, die ein Ritter ohne Furcht und Tadel
sicher nicht dulden, geschweige denn von sich selbst wiederholen könnte.
Und nachdem die Heldin des Stückes — eine Operettendiva — ohne
kirchlichen oder standesamtlichen Segen den Freuden der Mutterschaft
entgegensieht: glaubten die Schauspieler es ihrer Ehre schuldig zu
sein, eventuell auch durch Kontraktbreich diese Schmach unmöglich zu
machen. An dem Theater, wo Gorki's verkommener Schauspieler,
dessen „Organismus durch den Alkohol vergistet“ so glänzend dar¬
gestellt wurde: gerade an dem Theater soll diese unerwartete
Empfindlichkeit als Leumundszeugniß der Mitglieder gelten. Heiliger
Ernst erfüllt die Mimenwelt. Die Komödianten verheimlichen nicht
mehr ihr großartiges Selbstgefühl. Es muß doch ein erhabener Beruf
sein, der nicht einmal Bühnenbeleidigungen duldet!... Zum Glück
kam das gütige Zensurverbot sehr gelegen, das Dilemma der sein¬
fühligen Schauspieler war ohne Strike gelöst und wir bekamen
wenigstens die zwei anderen Einakter Schnitzler's zu sehen.
„Der grüne Kakadu“ ist längst bekannt und oft
gewürdigt. Die Groteske, die das bewährte Bajazzomotiv mit kecker
Anmuth in das Milien der französischen Revolution hineinwebt. Die
glänzende Vorstellung der Reinhardt'schen Bühne konnte an den
früheren Beurtheilungen des reichen, fast allzu reichen Einakters nichts
ändern. Der Nörgler wird auch weiterhin das Stück verneinen, weil
das gespielte Leben und das lebende Spiel darin so verwickelt sind,
daß Keiner auf der Bühne und Keiner im Zuschauerraume Bescheid
weiß. Und andererseits wird man dieser kurzen Groteske weiterhin
nachrühmen können, daß sie die Luft der Revolution besser verspüren
läßt, als die meisten ernsten und blutigen Tragödien.
Eine „Uraufführung“ war also nur das zweite Stück Schnitz¬
ler's: „Der tapfere Cassian“ Eine Uraufführung, die
ichts Unbekanntes brachte. Diese „Burleske in einem Akt“ wurde in
der „Neuen Rundschau“ zuerst veröffentlicht und schon aus der Lektüre
war die Bühnenwirksamkeit leicht festzustellen. Das kleine Stück macht
den Eindruck einer Skizze, einer Studie, die wenig Interesse für Den
hat, der die ausgeführten farbigen Bilder des „Reigen“ kennt. Es
spielt am Ende des XVII. Jahrhunderts, in einer kleinen deutschen
Stadt, hat zwei Helden und eine Heldin, den glücklichen Spieler
Martin, seinen tapferen Vetter Cassian und seine schöne Geliebte
Sophie. Martin packt, wenn der Vorhang aufgeht, eben seine Reise¬
lasche. Er hat von den armen Studenten der Stadt tausend
Palaten gewonnen; er hat in Sophiens Armen küssen gelernt
und ihr die Eide geschworen, die Mädchen gern hören;
— jetzt will er weiter ziehen, das strömende Blut in ihm, der blühende
Frühling draußen treibt ihn fort. Da erscheint sein Vetter Cassian.
Er kommt aus soviel Abenteuern, daß ein Anderer mehr Mühe hätte,
sie zu erfinden, als es ihm bereitet hat, sie zu überstehen. Er erscheint, —
und die schöne Sophie, die in der „dummen letzten Stunde vor dem
Abschied“ laum ihre Thränen getrocknet, ist schon in ihn verliebt. Sie
soll das Abendessen besorgen, während die beiden Vettern plaudern.
Sie haben einander seit langer Zeit nicht gesehen, und besonders
Martin hat viel zu erzählen. Er ist in Eleonora Lambriani, in die
elende, herrlichste, schönste Tänzerin verliebt, er will sie in Homburg
aufsuchen, vorher ein Vermögen durch das Spiel sich ver¬
als Illustration gewinnt er auch die paar
schaffen
und dann ihr seinen Reichthum,
Dukaten Cassian's
sein Herz und sein Leben zu Füßen legen. Ehe er die Stadt verlasse,
werde er noch Sophie sagen, daß er sie niemals wiedersehe, „und Du
sollst Zeuge sein, wie sie eilends zu diesem Fenster hinfliegt, um sich
hinabzustürzen“. Mit einem herrlichen Abendessen kehrt Sophie zurück;
sie hat ihr ganzes Geld ausgegeben, ihr goldenes Armband versetzt und
einen italienischen Kaufmann geküßt, damit der vornehme Besuch nur