III, Einakter 9, (Lebendige Stunden. Vier Einakter), Literatur, Seite 14

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9. Literatur
Telephon 12801.
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O l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
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9 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New -Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Onellenangabe ohne Gen ähr.)
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Ausschnitt aus:
Der Bühnenpote, Karlsruhe
E. 1907
E vom:
Dresden. „Der Puppenspieler“. Vor nur leidlich gut
besuchtem Hause ging Arthur Schnitzlers einaktige Studie „Der
Puppenspieler“ erstmalig im Dresdener Schauspielhause in Szene
Die geistvolle Novität, eine an subtilen Beobochtungen und ein¬
drucksvollen Stimmungen reiche Dichtung, wurde sehr freundlich
aufgenommen. Der Puppenspieler ist vom Dichter als ein inner¬
lich weicher Mensch gezeichnet, der es sich zum Vergnügen macht,
Menschenschicksale wie Buppen an den Drähten zu leiten. Georg
Merklin (Herr Mehnert) und der Oboespieler Eduard Jagisch
(Herr Wierth) sind Freunde. Der ältere und erfahrene Georg
hat seinen Freund 11 Jahre lang nicht gesehen, da dieser in Ame¬
rika weilte. Zufällig begegneten sie sich nach dieser Zeit und
begaben sich nach Eduards Wohnung. Eduard ist ein feiner
Mann geworden — das ganze Gegenteil von früher und ver¬
heiratet. Georg freut sich über die vorteilhafte Veränderung
seines Freundes und offenbart ihm, das habe er nur ihm, Georg,
zu verdanken. Denn vor 11 Jahren, als Eduard noch verschüch¬
zert und mutlos einherging, habe er eine seiner Bekannten dazu
beredet, sich in Eduard zu verlieben. Während dieses Geständ¬
nisses erscheint Eduards Frau mit ihrem Kind, in welcher Georg
die Freundin von damals wieder erkennt. Georg ist nun be¬
gierig, zu erfahren, wie sich das „Verhältnis“ zwischen beiden
entwickelt. Eduard erzählt ihm offenherzig, Frau Anna sei erst
in den Puppenspieler verliebt gewesen und habe sich nur zu der
Rolle der Verliebten verstanden, um Georg eifersüchtig zu machen.
Georg habe sich aber kalt verhalten. Darüber gekränkt habe sie
nun Eduard das ganze Spiel verraten. Nach kurzem Brief¬
wechsel sei sie später Eduard nachgereist, und jenseits des Meeres
sei das Ehebündnis geschmiedet worden. Ihr Sohn trage den
Namen Georg. Eine Einladung zum Mittagsmahl lehnt Georg
mit der Begründung ab, daß am gedeckten Tisch zu speisen wider
seine Gewohnheit sei — er verzehre sein Mahl immer unterwegs.
Auch er sei einst verheiratet gewesen, sein Weib ihm durchge¬
gegangen und sein Sohn gestorben. Doch fühle er sich glücklich,
wenn er auch von der Welt verkannt werde. Auch ein Auerbieten
Eduards ihm eine einträgliche Stelle zu verschaffen, schlägt Georg
aus, da er lieber der Alte bleiben will. Genügt es ihm doch,
wenn er für das Abfassen kleiner Zeitungsartikel sich soviel ver¬
dient, um sich sattessen zu können. — Das Werk wurde vortreff¬
lich gespielt. Herr Mehnet zumal gestaltete den Puppenspieler
außerordentlich charakteristisch und lebensvoll.

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(Quellenangabe ohne Oewähr.)
Ausschnitt aus
„süner Nachrichten
an
TOWAITAD
E vom:
1L. —.
