III, Einakter 10, (Marionetten. Drei Einakter), Der Puppenspieler. Studie in einem Aufzuge, Seite 58

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10. Der Pupbenspieler

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Neue Badische Landes Zeitung
Nationaltheater.
Schnitzler=Abend.—
„Der Puppenspieler“. — „Komtesse Mizzi“.
(Neueinstudiert.)
Dieser kleine Schnitzler=Abend, der die Lücke
zwischen zwei Einstudierungen größeren Formates füllt, ist
indirekt Kesser zu danken. Die mit Ironie geladene „Kom¬
wie sie, spöttischer und stilge¬
tesse Mizzi“ oder —
mäßer, hier heißt: „Der Familientag“ — sollte ur¬
sprünglich den heiteren Ausklang zu „Summa Summarum“
schaffen, das sich indessen dann in jeder Beziehung als ge¬
wichtig genug erwies, um allein an einem Abend auf den
Brettern stehen zu können. Es wäre sonst kein unebener
Einfall gewesen, der Tragikomödie des Kesserschen Barons
den frivol fröhlichen Appendix der Schnitzlerschen Adels¬
komödie anzuhängen, die eigentlich, trotz eines ernsthaften,
gelegentlich gar ein bißl moralisierenden Untergrunds nicht
viel mehr als ein die Figuren sorglos übertreibender, hüb¬
scher Schwank ist und gerade varum auch seit Erscheinen sich
überall einer besonderen Sympathie beim Publikum erfreut.
Die Aufführung ist unübertrefflich graziös und char¬
mant. Die Hälfte der Darsteller ist noch dieselbe wie be.
der Première kurz vor Kriegsausbruch. Aber für Fräulein
Blankenfeld spielt nun Frl. Busch die Komtesse Mizzi psy¬
cholo gisch meisterlich und wundervoll sicher im Tone der
seinen lustsvielmäßigen Konversation; für Herrn Kupfer
Herr Odemar entzückend ihren kecken siebzehnjährigen Fi¬
lius Philipp, der aus diskreter Verborgenheit auftaucht; und
für Fräulein Wittels Fräulein Berger die Lolo Lang¬
huber vom Ballett taktvoll, aber vielleicht ein wenig zu
matt. Mizzis Vater — Herr Kolmar — und Philipps
Vater — Herr Godeck —, dazu Lolos rossebeherrschender
sind die trefflichen
Zukünftiger — Herr Landory —
Hinterbliebenen von damals. In kleinen Rollen ergänzten
Herr Köhler als Mizzis gegenwärtiger Freund, Herr
Renkert als Gärtner und, nicht zu vergessen. Herr Rei¬
fenberger als Kammerdiener das famos gefügte En¬
semble, das durchaus eine vornehme Komödie spielte und
das Possenhafte des Stücks zurückdrängte.
Voran ging die ältere „Studie“ „Der Puppen¬
spieler“, die dem als Ganzes kaum je gespielten Ein¬
akterzyklus „Marionetten“ (neben dem „Tapferen Cassian“
und dem „Großen Wurstl“) angehört. Es ist ein inter¬
lessantes Dialogspielchen von großem psychologischem Reich¬
S anan
tum und voll feiner Wirkungen. Ein echter Schnitzler:
retrospektiv-reflexiv enthüllten sich drei Schicksale. Einer,
der meint, ein „Puppenspieler“ gewesen zu sein, d. h. die
Fäden des Lebens der Anderen in Händen gehabt zu haben,
muß erkennen, daß er selbst das Objekt im Spiele war.
Georg Merklin meinte, es abgekartet zu haben, daß Eduard
und Anna zueinander kamen. Aber nach einem Jahrzehnt
erfährt er, daß Anna nur deshalb mit Eduard sich eingelassen
hatte, um Georg eifersüchtig zu machen, da sie diesen damals
liebte. Und als das Mittel nicht wirkte, nahm sie den
Anderen, den verschüchterten, einsamen Eduard und — beide
wurden miteinander glücklich. Der Dritte aber, der selbst¬
sicher überlegene „Puppenspieler“ von damals, hat in¬
zwischen lernen müssen, das Nachsehen im Leben zu haben.
Der seit vielen Jahren in Mannheim nicht gegebene,
geistvolle, wiewohl dramatisch spröde, in der Zusammen¬
drängung der Enthüllungen auch etwas gewaltsame Ein¬
akter beschäftigte als den Musikus Eduard Jagisch, den
Geheirateten, Herrn Neumann=Hoditz, als seinen ge¬
strandeten Freund Georg Herrn Garrison (in einer Maske
frei nach Peter Hille), als Eduards Frau Fräulein Berger
in durchweg wirkungssicheren Darstellungen, deren Zu¬
sammenklang nur vielleicht ein wenig zu sentimental war
Herr Voigt hatte für die Regie dieses ansprechenden
Unerhaltungsabends, der dem voll besetzten Haus sehr ge¬
Dr. E. Ly S.
fiel, bestens Sorge getragen.