III, Einakter 10, (Marionetten. Drei Einakter), Der Puppenspieler. Studie in einem Aufzuge, Seite 42

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10. Der Puppenspieler
Den Beschluß des Abends machte die ent¬
aus diesen posierenden Worten gemacht. Es
zückende und witzige Satire „Komtesse Mizzi“,
spielten auch sonst noch ein paar Leute mit.
in ihrer Art ebenso ein vollkommenes Meister¬
Sic redeten. Dann kam „Der grüne Kakadu“:
werk wie „Der grüne Kakadu“ in seiner, mit
Schnitzlers Meisterwerk. Die größte Kunst im
denselben Vorzügen, die den „Kakadu“ aus¬
kleinsten Raum zusammengedrängt. Die Ge¬
zeichnen, nämlich, daß die Menschen Menschen
fahren seines Wesens, die Schatten seiner
bleiben und nicht psychologische Paradigmen
Lichtseiten sind in diesem Stück nahezu über¬
werden und auch ihre Rede Menschenrede
wunden. Hier ist er Plastiker und begnügt
bleibt und nicht zur Schreibe wird, um den
sich, die Figuren hinzustellen, ohne sie allzu
alten Vischer nutzbringend anzuwenden. Das
langatmig auszudeuten. Hier siegte der Dra¬
alte Österreich mit seinem ganzen faulen
matiker über den Novellisten. Aber im Volks¬
Zauber, der aber immerhin doch noch eine
theater siegte er eben leider nicht. Unerträglich
Art Zauber war, ersteht in diesem Stückchen.
gedehnt das Tempo. Die Einsätze wollten nie
Der alternde Graf des Herrn Homma ein¬
zur richtigen Zeit kommen, immer wieder
fach eine Meisterleistung. Tief verankerte
klafften Löcher im Dialog, immer wieder riß
Menschlichkeit, nirgends Karikatur. Fräulein
der steile Aufstieg, den dieser Akt nehmen
Woiwode als Komtesse Mizzi vielleicht
muß, ab. Jede dieser Rollen verlangt einen
eine Schwebung allzu behaglich Man hätte
ganzen Schauspieler, der imstande ist, mit
doch die hinter ihr liegenden Kämpfe ein bi߬
ein paar Sätzen einen Menschen hinzustellen.
chen ahnen können, wenn das Gespräch die
Dieser Forderung wurde von den vielen, die
Vergangenheit berührt. Voll Frische und
in diesem Akt herumwimmeln, nicht entspro¬
drolliger Frechheit der junge Dietz als Kind
chen. Seiner Aufgabe gewachsen war Heir
der Liebe.
Homma als Strolch und ehrlicher Ver¬
Von den Schnitzler=Einaktern, die an der
brecher, war der junge Schildkraut mit
Renaissancebühne wiedererstanden, haftet vor
seiner reizenden Melancholie, als Herzog von
allen Dingen die große Szene, die Harry
Cardignan. Onno hatte die Effekte seiner
Walden mit einem jungen Schauspieler,
Rolle für sich, ohne ihr viel mehr zu ver¬
namens Wengraf, spielt, der mir zum
leihen, als die physischen Reize seiner Stimme.
ersten Male und angenehm auffiel. In dieser
Alle übrigen brüllten bald mehr, bald weni¬
großen Szene entwickelt Walden seine ganze
ger. Von Gestaltung der Figuren war nichts
anmutige Meisterschaft und verhilft sich und
zu verspüren. Es ist offenbar schwerer, einen
dem Dichter, der diesen prachtvollen Typus
schlechten Komödianten zu spielen, als einer
voll Verlogenheit und Echtheit, kindlicher
zu sein.
Skrupellosigkeit und ahnungsloser Genialität
hinstellt, zu stärkster Wirkung. Immer erfreu¬
licher entwickelt sich Fräulein Lola Knei¬
dinger. Da reift eine wirkliche junge Sa¬
londame heran, die nicht nur das Aussehen,
sondern auch das Wesen einer solchen hat.
Die Augenblicke ihrer verständnislosen Em¬
pörung über das Wesen ihres Mannes mach¬
ten Eindruck. Im ersten Stück trat Frau
Walden=Wagen mit ihrer feinen, klu¬
gen, allerdings etwas gleichmütigen Art an
die Seite ihres Gatten, der die kühle und hä¬
mische Figur des Mannes im Schatten, der
auf den Tag seiner Rache wartet, mit ein¬
dringlicher Schärfe zur Geltung brachte. Das
Bacchusfest war kein Erlebnis. Nicht als
Stück, nicht als schauspielerische Darbietung.
Es minderte nur den guten Eindruck des
Abends. Wie schön wäre ein Schnitzler=Abend,
der sich aus „Große Szene“, „Grüner Kaka¬
du“ und „Komtesse Mizzi“, zusammensetzen
würde! Man könnte eventuell auch noch „Lite¬
ratur“ dazu nehmen. Und dann müßte man von
den verschiedenen Theatern die Schauspieler
dazu aussuchen und dann könnte man wieder
einmal von einem theatralischen Erlebnis
sprechen. Aber so wie die Ensembles derzeit
im Volkstheater und in der Renaissancebühne
zusammengesetzt sind, gibt es immer nur Not¬
besetzungen, was den dargestellten Stücken
nicht zum Vorteil gereicht und dem Zuschauer
lein Vergnügen macht. Mir auch nicht.
Felix Dörmann,