III, Einakter 10, (Marionetten. Drei Einakter), Der Puppenspieler. Studie in einem Aufzuge, Seite 20

10. Der Puppenspieler
Telephon 12801.
Alex. Weigls Unternehmen für Zeitungs-Aus.
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(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt 3
Hönigkeits Weitblatt, Wien
14 12.1904
vom:
Carl=Theater. Zugunsten des unter dem Protektorate
der Fürstin Lothar Metternich=Winneburg
stehenden „Ersten öffentlichen Kinder=Kranken=Institutes
in Wien“ fand hier gestern eine Wohltätigkeits=Vorstellung
statt, in welcher die k. k. Hofschauspieler Rosa Albach¬
Retty, Albert Heine, Erich Schmidt und Otto
Treßler, dann Direktor Josef Jarno, Frau Frieda
Wagen und Hans Claar mitwirkten. Man hörte
und sah Arthur Schnitzler — wohl den feinsten
und geistreichsten der Jung=Wiener Dichter. Die „letzten
Masken“ und „Literatur“ waren bereits bekannt. Man
hatte nur die Auffassung der Darsteller zu studieren.
Mir scheint, daß die „Deutschen“ die Figuren dieser zwei
Stücke tiefgründiger aufgefaßt hatten. Immerhin konnte
man Albert Heine als Rademacher in dem ersten Stück
und als Gilbert in dem letztgenannten, dann Otto
Treßler als Schauspieter Jackworth und dann als
Sportsman Clemens in gewisse Beziehungen bringen.
Um was der eine seine Figur in breitere Deutlichkeit
rückte, verschob sie der andere ins Possenhaftere. Die
starke Kunst Heines, die liebenswürdige Gigerlhaftigkeit
Treßlers gefielen aber ausnehmend. Ein Sturm von
Beifall lohnte ihnen die Eigenart ihrer Auffassung. Daß
Frau Albach=Retty, diese reizende Verkörperung
konfuser Oberflächlichkeit, als Margarethe geradezu
entzückend war, bedarf wohl keiner Erwähnung. „Der
Puppenspieler“ war für Wien eine Neuheit.
Schnitzler nennt den Einakter eine Studie. Das ist
er auch. Eine Studie über die Frage, ob es klüger sei,
so hübsch beiseite zu leben, das Glück im Herzen, den
Frieden im Hause, ohne sonderlichen Ehrgeiz bei einer
schönen Hängelampe und in bequemer Sofaecke, oder —
im Kampfe mit sich und mit Idealen, als Stürmer,
Dränger und Phantast, der die Welt zu regieren ver¬
meint und ja doch auch nichts anderes ist als eine Puppe
in den Willkürfingern des Zufalls, dem wir alle untertan
sind. Jarno gab den Grübler und Selbstmenschen mit
viel schwerfälliger ins Pathologische gerichteten Gründ¬
lichkeit. Ob nicht etwas geniales Vagabundentum mehr
am Platze gewesen wäre, kann ununtersucht bleiben. Aber
er war gut und höchst wirksam neben Hans Claar,
der denn doch ein bißchen zuviel Biedermeier von Anno
dreißig schien. Frau Wagen war an ihrem Platze.
Das elegante Publikum des ausverkauften Hauses kargte¬
nicht mit Beifall, den die Darsteller sich wirklich verdient
X. v. G—g.
hatten.
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Ausschnitt aus: BOHEMIA, PRAG
4
13 72
vom:
Theaternachrichten.“
Dr. P W-r. Ein Schnitzler=Abend. Aus
Im Karl¬
Witn, 12. d., wirt-
Theäter fand heute dem geschmackvollvornehmsten
unterchen jüngeren Dichtern zu Ehren ein Abend.
statt, der neben zwei leider in Wien zu selten
vernammenen Einaktern Schnitzlers eine kleine
Schmyler=Premiere darbot. Man gab mit Burg¬4
schauspielern in den Hauptrollen die nachdenklich=
wuchtigen „Letzten Masken“ und das
fröhlich=ironische Lustspiel „Literatur“, fernerl
zum erstenmale die tiefsinnige Studie „Der
Puppenspieler“. In „den letzten Masken“:
trat Erich Schmidt als der eitle, berühmte Schrift¬
steller Weihgast sehr angenehm hervor. „Der
Puppenspieler“ ist dem Dichter wohl aus An¬
regungen und Erinnerungen seines ärztlichen
Berufs erwachsen. Dunkle Seelenprobleme, die
Möglichkeit der Willensübertragung, werden in
dieser dem Theaterhandwerklichen völlig fernen
und doch auch vom Theater herab ergreifenden
Studie mit schwermütiger Versunkenheit erwagen.
Man erinnert sich, daß solche Fragen den Psycho¬
logen Schnitzler schon öfter, etwa in dem anmu¬
tigen Versspiele „Paracelsus“ anlockten. In der
Durchführung dieser, wie wir sagten, für das
Wiener Theater fast allzu schwebenden Stimmungs¬
nuancen spürt man überall die Hand des ver¬
sonnenen, reifen, vollendeten Künstlers, des besten,
den wir zur Zeit in unserer Heimat haben.
Jarno zeigte sein starkes Können als der Puppen¬
spieler von neuem und von der anregendsten Seite.