III, Einakter 10, (Marionetten. Drei Einakter), Der Puppenspieler. Studie in einem Aufzuge, Seite 41

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10. Der Puppenspieler
Feuilleton.
Schnitzler=Abende.
An zwei Tagen hintereinander haben
zwei Wiener Bühnen, das Volkstheater und
die Renaissancebühne, sechs Einakter von
Schnitzler gespielt. Dazwischen liegt ein
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Sonntag voll aufregender Nachrichten vom
großen Welttheater. Umsturz und wieder
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Umsturz! Schicksalsfragen tauchen gebieterisch
auf und verlangen Antwort. Die Flut der
Tagesereignisse spült über die Theaterein¬
drücke weg und verwischt so manches. Aber

Manches bleibt trotzdem.
Da war ein Einakter von Einem,
der sich einbildet, die Fäden in der
Hand zu haben und die Menschen wie
ein Puppenspieler zu lenken und weiß doch
nicht, daß er der Narr seines Schicksals ist und
sein Leben versäumt hat, oder will es wenig¬
stens nicht wissen. Onno spielte diesen
Mann. Warum eigentlich? Onno hat den
Ton der vibrierenden Ekstase, er ist der ewig
Junge voll hinreißender Unreife. Aber einen
Charakter hinzustellen, der anders ist, als er
sich gibt, ist doch wahrhaftg nicht seine Sache.
Es kam ein unleidlicher Mischmasch voll Ver¬
logenheit heraus. Ein widerliches Komödian¬
tengetu. Warum hat nicht Homma diese
Rolle gespielt, der hätte doch einen Menschen
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Den Beschluß des Abends machte die ent¬ S
aus diesen posierenden Worten gemacht. Es
zückende und witzige Satire „Komtesse Mizzi“,
spielten auch sonst noch ein paar Leute mit.
in ihrer Art ebenso ein vollkommenes Meister¬
Sie redeten. Dann kam „Der grüne Kakadu“:
werk wie „Der grüne Kakadu“ in seiner, mit
Schnitzlers Meisterwerk. Die größte Kunst im
denselben Vorzügen, die den „Kakadu“ aus¬
kleinsten Raum zusammengedrängt. Die Ge¬
zeichnen, nämlich, daß die Menschen Menschen
fahren seines Wesens, die Schatten seiner
bleiben und nicht psychologische Paradigmen
Lichtseiten sind in diesem Stück nahezu über¬
werden und auch ihre Rede Menschenrede
wunden. Hier ist er Plastiker und begnügt
bleibt und nicht zur Schreibe wird, um den
sich, die Figuren hinzustellen, ohne sie allzu
alten Vischer nutzbringend anzuwenden. Das
langatmig auszudeuten. Hier siegte der Dra¬
alte Österreich mit seinem ganzen faulen
matiker über den Novellisten. Aber im Volks¬
Zauber, der aber immerhin doch noch eine
theater siegte er eben leider nicht. Unerträglich
Art Zauber war, ersteht in diesem Stückchen.
gedehnt das Tempo. Die Einsätze wollten nie
Der alternde Graf des Herrn Homma ein¬
zur richtigen Zeit kommen, immer wieder
fach eine Meisterleistung. Tief verankerte
klafften Löcher im Dialog, immer wieder riß
Menschlichkeit, nirgends Karikatur. Fräulein
der steile Aufstieg, den dieser Akt nehmen
Woiwode als Komtesse Mizzi vielleicht
muß, ab. Jede dieser Rollen verlangt einen
eine Schwebung allzu behaglich. Man hätte
ganzen Schauspieler, der imstande ist, mit
doch die hinter ihr liegenden Kämpfe ein bi߬
ein paar Sätzen einen Menschen hinzustellen.
hen ahnen können, wenn das Gespräch die
Dieser Forderung wurde von den vielen, die
Vergangenheit berührt. Voll Frische und
in diesem Akt herumwimmeln, nicht entspro¬
drolliger Frechheit der junge Dietz als Kind
chen. Seiner Aufgabe gewachsen war Herr
der Liebe.
Homma als Strolch und ehrlicher Ver¬
Von den Schnitzler=Einaktern, die an der
brecher, war der junge Schilbkraut mit
Renaissancebühne wiedererstanden, haftet vor
seiner reizenden Melancholie, als Herzog von
allen Dingen die große Szene, die Harry
Cardignan. Onno hatte die Effekte seiner
Walden mit einem jungen Schauspieler,
Rolle für sich, ohne ihr viel mehr zu ver¬
namens Wengraf, spielt, der mir zum
leihen, als die physischen Reize seiner Stimme.
ersten Male und angenehm auffiel. In dieser
Alle übrigen brüllten bald mehr, bald weni¬
großen Szene entwickelt Walden seine ganze
ger. Von Gestaltung der Figuren war nichts
anmutige Meisterschaft und verhilft sich jund
zu verspüren. Es ist offenbar schwerer, einen
schlechten Komödianten zu spielen, als einer dem Dichter, der diesen prachtvollen Typus
voll Verlogenheit und Echtheit, kindlicher
zu sein.
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