7 Königl. Schanspielhaus. „Der Puppenspieler“.
Studie von Arthur Schnitzler. Irgendwo in einer
Vorstadt Wiens hat der #bbespierer Eduard Jagisch sein
Heim, sein liebes Weib und einen prächtigen Buben. Er
spielt im Opernorchester, es geht ihnen gut, sie können sogar
ein Mädchen halten. Trauliches, bürgerliches Behagen,
eine enge Welt, aber erfüllt von Glück, von Vertrauen
und Reinlichkeit. In dieses Heim bringt Jagisch eines
Tages einen Freund seiner Jugend, an den er nie auf¬
gehört hat zu denken, Georg Merklin. Elf Jahre war er
seinen Augen entschwunden, nun hat er ihn wieder. Wie
sie sich verändert haben, aber die Horzen sind die gleichen
geblieben; Eduard, die naive, kindliche Künstlerseele,
strömt über vor lange zurückgedrängter Herzlichkeit. Fremd
und versonnen steht der andere in den blanken Bürger¬
stuben. Was ist ihm das — er schreitet seine eigenen Pfade,
unenkannt geht er durch die Menge, ein König durch die
Welt seiner Gedanken und Empfindungen, zu stolz, um
von ihnen mitzuteilen. Er „berechtigte einmal zu großen
Hoffnungen“ aber sie haben keine Erfüllung gesunden —
für die andern. Er selber ist ein Eigener geblieben, der
sich wohlzufühlen scheint auf selbstgewählten Pfaden, ab¬
seits der großen Heerstraße. Und eine wunderliche Kraft
steckt in ihm, er hat Macht über die Menschen und ein
königliches Vergnügen ist es ihm, sie zu lenken gleich
Puppen an den Drähten. Auch auf das Leben des Freundes
het er einmal bestimmenden Einfluß geübt, als er dem
Schüchternen, Scheuen, Armseligen das Selbstbewußtsein
gab, Glück mitzuteilen und zu empfangen. Es wur nur
ein verabredet Spiel, das Mädchen, die blonde Anna, war¬
mit im Bunde. Aber die Komödie war doch eigentlich der
Anlaß, daß aus dem Aengstlichen ein Mann wurde mit
dem Mut zum Leben. Der Freund lacht ihm bestätigend
zu, ein bißchen verlegen. aber doch mit dem Gesühl des
Siegers. Die blonde Anna ist ja eben sein liebes Weib.
Gerade tut sich die Tür auf, sie bringt den hübschen Buben
aus der Schule heim — Georg heißt er, wie der Freund.
Zwischen den dreien wachen verklungene Tage und Empfin¬
dungen auf. Anna liebte ja eigentlich Georg Merklin und
hätte ihn gern aus der Zerrissenheit seines Lebens
bürgerliche Ordnung gerettet. Der läßt den ironischen Blich
über das saubere Milieu schweifen. Nur um ihn eiser¬
süchtig zu machen, hat sie sich zu dem Spiel hergegeben, aus
dem dann beglückender Ernst werden sollte. Der Tisch wird
gedeckt, Georg Merklin steht auf und schickt sich an, zu gehen.
Er spürt leise die klammernde Liebe mit dem engen Horizont,
die ihn von weltfernen Wegen ins kleine enge Leben zu¬
rückziehen will. Für ihn gibt es nur eins noch, die Frei¬
heit seines Ich, unbehindert durch Zwang und Enge.
Vielleicht ist diese Freiheit nur eine Illusion des alten
„Puppenspielers“ aber er braucht sie, um existieren zu
können. Sein Weib, der einzige Mensch, der ihn verstand,
hat sich doch von ihm gewendet, sein Junge ist tot, nur einen
Augenblick fällt das Streiflicht auf ein tief verwundetes
krankes Herz, warum muß der Junge desJagisch auch Georg
heißen, nach ihm. Dann geht er mit ein paar Abschieds¬
worten, halb wehmütig, halb ironisch. — Die Studie trägt
alle Merkmale der Kunst des Wiener Poeten. Das eigent¬
lich Dramatische wird nur mit leisem Finger angedeutet;
eine robustere Natur hätte ja mit leichter Mühe viel heraus¬
holen können. Schnitzler liebt es, zart über die Saiten zu
gleiten, was unter der Bewußtseinsschwelle schlummerte zu
erwecken und die Untertöne vibrieren zu lassen. Dadurch
ergeben sich für den genießend Mitempfindenden Stim¬
mungen von feinstem Reiz. Die Anmut seiner Technik
und die zarte, sichere Hand, die sich bei Gestaltung der
Charaktere und psychologischen Details offenbart, berühren
namentlich in unseren Tagen erfreulich, wo man wieder
für handgreifliche Ausdrucksmittel Neigung verspürt. Ober¬
flächliche und stumpfe Sinne bedürfen allerdings stärkerer
Aufpeitschung.
— Das Spiel war sorglich getönt. Herr
Mehnert überzengte als Georg Merklin durch die Ein¬
fachheit seiner trefssicheren Charakterisierungskunst, man
fühlte, daß der Darsteller die Gestalt in richtiger Beleuch¬
tung gesehen hat und erlebte. Für die naive Glückssicher¬
heit des zufriehenen Oboespielers hatte Herr Wierth
einen hübschen Ton. Die Anna konnte etwas hausfrau¬
licher gegoben werden, wie Fräulein Verden es tat; sie
wirkte auch in der Erscheinung noch zu sehr als „süßes
Mädel“. — Voran ging der interessanten Studie das Schau¬
spiel Herbst“ von Schmidt=Häßler, das hier be¬
reits gegeben wurde. Das Werk hat manche hübsche Einzel¬
heit, es wird aber in Stimmung gemantscht. Der alte Graf
erhielt durch Herrn Müllers schlichte Vornehmheit und
die milde Wehmut des Tons das richtige Gepräge. Der
„Fremde“ gab Herrn Froböse Gelegenheit zu ausge¬